Stadtbahn

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Wientallinie: Ausschnitt - Haltestelle Karlsplatz (Otto Wagner)
Daten zur Organisation
Art der Organisation Verkehrswesen
Datum von 9. Mai 1898
Datum bis 1989
Benannt nach
Prominente Personen
PageID 9657
GND
WikidataID
Objektbezug Langes 19. Jahrhundert, Verkehrsgeschichte, Zwischenkriegszeit
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
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Letzte Änderung am 19.09.2023 durch WIEN1.lanm08uns
Bildname WStLA Stadtbahn Wientallinie P1 30803.jpg
Bildunterschrift Wientallinie: Ausschnitt - Haltestelle Karlsplatz (Otto Wagner)

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Die Wiener Stadtbahn war ein um 1900 errichtetes Netz von vier durch die Stadt führenden staatlichen Eisenbahnlinien, das auf Erfordernissen des Eisenbahnverkehrs und der militärischen Strategie beruhte, auf den innerstädtischen Personenverkehr aber nur unzureichend ausgerichtet war. Als die Donaumonarchie 1918 zerfiel und die Annahme, Wien werde auf vier Millionen Einwohner anwachsen, nicht mehr gegeben war, verlor der Staat das Interesse an der Stadtbahn. Sie wurde zum Teil von der Wiener Stadtverwaltung modernisiert und weiter betrieben. Drei der ehemaligen Stadtbahnlinien zählen seit den 1980er-Jahren als U4 und U6 zum Wiener U-Bahn-Netz, die Vorortelinie wird seit 1987 von den Österreichischen Bundesbahnen als S-Bahn-Linie S45 betrieben.

Stationsgebäude Ferdinandsbrücke an der Donaukanallinie der Stadtbahn, 1901
Gleisanlagen und Bahnsteig im Stationsgebäude Ferdinandsbrücke, 1901
Eingang in das Stationsgebäude der Haltestelle Schottenring, 1901
Stadtbahn, 1954
Arbeiten an der Donaukanal-Linie der Stadtbahn (1900)
Stadtbahnstation Schottenring (1901)

Planung und Bau

1850 wurde die noch ummauerte Stadt Wien mit den Vorstädten (nun Bezirke 2 bis 8, ab 1861 bis 9) rechtlich vereinigt. 1852 begannen die ersten Projekte zur Schaffung einer "Wiener Stadteisenbahn", ausgehend von der Wiener Bau-Gesellschaft und vom Wiener Bank-Verein. Zwei Jahrzehnte lang wurde das Thema wenig bearbeitet; erst in den 1870er Jahren wurde der Plan infolge der Eröffnung der Gürtelstraße, die die Bezirke 3 bis 9 außerhalb des Linienwalls einrahmte, zu neuem Leben erweckt.

Nun arbeitete man Vorschläge für eine "Stadtbahn", "Gürteleisenbahn" oder "Metropolitanbahn" aus, zunächst stark beeinflusst von militärischen Stellen, die in einer solchen Bahn eine ideale Verbindung aller Wiener Bahnhöfe untereinander erblickten, was bei Truppenverschiebungen von höchstem Wert sein konnte. Ende der 1870er-Jahre fügten sich in das Gesamtprojekt noch Pläne einer "Tunnelbahn" ein. Besondere Aktualität gewann die Stadtbahnfrage aber erst, als Josef Fogerty, Technischer Direktor der "Wiener Gürteleisenbahn", sehr detaillierte Pläne vorlegte; 1881 nahm das Projekt nach langen Rücksprachen mit dem Stadtbauamt endgültig Gestalt an.

1890/1892 wurden die Vororte Wiens am rechten Donauufer in die Stadt Wien eingemeindet (Bezirke 11 bis 19). Damit lagen alle geplanten Stadtbahnstrecken im Stadtgebiet. 1892 richtete das k. k. Handelsministerium, zu dem die Eisenbahnagenden damals gehörten, die "Commission für Verkehrsanlagen" ein, der neben dem Ministerium Vertreter des k. u. k. Kriegsministeriums sowie des Landes Niederösterreich (Österreich unter der Enns) und der Stadt Wien angehörten. Der Reichsrat, das cisleithanische Parlament, genehmigte mit Gesetz vom 18. Juli 1892 das Bauvorhaben Wiener Stadtbahn und die dem Staat daraus erwachsenden Kosten. Hintergrund des Beschlusses waren nicht nur die ständig gestiegenen Verkehrsbedürfnisse der von Wien ausgehenden Bahnlinien, die durch den Bau verbunden werden sollten, sondern auch die strategischen Erfordernisse des Militärs. Mit der architektonischen Konzeption und Gestaltung beauftragte das Ministerium Otto Wagner, obwohl dieser kein spezieller Eisenbahnarchitekt war. Von Wagner wurde erwartet, dass er für die harmonische Einbindung der Stadtbahn in die moderne Stadtstruktur Sorge tragen würde; seine Stadtbahnarchitektur wird heute sehr geschätzt und steht unter Denkmalschutz. 1896 wurde vom Handelsministerium das neue k. k. Eisenbahnministerium abgespalten, das die Bauherrenfunktion weiterführte.

