Auslandsvertretung der österreichischen Sozialisten (AVOES)

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Daten zur Organisation
Art der Organisation Politische Partei
Datum von 1938
Datum bis 1942
Benannt nach
Prominente Personen
PageID 47922
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Auslandsvertretung der österreichischen Sozialisten (AVOES), einzige von der Zweiten Internationale anerkannte Interessensvertretung der österreichischen Sozialdemokratie im Ausland nach der Okkupation Österreichs durch das Deutsche Reich 1938.

Vorläufer der AVOES

Nach der Niederlage der Sozialdemokratie im österreichischen Bürgerkrieg 1934 (Februarkämpfe) flüchteten Otto Bauer und andere Führungspersönlichkeiten der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) ins benachbarte Ausland. Im tschechischen Brünn entstand in der Folge das Auslandsbüro der österreichischen Sozialdemokraten (ALÖS), das von 1934 bis 1938 als Sitz der Leitung der emigrierten Sozialdemokraten und Auslandsstützpunkt der illegalen Sozialdemokraten in Österreich fungierte. Geleitet wurde das ALÖS von Otto Bauer und Julius Deutsch. In Brünn wurde auch die illegal in Österreich vertriebene „Arbeiterzeitung“ (nunmehr als Wochenzeitung) herausgegeben; nach Problemen mit der tschechischen Innenpolitik wurde ab 1937 Paris als Erscheinungsort angegeben.

Gründung der AVOES

Im Gefolge der Okkupation Österreichs durch das Deutsche Reich 1938 traf Otto Bauer Ende März 1938 in Brüssel mit Friedrich Adler und Joseph Buttinger, dem aus Österreich geflüchteten Vorsitzenden der Revolutionären Sozialisten (RS), zusammen. Man einigte sich auf die Auflösung des ALÖS sowie des Parteipräsidiums der RS; als neues gemeinsames Gremium wurde die Auslandsvertretung der österreichischen Sozialisten (AVOES) geschaffen. Dessen konstituierende Sitzung fand vom 1. bis 2. April 1938 unter Vorsitz von Buttinger statt, weitere Teilnehmer waren neben Bauer und Adler noch Otto Leichter, Oscar Pollak, Josef Podlipnig, Karl Hans Sailer und Manfred Ackermann. In dieser Sitzung wurden die Statuten und Ziele der Exilarbeit der Organisation festgelegt und einstimmig beschlossen. Die Grundzüge der Exilarbeit wurden als Brüssler Deklaration (auch Brüssler Manifest oder Brüssler Beschluss genannt) publiziert.

Die AVOES verstand sich als reine Kaderorganisation, der nur Personen angehören konnten, die vor 1938 bei den RS bzw. der SDAP als Funktionäre tätig waren. Aus diesem Grund gehörten der AVOES nie mehr als 15 Mitglieder an. Ihren Sitz hatte sie zunächst in Brüssel (1938), dann in Paris (1939/40), kurze Zeit in Montauban (Südfrankreich) und dann in New York. Die AVOES war die von der Zweiten Internationale offiziell anerkannte politische Vertretung der österreichischen Sozialdemokratie. Daneben beruhte ihre Autorität auch auf personellen Faktoren (Mitgliedschaft von Otto Bauer und Friedrich Adler).

Politische Ziele der AVOES

Bestimmend für die politischen Leitlinien der AVOES blieb bis zu ihrer Auflösung (bzw. bis Kriegsende) die Brüssler Deklaration. Sie war auch mitverantwortlich für die Tatsache, dass es während des Zweiten Weltkriegs zu keiner Bildung einer repräsentativen österreichischen Auslandsvertretung kam. In der Brüssler Deklaration gab die AVOES die Direktive der Förderung einer gesamtdeutschen Revolution nach Beendigung des Hitler-Regimes aus. Demnach stand abseits von allgemeinen Aufrufen zum Widerstand nicht der Kampf gegen Hitler im Vordergrund, sondern die Konzeption der politischen Ordnung nach Hitler. Als Hauptaufgabe der AVOES wurde angesehen, der revolutionären Bewegung in Österreich politischen Handlungsspielraum und außenpolitisch günstige Rahmenbedingungen zu schaffen. Aus diesem Grund sollte auch die Bildung einer österreichischen Exilregierung verhindert werden. Zudem wurde aus der Erwägung, Abhängigkeiten zu vermeiden, von der Kooperation mit den jeweiligen Exilländern abgesehen.

