Gemeindestatut

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Ausschnitt aus dem Bericht von Robert Danneberg zur Reform des Gemeindestatuts im Gemeinderat, April 1920
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Datum bis
Objektbezug Wien wird Bundesland, Stadtverfassung, Rathaus, Langes 19. Jahrhundert, Zwischenkriegszeit
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
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Letzte Änderung am 19.04.2024 durch WIEN1.lanm08uns
Bildname Bericht Gemeindestatut1920.jpg
Bildunterschrift Ausschnitt aus dem Bericht von Robert Danneberg zur Reform des Gemeindestatuts im Gemeinderat, April 1920

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Als Besonderheit des österreichischen Kommunalrechts in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatten Landeshauptstädte einen Anspruch auf eine eigene, speziell für sie erlassene "Verfassung" (§ 6 des Provisorischen Gemeindegesetzes von 1849), im Reichsgemeindegesetz 1862 "Statut" genannt. Der Erlass solcher Statute fiel in die Kompetenz der Landtage. Auf der Grundlage des Provisorischen Gemeindegesetzes erhielt die Stadt Wien 1850 eine Provisorische Gemeindeordnung, deren Umsetzung durch den Neoabsolutismus allerdings zunächst bis 1860/1861 verhindert war.

Das Gemeindestatut von 1890

Das Statut von 1890 wurde vom damals noch liberal dominierten Gemeinderat am 19. Dezember 1890 angenommen und nach kaiserlicher Zustimmung als niederösterreichisches Landesgesetz (Landesgesetzblatt für Niederösterreich 45/1890) kundgemacht. Es war eng mit der Frage der Stadterweiterung (Eingemeindung der Vororte) verknüpft und sah die Schaffung von neuen Institutionen vor. Zu Bürgermeister und Magistrat trat der Stadtrat als zweites beschließendes Organ neben dem Gemeinderat. Laut Statut von 1890 bestand der Stadtrat neben dem Bürgermeister und den Vizebürgermeistern aus 22 Mitgliedern, die vom Gemeinderat gewählt wurden. Durch die enorme Vergrößerung des Stadtgebietes 1890 war eine Dezentralisierung der kommunalen Verwaltungsstrukturen unumgänglich geworden. Daher wurden Bezirksausschüsse als die beschließenden Organe in den Bezirken sowie dezentralisierte Außenstellen des Magistrates in allen Bezirken, die Magistratischen Bezirksämter, eingerichtet. Dieses Gemeindestatut blieb in seiner Struktur und in seinen wichtigsten Inhalten bis zum Ende der Monarchie gültig, wenn auch in der christlichsozialen Ära verschiedene Änderungen (insbesondere 1900) vorgenommen wurden.

Nach der Übernahme der Kommunalverwaltung durch die christlichsoziale Bewegung (Mehrheit aufgrund der Gemeinderatswahl im Herbst 1895) wurde unter Bürgermeister Karl Lueger eine Reform des Gemeindestatuts von 1890 in Angriff genommen und am 24. März 1900 vom Kaiser sanktioniert (Landesgesetzblatt für Niederösterreich, Nummer 17/1900). Die christlichsozialen Reformbestrebungen wurden nicht nur von den Sozialdemokraten, die im Gemeinderat noch nicht vertreten waren, sondern auch von den in Opposition zur christlichsozialen Fraktion stehenden Gruppierungen im Gemeinderat abgelehnt, wobei die Debatte um die gleichzeitig erlassene Gemeindewahlordnung eine viel größere Rolle spielte als das Gemeindestatut selbst. Kleinere Änderungen folgten 1904, 1905, 1910, 1915 und 1917.

Das Gemeindestatut von 1920

Nach der Ausrufung der Republik kam es zu einer Demokratisierung des Wahlrechts. Bereits im März 1919 (Landesgesetzblatt für Niederösterreich 37-38/1919) wurde eine neue Gemeindewahlordnung für Wien beschlossen. Das Wahlrecht stand nun prinzipiell allen Staatsbürgerinnen und -bürgern, die das 20. Lebensjahr vor dem 1. Jänner des Wahljahres vollendet und ihren Wohnsitz in Wien hatten, zu. Für die Wählbarkeit war die Vollendung des 29. Lebensjahres erforderlich.

Noch im Herbst 1919 initiierte Bürgermeister Jakob Reumann als "Schritt weiter auf dem Wege der Demokratie" eine umfassende Reform der Gemeindeverwaltung, die in einem Gemeinderatsausschuss unter der Federführung von Robert Danneberg und unter Beiziehung von Rechtsexperten wie Carl Brockhausen und Josef Redlich bis April 1920 ausgearbeitet wurde. Die Eckpunkte der Vorlage entsprechen den bis heute gültigen Grundzügen des politischen Systems Wiens auf Gemeindeebene, nicht zuletzt die neu geschaffenen Institutionen der amtsführenden Stadträte, des Stadtsenats, der an die Stelle des alten Stadtrats trat, die Gemeinderatsausschüsse und das Kontrollamt der Stadt Wien. Die Befugnisse des Bürgermeisters wurden wie geplant eingeschränkt und gingen zum Teil auf die amtsführenden Stadträte über. Auch die städtischen Unternehmungen wurden erstmals in der Kommunalverfassung verankert.

Die zweitägige Debatte endete mit der Annahme des Gemeindestatuts am 16. April 1920. Nach Zustimmung des niederösterreichischen Landtags am 29. April trat die umfassende Reform (Landesgesetzblatt für Niederösterreich 307/1920) am 1. Juni 1920 in Kraft.

Literatur

  • Maren Seliger / Karl Ucakar: Wien. Politische Geschichte 1740 - 1895. Wien: Jugend & Volk 1985 (Geschichte der Stadt Wien, 1) , S. 413 ff.
  • Maren Seliger / Karl Ucakar: Wien. Politische Geschichte 1896 - 1934. Wien: Jugend & Volk 1985 (Geschichte der Stadt Wien, 2), S. 753 ff., S. 1039
  • Bernard Hachleitner/Christian Mertens [Hg.]: Wien wird Bundesland. Die Wiener Stadtverfassung und die Trennung von Niederösterreich. Salzburg/Wien: Residenz 2020, S. 11 ff. (Simon), S. 59 ff. (Mertens)