Der rote Mann (Plakatmotiv)

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Daten zum Eintrag
Datum von 1921
Datum bis 1953
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Letzte Änderung am 2.10.2019 durch WIEN1.lanm09was

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Im Jahr 1912 gestaltete Miháli Biró ein Plakat für die Tageszeitung der ungarischen Sozialdemokratischen Partei "Népszava" ("Volksstimme"). Es zeigt die Titelseite der Zeitung und einen muskelbepackten roten Riesen, der mit dem Hammer zum Schlag gegen die Repression durch die herrschende Reaktion ausholt. Dieser rote Mann als Symbol für die Arbeiterschaft wurde Teil von Birós Standardrepertoire und wurde von anderen Grafikern adaptiert. Während politische Plakate in der Monarchie starken Beschränkungen unterlagen wurden sie in den Wahlkämpfen der Ersten Republik zu einem zentralen Kommunikationsmittel. Vor allem die Sozialdemokratie setzte stark auf diese Werbeform. Für die Nationalratswahl 1920 gestaltete Biró für die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP) eine Serie von sechs Plakaten. Sein Arbeiterriese kommt dabei in mehreren Varianten zum Einsatz: mit dem Hammer, mit einem Besen und gefesselt. Allerdings sind diese Figuren nicht rot, sondern in braun-beigen Farbtönen gemalt.

Beim nächsten Wahlkampf wurde Biró von Victor Theodor Slama als wichtigster Plakatgestalter der Sozialdemokratie abgelöst und er greift das Sujet des Roten Manns auf. Slamas "Roter Mann" ist eine Adaption der Biróschen Figur. Der kämpferische Arbeiter hat sich in einen sanften Riesen verwandelt. Auf dem Plakat von 1923 präsentiert dieser die Leistungen der Stadtverwaltung im Roten Wien: Gemeindebauten, ein Haus der Siedlerbewegung, ein Kinderfreibad, eine Lungenheilstätte und die versprochene Elektrifizierung der Stadtbahn, die ab 1924 durchgeführt wurde. Das großformatige Plakat wurde auf Litfaßsäulen affichiert. Die rechtskonservative Satirezeitschrift persiflierte das Plakat, indem es die Errungenschaften und Versprechen des Roten Wien durch Schnecken ersetzte. Vier Jahre nahm das Plakat "Der rote Mann spricht" Bezug auf seinen Vorgänger von 1923. Mittels einer Bildstatistik wurde auf ihm zwischen den Armen des roten Mannes die Überfüllung der Versprechen von 1923 dargestellt. Dem roten Mann wurde auch dem personifizierten politischen Gegner gegenübergestellt. "Der schwarze Mann" habe Sanierung und Wohlstand versprochen, stattdessen habe er Arbeitslosigkeit, Teuerung und Spekulation gebracht. Die Gegenüberstellung des roten und des schwarzen Mannes blieb kein Einzelfall. Slama verwendete sie auch in einer Plakatserie für die Deutsche Sozialdemokratische Partei der Tschechoslowakei zu den Parlamentswahlen vom 27. Oktober 1929.

1930 hatte sich die ökonomische Lage massiv verschlechtert und die politische Situation zugespitzt. Für die die Nationalratswahlen entwarf Slama zwei Plakate mit dem roten Mann. "70.000 Arbeitslosen wollen sie die Unterstützung rauben" ist auf dem einen zu lesen, auf dem der rote Mann gegen einen mit einer Pistole bewaffneten Hahnenschwanzler kämpft. Auf dem zweiten beseitigt er als Straßenkehrer – wie schon auf einem Biró-Plakat von 1920 – die Ergebnisse einer zehnjährigen christlichsozialen Regierungszeit. Aus sozialdemokratischer Sicht sind das Arbeitslosigkeit, Korruption und Bürgerkriegsgefahr. Ins Negative gedreht brachte in diesem Wahlkampf die Christlichsoziale Partei den "Roten Mann" zum Einsatz. Auf einem Plakat der "Christlichsozialen Partei und Heimwehr", gestaltet von Rudolf Ledl (1886 –1945), steckt er den Justizplast in Brand.

Auch im letzten Gemeinderatswahlkampf der Ersten Republik im Jahr 1932 setzte Slama das Sujet des roten Manns wieder auf einem Wahlplakat der SDAP ein: Unter dem Motto "Ho ruck, nach links!" bewegt ein roter Mann einen Hebel, beobachtet vom politischen Gegner, personifiziert durch einen Mann mit Hahnenschwanzhut, Hitler-Bärtchen und ein NSDAP-Abzeichen.

Nach der Zwangspause in Austrofaschismus und Nationalsozialismus erscheint der rote Mann zu Beginn der Zweiten Republik wieder auf Plakaten. Mit einem Zirkel in Hand und dem Slogan "Unser Kreis wird immer größer" weist er 1948 auf die steigenden Mitgliederzahlen der Sozialistischen Partei hin; 1949 ruft er – mit einer Maurerkelle in der Hand – dazu auf, einen Beitrag für den Wahlfonds der SPÖ zu leisten und damit eine Baustein für ein sozialistisches Österreich beizutragen. Damit geht die Zeit der etwas pathetischen Personifizierung der Arbeiterschaft beziehungswiese der Arbeiterbewegung in Österreich fast zu Ende. Mit der "Plakatzeitung der Solidarität", herausgegeben vom ÖGB findet Slamas "Roter Mann" in den frühen 1950er-Jahren noch eine letzte Bühne, in blauer Arbeitskleidung fordert er zum Kampf gegen die Arbeitslosigkeit auf.

Quellen

  • Kikeriki!: Der letzte Wahlaufruf der Sozi und Österreichs Antwort, 21.10.1923, S. 1

Wienbibliothek im Rathaus, Plakatsammlung

Literatur