Auflösung der AVOES

Mit Ausbruch des Zweiten Weltkriegs stieß die politische Konzeption der Brüssler Deklaration zunehmend auf Widerspruch unter den sozialdemokratischen Emigranten. Auch in der AVOES wurden Stimmen in Richtung verstärkter Kooperation mit den Exilländern laut, prominent vertreten u.a. von Julius Deutsch. Entsprechende Initiativen wurden jedoch von Adler mit Hilfe von Bauer und Buttinger abgeblockt. Gleichzeitig verschob sich kriegsbedingt das Zentrum der AVOES von Paris nach New York und London. Dort verschärften sich die Gegensätze, da sich die AVOES weigerte, an einer Arbeitsgemeinschaft von 11 österreichischen Exil-Organisationen (Free Austrian Movement) zu partizipieren.

Unter dem Eindruck der Kriegsereignisse, der permanenten Auseinandersetzungen mit der Mehrheit der AVOES-Mitglieder und der Abhängigkeit von der Unterstützung durch Friedrich Adler planten Buttinger und Podlipnig bereits Mitte 1940 die AVOES zu verlassen. Podlipnig setzte diesen Schritt mit Eintreffen in den USA. Buttinger, Josef Hubeny und der „kleine Otto Bauer“ folgten ihm im Dezember 1941. Vor diesem Hintergrund wollte Friedrich Adler die Auslandsvertretung auflösen. Dies erfuhr nach der Kriegserklärung von Hitler-Deutschland an die USA eine Modifikation: Die AVOES wurde zwar plangemäß aufgelöst (1942), gleichzeitig aber mit dem Austrian Labor Committee (ALC) eine neue Interessenvertretung gegründet, um eine institutionelle Vertretung österreichischer Sozialdemokraten in den USA zu gewährleisten. Obwohl nicht offiziell als Nachfolgeorganisation der AVOES proklamiert, stand das ALC auf dem Boden der Brüssler Deklaration. Dadurch gelang es dem ALC, Versuche zur Schaffung einer repräsentativen österreichischen Auslandsvertretung in den USA erfolgreich zu unterminieren. Auch die Aufstellung eines österreichischen Kampfbataillons in den Reihen der US-Army wurde verhindert.

Wissenschaftliche Rezeption

Die Politik der AVOES ist Gegenstand umfangreicher wissenschaftlicher Abhandlungen und Kontroversen. Kritik fand etwa die einseitige Konzentration auf die Schaffung eines revolutionären Klimas, in dem nach Hitler eine autonome gesamtdeutsche Revolution erfolgen sollte. Als indirekte Folge der Weigerung der AVOES, dem Plan zur Schaffung einer repräsentativen österreichischen Exilregierung zuzustimmen, wird die politische Situation in Österreich nach Befreiung des Landes von den Nationalsozialisten angesehen: Das dadurch entstandene politische Vakuum ermöglichte in einem komplexen Prozess das Entstehen von Konzentrationsregierungen (Regierungen Renner und Figl), die die Basis für den „Sonderfall“ Österreich in der europäischen Nachkriegsordnung legten.

Literatur

  • Joseph Buttinger: Am Beispiel Österreichs. Ein geschichtlicher Beitrag zur Krise der sozialistischen Bewegung. Köln: Verlag für Politik und Wirtschaft 1953
  • Hans Christian Egger: Die Politik der Auslandsorganisationen der österreichischen Sozialdemokratie in den Jahren 1938 bis 1946. Denkstrukturen, Strategien, Auswirkungen. Wien: Univ. Diss 2004
  • Helene Maimann: Politik im Wartesaal. Österreichische Exilpolitik in Großbritannien 1938–1945 (= Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs 62). Wien [u.a.]: Böhlau Verlag 1975 [zugleich: Wien: Univ., Diss. 1975]
  • Dora Müller: Drehscheibe Brünn: Deutsche und österreichische Emigranten 1933–1939. Brno: Deutscher Kulturverband, Region Brünn 1997
  • RS-Korrespondenzen des Jahres 1938 [Offizielles Organ der AVOES]
  • Der sozialistische Kampf [Offizielles Organ der AVOES]
  • Manfred Marschalek [Hg.]: Untergrund und Exil. Österreichs Sozialisten zwischen 1934 und 1945 (= Sozialistische Bibliothek Abteilung 1: Die Geschichte der österreichischen Sozialdemokratie 3). Wien: Löcker 1990
  • Ernst Emil Schwager: Die österreichische Emigration in Frankreich 1938–1945 (= Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs 74). Wien [u.a.]: Böhlau Verlag 1984

Weblinks