Der Bau wurde den k. k. Staatsbahnen übertragen; zu diesem Zweck richtete man eine eigene Baudirektion unter Sektionschef Friedrich Bischoff von Klammstein als Direktor ein. Bauleiter waren für die Gürtel-, die Wiental- und die Donaukanallinie die Oberbauräte Millemoth und Ingenieur Arthur Oelwein, für die Vorortelinie Oberbaurat Gatnar. Die Stadtbahn wurde teils als Hoch-, teils als Tiefbahn gebaut.

Es bestand ein umfassender Plan für Haupt- und Lokalbahnen. Zu den Hauptbahnen der Wiener Stadtbahn zählte man die Gürtellinie von der Meidlinger Hauptstraße im Wiental nach Heiligenstadt (Franz-Josefs-Bahn, Donauuferbahn), die (nicht ausgeführte) Donaustadtlinie durch den damals Donaustadt genannten Stadtteil von Praterstern (Nordbahn) und Donaustrom am rechten Donauufer (2. Bezirk) nach Nussdorf (Franz-Josefs-Bahn) sowie die Vorortelinie von Penzing (Westbahn) nach Heiligenstadt.

Zu den Strecken der Wiener Stadtbahn im Rang von Lokalbahnen gehörten die Wientallinie (geplant von Oberbaurat Wilhelm von Doderer, dem Großvater des Schriftstellers Heimito von Doderer) vom Westbahnhof über Gumpendorf zur Elisabethbrücke über den Wienfluss (heute Karlsplatz) und zum Hauptzollamt (heute Landstraße Wien Mitte, an der schon bestehenden Verbindungsbahn zwischen Nord-, Ost- und Südbahn) mit Abzweigung zur Dampftramway an der Schönbrunner Linie nach Mödling, die Donaukanallinie vom Hauptzollamt bis zum Franz-Josefs-Bahnhof (mit einer eventuellen Verlängerung bis Heiligenstadt) sowie eine "innere Ringlinie" von der Elisabethbrücke entlang der "Zweierlinie" zum Schottenring und bis zum Kaiserbad. Dieser Plan wurde nur teilweise realisiert.

1894/1895 wurden die Strecken fixiert. Man entschied sich für eine im Wiental verlaufende Linie von Hütteldorf bis zum Hauptzollamt, wobei man die Obere (von Hütteldorf bis Meidlinger Hauptstraße) und die Untere Wientallinie unterschied, weiters die Donaukanallinie vom Hauptzollamt nach Heiligenstadt, die Gürtellinie von der Meidlinger Hauptstraße nach Heiligenstadt und die Vorortelinie. Der Bau fiel in die Jahre 1895-1901: Zum Teil waren hinsichtlich der Trassenführung taktische Gesichtspunkte der Militärverwaltung maßgebend geblieben: Speziell durch die bestehende Verbindungsbahn und die neue Vorortelinie sollten Truppenverschiebungen zwischen den Bahnstrecken erleichtert werden. Auf die innerstädtischen Personenverkehrsbedürfnisse wurde nicht hinreichend Rücksicht genommen. Der Bau war für Dampfbetrieb konzipiert, obwohl damals in Europa bereits die ersten elektrifizierten Stadtbahnen entstanden. Der Dampfbetrieb erschien als strategisch flexibler, da in Mitteleuropa noch Jahrzehnte lang kein Netz elektrifizierter Bahnstrecken bestand.

