Die Wiener Schutzstaffel (SS)

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Daten zur Organisation
Art der Organisation Institution
Datum von 1930
Datum bis 1945
Benannt nach
Prominente Personen Josef Fitzthum, Fridolin Glass, Amon Göth, Max Grillmayr, Franz Mazanek, Siegfried Seidl, Anton Ziegler
PageID 42360
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Die SS wurde in Deutschland 1925 als persönliche Leibgarde Adolf Hitlers gegründet, fungierte darüber hinaus aber bald als parteiinterner Geheim- und Nachrichtendienst. Sie war ursprünglich der Parteimiliz, der Sturmabteilung (SA) unterstellt, nach deren Entmachtung im Zuge des sog. „Röhmputsches“ in dessen Verlauf Angehörige der SS die SA-Spitze im Auftrag Adolf Hitlers töteten, wurde die SS zur eigenständigen Organisation. Durch ihre schrittweise Verschmelzung mit der staatlichen Exekutive wurde die SS schließlich zum umfassenden Terrorinstrument innerhalb des NS-Staates und zeichnete neben der Verfolgung politischer Gegnerinnen und Gegner verantwortlich für den rassistisch motivierten Massenmord in ganz Europa. Darüber hinaus stellte die SS auch militärische Verbände im Rahmen des deutschen Heeres.

Die Gründung der ersten Formation der Schutzstaffel in Österreich ging auf die Initiative einer Gruppe Wiener SA-Mitglieder zurück, die im März 1930 als erste Einheit den Wiener SS-Sturm 77 gründeten. Wie in Deutschland war auch in Österreich die SS zunächst der SA unterstellt. Aus vereinsrechtlichen Gründen wurde für SA und SS ein eigener Verein, der „vaterländische Schutzbund“ gegründet. Zu den Gründungsmitgliedern der Wiener SS zählten neben den vom „Reichsführer SS“ Heinrich Himmler mit der Formierung des SS-Sturms 77 beauftragten Elektrotechniker Walter Turza (geb. 1890) und Karl Pichl (geb. 1906) der Kaufmann Heinrich Weitzdörfer (geb. 1906), der technische Zeichner Herbert Hranitzky (geb. 1910), der Bankbeamte Franz Weilguny (geb. 1903) der Lagerist Josef Reschauer (geb. 1908) und der Elektrotechniker Anton Ziegler (geb. 1897). Ende 1930 umfasst die Wiener SS etwa 21 Mitglieder.

Der Aktionsradius der Wiener SS erstreckte sich zunächst auch auf Niederösterreich, wo weitere Formationen entstanden die der Wiener SS unterstellt waren. Erst 1932 kam es Aufstellung einer eigenen niederösterreichischen SS-Standarte und der Trennung von der Wiener SS. Diese hatte zunächst dem Münchner SS-Abschnitt I unterstanden, bevor 1938 die Aufstellung eines österreichischen SS-Abschnitts VIII unter dem Kommando des SS-Standartenführers Josias zu Waldeck-Pyrmont erfolgte. Mit der Stabsführung wurde Walter Turza betraut, der damit die österreichische SS praktisch leitete.

Bis zum Sommer 1932 war der Sitz des (österreichischen) Abschnitts VIII der SS in der Wiener Schottenfeldgasse 41-43 im 7. Gemeindebezirk angesiedelt, bevor er nach Linz verlegt wurde. Die österreichischen SS-Einheiten wurden in drei Standarten zusammengefasst, wobei die 11.Standarte Wien, die SS-Standarte in Linz (Oberösterreich, Salzburg, Tirol) und die 38. Standarte in Graz (Steiermark, Kärnten) ihren Sitz hatte. Die Wiener SS-Standarte umfasst zunächst zwei, ab 1932 drei Sturmbanne. Im Prinzip umfasst jede Standarte (1000-3000 Mann) drei bis vier Sturmbanne zu je 250-600 Mann, diese wiederum setzten sich aus drei Stürmen zu je 70-200 Mann zusammen und waren in jeweils drei Trupps mit je 20-60 Mann unterteilt. Die kleinste Einheit innerhalb dieses Aufbaus waren je drei Scharen zu 4-12 Mann.

