Sigismund von Radecki

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Daten zur Person
Personenname Radecki, Sigismund
Abweichende Namensform
Titel Dipl.-Ing.
Geschlecht männlich
PageID 369005
GND 118597620
Wikidata Q2284831
Geburtsdatum 19. November 1891
Geburtsort Riga 4050042-1
Sterbedatum 13. März 1970
Sterbeort Gladbeck 4021116-2
Beruf Schriftsteller, Übersetzer
Parteizugehörigkeit
Ereignis
Nachlass/Vorlass
Objektbezug Karl Kraus (Portal)
Quelle
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Recherche
Letzte Änderung am 5.04.2024 durch WIEN1.lanm09ua1
Begräbnisdatum
Friedhof
Grabstelle

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Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft

Sigismund von Radecki, * 19. November 1891 Riga, † 13. März 1970 Gladbeck, Schriftsteller, Übersetzer.

Biografie

Frühe Jahre

Radecki wurde 1891 in Riga (Lettland) geboren. Als Kind besuchte er deutsche Schulen in St. Petersburg und studierte anschließend an der Physikalisch-mathematischen Fakultät der Universität Dorpat. 1910 ging er gemeinsam mit seinem Bruder Wilhelm nach Freiberg in Sachsen, wo er 1913 die Bergakademie mit einer Prüfung zum Diplom-Ingenieur absolvierte. Nach seinen Studien unternahm er Studienreisen nach Schweden, Frankreich und Italien und war vor Kriegsausbruch als Bewässerungs-Ingenieur in Ferghana (Turkestan) tätig. Im Ersten Weltkrieg bewarb er sich als Freiwilliger zuerst auf russischer Seite, 1918 auch auf deutscher Seite und wurde beide mal nicht rekrutiert. Schließlich war er als Hauslehrer in Russland und Finnland tätig. 1919 kämpfte er in der Baltischen Landeswehr gegen russische Revolutionäre, floh aber mit seinem Vater nach Berlin, wo er von 1920 bis 1923 als Elektroingenieur in den Siemens-Schuckert-Werken tätig war. Zu dieser Zeit lernte er Else Lasker-Schüler kennen, mit der ihn eine langjährige Freundschaft verband.

Freundschaft zu Karl Kraus

Else Lasker-Schüler war es auch, die ihn im Sommer 1920 mit Mechtilde Lichnowsky und Karl Kraus, der in Berlin auf Vortragsreise war, bekannt machte. Bereits 1913 hatte Radecki einen Vorlesungsabend von Kraus besucht und war ab da auch begeisterter Leser der Fackel gewesen. Die Begegnung mit Kraus wurde für sein Leben richtungsweisend.

Bereits 1922 erschien seine erste Übersetzung des Puschkin-Werks "Dramatische Szenen", ab 1924 arbeitete er als freier Schriftsteller und übersetzte vor allem russische Literatur wie Tschechow und Gogol, später auch Ronald A. Knox. Zudem bestritt er seinen Lebensunterhalt kurzzeitig als Schauspieler am Berliner "Theater am Schiffbauerdamm" und an der "Volksbühne".

Ab 17. Dezember 1924 war er in Wien gemeldet, wo er zwei Jahre lang als angehender Schriftsteller und Übersetzer mit Kraus in intensivem Kontakt stand und fast jeden Abend mit Karl Kraus unterwegs war. Das bestätigte auch Gina Kaus, die ihn gemeinsam mit Kraus und Ludwig Münz häufig in Kaffeehäusern antraf. 1925 setzte sich Radecki gemeinsam mit dem Wiener Arzt Victor Hammerschlag und Helene Kann dafür ein, das Kraus für den Literaturnobelpreis vorgeschlagen wurde. Unterstützt wurde der Antrag von Walter Otto, dem Ehemann von Kete Parsenow, der zwar die Begründung Radeckis nicht unterschreiben wollte, allerdings andere mögliche Unterstützer des Antrags vorschlug. Gemeinsam wandten sie sich an den Pariser Germanisten Charles Schweitzer, nachdem Hammerschlags Versuche, an der Universität Wien Unterstützer zu finden, gescheitert waren. Dies lag überwiegend an der fehlenden Berechtigung, zumal nur Professoren für die Fächer Sprache und Literatur Vorschläge an das Nobel-Comitee erteilen durften. Letztendlich wurde der Brief von neun Professoren der Pariser Universität unterschrieben, der Antrag scheiterte aber am Gutachter Per Hallström, der das Werk Kraus ablehnte. Im Jahr 1928, 1929 und 1930 zum letzten Mal, versuchten sie es erneut, allerdings mit immer weniger Unterschriften und scheiterten jedes Mal an Per Hallström, der Kraus' Werk als Journalismus und nicht als Literatur bewertete.

Ende der 1920er Jahre nahm Radecki statt Kraus sogar an der entscheidenden Gerichtsverhandlung gegen Alfred Kerr teil. Die Berichte Radeckis sind in den Prozessakten abgedruckt. Nach seinem Tod bedachte Kraus in seinem Testament Radecki mit einem Teil seiner Bibliothek. 1926 kehrte Radecki nach Berlin zurück und arbeitete als Schriftsteller und Journalist. 1929 erschien sein erstes eigenes Buch "Der eiserne Schraubendampfer Hurricane", eine Sammlung von Skizzen und kleinen Geschichten, die von Karl Kraus beeinflusst waren.

Zweiter Weltkrieg und Nachkriegszeit

Regelmäßig erschienen seine Text in der Furche und im Neuen Wiener Tagblatt. Anfang der 1930er Jahre konvertierte Radecki zum Christentum. 1940 zog er nach München, wo er Bekanntschaft mit Theodor Haecker und Hans Scholl machte. 1942 zog er nach Usedom, wo er bis zu seiner Flucht im März 1945 als Forstaufseher auf Schloss Mellenthin arbeitete. 1946 zog er nach einer Einladung seines Verlegers Peter Schifferli nach Zürich. In den 1950er Jahren hatte er auch regelmäßig Radioauftritte. 1970 begab er sich zur Krankenbehandlung nach Gladbeck/Westfalen, wo er verstarb.

Quellen

Literatur

  • Katharina Prager / Simon Ganahl (Hg.): Karl Kraus-Handbuch. Leben–Werk–Wirkung. Berlin: Springer Verlag 2022
  • Jens Malte Fischer: Karl Kraus. Der Widersprecher. Wien: Paul Zsolnay Verlag, 2020
  • Friedrich Pfäfflin (Hg.): "Du bist dunkel vor Gold". Kete Parsenow und Karl Kraus. Briefe und Dokumente. Göttingen: Wallstein Verlag, 2011
  • Gina Kaus: Und was für ein Leben … mit Liebe und Literatur, Theater und Film. Hamburg: Albrecht Knaus, 1979


Sigismund von Radecki im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.

Weblinks