Die Bauarbeiten der Gürtellinie und der Vorortelinie wurden 1892-1898, die der Oberen Wientallinie 1895-1898, die der Unteren Wientallinie 1896-1899 und die der Donaukanallinie 1898-1901 durchgeführt. Die Brücken der Gürtellinie wurden 1895-1898 gebaut, jene der Wientallinie 1896-1899 und jene der Donaukanallinie 1900/1901. Die feierliche Eröffnung der Wiener Stadtbahn fand am 9. Mai 1898 unter Teilnahme von Kaiser (Franz Joseph I. statt. Am 1. Juni 1898 wurden die Obere Wiental- und die Gürtellinie in Betrieb genommen, im selben Monat auch die Vorortelinie. Am 30. Juni 1899 wurden die Untere Wientallinie mit der provisorischen Endstation am Praterstern, über die Verbindungsbahn mit Zügen befahren. Am 6. August 1901 folgte die Eröffnung der Donaukanallinie und deren Verbindung zur Nussdorfer Straße an der Gürtellinie. Eine zur Diskussion stehende Abzweigung von der Wientallinie (Meidling Hauptstraße) über den Gürtel zum Südbahnhof wurde nicht realisiert; auf dem Margaretengürtel und dem Gaudenzdorfer Gürtel besteht bis heute ein überbreiter Mittelstreifen, auf dem das Viadukt dieser Abzweigung errichtet worden wäre. Das Fehlen dieser Verbindung, das man kurz nach dem Ersten Weltkrieg durch die Einführung der Linie 18G (Südbahnhof - Heiligenstadt), Auffahrt auf die Stadtbahntrasse in der Nähe der Stadtbahnstation Gumpendorfer Straße, auszugleichen versuchte, wurde erst ab 1962 durch die Schnellbahn und 1990 durch die U-Bahnstation Philadelphiabrücke der U6 behoben.

Otto Wagner nahm sich speziell der Stationsgebäude an: die Stationen Alser Straße, Währinger Straße und Nussdorfer Straße sind etwa typisch für die meist als Hochbahn geführte Gürtellinie. Zwei historische Stationsgebäude auf dem Karlsplatz bildeten Abgänge zu der dort in Tieflage geführten Stadtbahn.

Den Betrieb der Wiener Stadtbahn besorgten die k. k. Staatsbahnen. Bis zum Ersten Weltkrieg wurden die meisten von Wien ausgehenden Hauptbahnen, die sich noch in Privatbesitz befunden hatten, verstaatlicht.

Elektrifizierung

Nach dem Ersten Weltkrieg blockierten Kohlenmangel und andere Schwierigkeiten den Verkehr. Während die Bundesbahnverwaltung Teile der Anlagen benützte, liefen Verhandlungen zwecks Übernahme der Stadtbahn in die städtische Verwaltung. 1923 ergriff die Gemeinde die Initiative und trat an die "Kommission für Verkehrsanlagen in Wien" mit dem Plan heran, die Stadtbahn zu übernehmen und zu elektrifizieren, um einen schnellbahnähnlichen Betrieb einrichten zu können. Am 13. März 1924 wurde zwischen den Österreichischen Bundesbahnen und der Gemeinde Wien ein Pacht- und Betriebsführungsvertrag abgeschlossen. Der Betrieb wurde in Etappen aufgenommen (am 3. Juni 1925 zunächst zwischen Alser Straße und Hütteldorf, am 20. Oktober 1925 auf der gesamten Wiental-, Donaukanal- und Gürtellinie); gleichzeitig wurde ein Tarifverbund geschaffen (eine einzige Linie [18G] verkehrte sowohl auf der Gürtelstrecke der Stadtbahn [Auf- und Ausfahrt bei der Station Gumpendorfer Straße] wie auch auf den Gleisen der Straßenbahnlinie 18 [bis Südbahnhof], womit in gewisser Hinsicht die nicht realisierte Zweiglinie zustande kam). Die Stadtbahnwagen waren zum Unterschied von jenen der Straßenbahn zur Gänze rot lackiert; 26 Wagen fanden im Straßenbahnbetrieb auf der Linie 60 Verwendung (bis 14. Juni 1968), 1943-1945 zehn von ihnen auf der Linie 57. Am Ende des Zweiten Weltkriegs kam es am 1. April 1945 zur Betriebseinstellung, doch konnte der Verkehr bereits am 27. Mai 1945 (Strecke Hietzing-Hauptzollamt) beziehungsweise am 18. September 1945 (Strecke nach Heiligenstadt) wiederaufgenommen werden. Am 29. November 1980 wurde auf der Gürtellinie der Betrieb mit den Zweirichtungsgarnituren "E6" aufgenommen, am 27. August 1980 die neue Station Thaliastraße eröffnet.

Stadtbahnwagen

Die Vorgänger der E6 waren die 1925-1927 gebauten Stadtbahntriebwagen der Type N, die bis 1962 im Einsatz waren. Die Type N wurde ab 1954 schrittweise von der Type N1 (Baujahre 1954-1962) abgelöst. Mit der Umstellung der Stadtbahn auf U-Bahn-Betrieb wurden die Wagen der Type N ab 1978 schrittweise ausgemustert. Die letzten Wagen dieses Typs wurden Ende 1983 außer Dienst gestellt.