Die Wiener SS konnte ihren Mitgliedsstand parallel zu dem der NSDAP ab Mitte 1932 enorm steigern. Im November 1932 umfasste die Wiener SS etwa 580 Mann. Im Vergleich dazu war die Wiener SA kaum gewachsen und erreichte im Oktober 1932 eine Stärke von 2172 Mann. Das Wachstum der SS in diesen Monaten ging also vermutlich wesentlich auf Kosten der SA. Darauf deutet auch die Sozialstruktur der SS hin, die sich im Laufe des Jahres 1932 stark veränderte. Hatte sie anfänglich vor allem Arbeitslose und niedrig qualifizierte angezogen, begann sie nach 1931 zunehmend für Akademiker, ehemalige Offiziere und Studenten attraktiver zu werden. Letztere machten Ende 1932 bereits 13% der SS-Mitglieder aus. Das Wachstum der SS machte sich auch durch den Aufbau neuer Sonderformationen bemerkbar. So stellte die SS-Standarte bis Ende 1932 eine Motorstaffel bestehend aus drei Stürmen, einen Musikzug, einen Reiter- und Fliegersturm sowie eine Sanitätsabteilung auf. Ab Juni 1932 wurde die Wiener SS von Anton Ziegler, ab September 1932 von Josef Fitzthum geführt. Im Herbst und Winter 1932/1933 wurde die Wiener SS von einer Spitzelaffäre erschüttert. Der sozialdemokratischen Arbeiterzeitung war es gelungen, mehrere Spitzel in die Wiener SS einzuschleusen und durch sie Informationen über interne SS-Vorgänge zu erlangen die sie über Monate hinweg in einer Artikelserie veröffentlichte. Erst im Jänner 1933 gelang es der Wiener SS-Führung einige der Spitzel zu enttarnen.

Die Machtübernahme der NSDAP in Deutschland wirkte sich mehrfach auch auf die Wiener SS aus. Zum einen verbesserte sich die finanzielle Situation durch Zuwendungen aus Deutschland erheblich. Zum anderen war es nun einfacher sich etwaiger Strafverfolgung durch Flucht nach Deutschland zu entziehen. Im Laufe des Sommers Jahres 1933 begann die Wiener SS eine Terrorkampagne, an deren Organisation die SS-Männer Franz Mazanek, Walter Leubuscher und Max Grillmayr führend beteiligt waren. Unter Leitung von Mazanek verübte die Wiener SS eine Reihe von Bombenanschlägen, vorwiegend auf jüdische Geschäfte, bei denen ein Mensch getötet und mehrere schwer verletzt wurden. Diese Anschlagsserie führte zum Verbot der NSDAP und der ihr angeschlossenen Verbände wie der SS im Juni 1933 durch die Regierung Dollfuß. Die Wiener SS bestand jedoch im Untergrund weiter fort. Bereits als sich Anfang Juni das Verbot der Organisationen abzeichnete, hörten die bis dahin üblichen regelmäßigen quasi-militärischen „Appelle“ auf, und wurden ersetzt durch wöchentliche Treffen in Gasthäusern, Kaffeehäusern oder Privatwohnungen. Der Wiener SS-Sturmführer Max Peschke brachte in seinem Gartenhaus im Wiener 13. Gemeindebezirk die Kanzlei der illegalen NSDAP-Landesleitung unter, während im Haus seiner Frau einige Zeit lang der „Österreichische Beobachter“ gedruckt wurde. Das Verbot der NS-Organisationen führte jedoch zu keinem Ende der Terrorwelle. Anschläge auf Bahngleise, Zerstörung von Telefonautomaten, Bomben in Briefkästen gehörten nun zur Tagesordnung. Der Großteil der Wiener SS-Führer verblieb zunächst im Land. Dies war mit ein Grund dafür, dass nach der Anschlagwelle des Juni 1933 der Großteil der Wiener SS-Führung verhaftet werden konnte. Die meisten wurden jedoch nach einigen Tagen oder spätestens Mitte Juli wieder freigelassen. Die NS-Unterwanderung der Polizei und der Justiz spielte eine erhebliche Rolle dabei, dass die Ermittlungen gegen SS-Leute in aller Regel im Sand verliefen.

Die Abschnittsführung der österreichischen SS wurde nach dem Verbot nach München verlegt und im Dezember dem SS-Brigadegeneral Alfred Rodenbücher die Leitung übertragen. Im Februar 1934 erfolgte im Zuge einer neuerlichen Reorganisation der österreichischen SS die Umbenennung des Abschnitts VIII in „SS-Oberabschnitt Donau“. Zum Bevollmächtigten in Österreich, also zum de facto Führer der SS in Österreich, ernannte Rodenbücher den Hauptscharführer Karl Franz Grimme, einen ehemaligen Offizier der k.u.k. Armee. Der Wiener SS-Führer Josef Fitzthum wurde verhaftet und blieb mehre Monate inhaftiert, bevor ihm die Flucht nach Deutschland gelang. Zu seinem Nachfolger als Leiter der 11. Standarte wurde sein bisheriger Stellvertreter SS-Obertruppführer Hubert Kölblinger. Im März 1934 erfolgte die Aufstellung einer zweiten Wiener SS-Standarte, der Standarte 89. Zu einem Gutteil rekrutierte sich die neue SS-Staffel aus ehemaligen Angehörigen des Bundesheeres, die über den NS-nahen „Deutschen Soldatenbund“ nunmehr zur SS stießen. Zum Chef der Standarte im Range eines Sturmführers wurde ein weiterer ehemaliger Bundesheersoldat ernannt: Fridolin Glass. Der Aufstellung der Standarte war Ausdruck der sich zuspitzenden Rivalitäten und Konflikten insbesondere zwischen dem Landesinspekteur Theo Habicht, Wiener Gauleiter Frauenfeld und Wiener SS um Josef Fitzthum einerseits und der österreichischen SA unter Josef Reschny andererseits. Die bis zu seinem Verbot im Deutschen Soldatenbund organisierten Nationalsozialisten hätten nach den Wünschen Reschnys eigentlich in die SA eintreten sollen, was jedoch nicht zuletzt aufgrund der Intervention Frauenfelds unterblieb, der Glass einen Eintritt in die SS nahelegte. Reschny erwirkte sogar eine kurzzeitige Verhaftung von Glass, den er als „Deserteur“ betrachtete, bei dessen Aufenthalt in München im März 1934. Im Juli 1934 hatte die Standarte 89 eine Stärke von 725 und die Standarte 11 eine von 989 Mann.

Glass und die Standarte 89 sollten eine Schlüsselrolle beim Juliputsch der Nationalsozialisten spielen. Noch vor dem 25. Juli ersetzte der Reichsführer SS Heinrich Himmler den bisherigen Leiter des SS-Oberabschnitts Donau Rodenbücher durch Wilhelm Koppe, machte diese Entscheidung am 24. Juli wieder rückgängig und sorgte so am Vorabend eines Staatstreichversuches für Chaos in der Führungsspitze der putschenden SS. Angehörige der 11. SS-Standarte übernahm die Aufgabe ein Attentat gegen Dollfuß am Michaelerplatz zu verüben und die Verhaftung von Bundespräsident Miklas in Kärnten durchzuführen. Sowohl die Besetzung des Bundeskanzleramts als auch die der RAVAG in der Johannesgasse erfolgte durch Angehörige der Wiener SS-Standarte 89. Auch der Mörder von Bundeskanzler Dollfuß, Otto Planetta, gehörte dieser SS-Einheit an. Nach dem Scheitern des Putsches wurde der österreichische SS-Abschnitt offiziell aufgelöst, bestand jedoch unter dem Namen „SS-Sammelstelle“ in Deutschland weiter fort. Ihre Leitung übernahm der ehemalige Leiter des Oberabschnitts Donau Alfred Rodenbücher. Weitere Angehörige des Führerkorps der SS-Sammelstelle waren Hans Rauter, August Meyszner, Konstantin Kammerhofer, Alfred Reeh und Franz Maxa. Unmittelbar nach dem „Anschluss“ ordnete Heinrich Himmler die Wiederaufstellung des SS-Abschnitts VIII in der Gestalt eines neu geschaffenen“ Oberabschnitt Österreich“ unter der Führung von Ernst Kaltenbrunner an. Gleichzeitig wurde der Oberabschnitt Österreich in vier Abschnitte unterteilt, den Abschnitt VIII (Linz), den Abschnitt XXXI (Wien), den Abschnitt XXXV (Graz) und den Abschnitt XXXVI (Innsbruck) Zum Stichtag 23. März 1938 gehörten der österreichischen SS 11560 Mann an. Der Wiener Abschnitt XXXI gliederte sich wieder in die 11. und die 89. SS-Standarte.

Im Juni 1938 wurde der SS-Oberabschnitt Österreich umbenannt in SS-Oberabschnitt Donau mit Sitz in 1., Parkring 8. Im Jahr darauf erfolgte abermals eine Reorganisation mit der Schaffung eines zweiten Oberabschnitts „Alpenland“ mit Sitz in Salzburg. Zum Chef des Wiener Oberabschnitts wurde Konstantin Kammerhofer ernannt, der ehemalige steirische Heimwehrführer.

Literatur

  • Kurt Bauer: Elementarereignis. Die österreichischen Nationalsozialisten und der Juliputsch 1934, Wien: Czernin 2003.
  • Kurt Bauer: Hitlers zweiter Putsch. Dollfuß, die Nazis und der 25. Juli 1934, St. Pölten, Salzburg, Wien: Residenz 2014.
  • Wolfgang Graf: Österreichische SS-Generäle. Himmlers verlässliche Vasallen, Klagenfurt, Wien: Hermagoras-Verlag 2012.
  • Peter Longerich: Heinrich Himmler. Biographie, München: Siedler 2008.
  • Christiane Rothländer: Die Anfäng der Wiener SS, Wien-Köln-Weimar: Böhlau 2012.
  • Hans Schafranek: Sommerfest mit Preisschießen. Die unbekannte Geschichte des NS-Putsches im Juli 1934. Wien: Czernin 2006.
  • Hans Schafranek: Söldner für den „Anschluss“. Die österreichische Legion 1933-1938. Wien: Czernin 2011.