Stadtbahnlinien

Die wichtigsten Linien der elektrischen Stadtbahn waren G (von Hütteldorf über Wiental und Gürtel nach Heiligenstadt), WD (von Hütteldorf über Wiental und Donaukanal nach Heiligenstadt), DG (von Hietzing über Wiental und Donaukanal zur Friedensbrücke, von dort über den Gürtel zurück nach Meidling) und GD (von Meidling über den Gürtel zur Friedensbrücke und von dort über Donaukanal und Wiental nach Hietzing). Diese Stadtbahnlinien waren von 1925 bis 1976/1978 mit Modifikationen durchgehend im Einsatz, die Linie G sogar noch bis 1989, als sie zur U-Bahnlinie U6 wurde.

Umbau

Quellen

Literatur

  • Friedrich Achleitner: Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert. Ein Führer. Band 3/1: Wien. 1.-12. Bezirk. Salzburg: Residenz-Verlag 1990, S. 145, 182, 199, 217, 231 f., 250 ff.
  • Sándor Békési, Johannes Hradecky: Das Otto-Wagner-Jahr und die Wiener Stadtbahn. Verkehrshistorische Anmerkungen zum Doppeljubiläum, in: Wiener Geschichtsblätter, 73 (2018) 4, S. 273–299
  • Carla Camilleri u.a.: Schienenwege in die Moderne: die Wiener Stadtbahn und Otto Wagners Architektur (Edition TMW ; 11 ). Wien: Technisches Museum Wien, 2019
  • Roman Hans Gröger: Die unvollendeten Stadtbahnen: Wiener Schnellverkehrsprojekte aus den Akten des Österreichischen Staatsarchivs. Innsbruck-Wien [u.a.] : StudienVerlag 2010
  • Das neue Wien. Städtewerk. Hg. unter offizieller Mitwirkung der Gemeinde Wien. Wien: Elbemühl 1926-1928, S. 4, 98 ff.
  • Alfred Fogarassy [Hg.]: Otto Wagner: Die Wiener Stadtbahn. Berlin: Hatje Cantz 2017
  • Josef Fogerty: Wiener Gürtel-Eisenbahn mit Verbindungs-Linien. Vor-Projekt. Wien 1881
  • Alfred Horn: Wiener Stadtbahn. 90 Jahre Stadtbahn, 10 Jahre U-Bahn. Wien 1988
  • Katalog zur Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien. Band 8. Wien 1961, S. 76 ff.
  • Paul Kortz: Wien am Anfang des 20. Jahrhunderts. Ein Führer in technischer und künstlerischer Richtung. Hg. vom Oesterreichischen Ingenieur und Architekten-Verein. Wien: Gerlach & Wiedling 1905. Band 1, 1905, S. 110 ff.
  • Kurze Beschreibung der Wiener Stadtbahn aus Anlaß der am 9. 5. 1898 stattfindenden Eröffnung der Vororte-Gürtel-Wientallinie. Wien 1898
  • Harald Marincig: Auf Schienen durch Wien. Die Geschichte der städtischen Verkehrsmittel Straßenbahn, Stadtbahn und U-Bahn. Wien 1995
  • Andreas Nierhaus / Manfred Wehdorn [Hg.]: Der Pavillon des k. u. k. Allerhöchsten Hofes - eine Stadtbahnstation für den Kaiser [Wien-Museum, Otto-Wagner-Hofpavillon Hietzing]. Wien: Metroverlag 2014
  • Projekt für die Anlage einer Stadtbahn in Wien. Verfasst vom Stadtbauamt. Wien 1883
  • Erich Schlöss: Die Wiener Stadtbahn: Wiental- und Donaukanallinie. Hg. von der Magistratsabteilung 18, Stadtentwicklung und Stadtplanung. Wien 1987
  • Erich Schlöss: Die nicht gebaute Linie der Wiener Stadtbahn am Gaudenzdorfer- und Margaretengürtel. In: Wiener Geschichtsblätter 44 (1989), S. 30 ff.
  • Dietmar Steiner: Architektur in Wien. 300 sehenswerte Bauten. Wien: Magistrat 1984, S. 97
  • Technischer Führer durch Wien. Hg. vom Österreichischen Ingenieur- und Architekten-Verein. Red. von Martin Paul. Wien: Gerlach & Wiedling 1910, S. 83 ff.
  • Renate Wagner-Rieger [Hg.]: Die Ringstraße. Bild einer Epoche. Die Erweiterung der Inneren Stadt Wien unter Kaiser Franz Joseph. 11 Bände. Wiesbaden: Steiner 1969-1981, S. 11, 330 ff.
  • Wiener Schriften. Band 11. Hg. vom Amt für Kultur, Schulverwaltung der Stadt Wien. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1959, S. 92 ff.