Sibylla Blei: Unterschied zwischen den Versionen

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Sibylla Blei, * 22. März 1897 Zürich, † 14. März 1962 Costa da Caparica, Portugal. Schauspielerin.
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Sibylla Blei, * 22. März 1897 Zürich, † 14. März 1962 Costa da Caparica, Portugal. Schauspielerin, Unternehmerin.
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==Biografie==
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Sibylla (Billy) Blei war die Tochter des Schriftstellers [[Franz Blei]] und seiner Frau [[Maria Blei|Maria Franziska]] (geb. Lehmann), einer Zahnärztin. Sie kam in Zürich zur Welt, wo sich die Eltern während ihrer Universitätsstudien kennen gelernt hatten. Von Herbst 1898 bis Sommer 1900 lebte die dreiköpfige Familie in den USA, besonders in Philadelphia, danach in München, wo Sibylla Blei ihre ersten Schuljahre verbrachte. Dort wurde auch ihr Bruder Peter Maria Blei (1905–1959) geboren. Von 1908 bis 1912 besuchte Sibylla Blei die reformpädagogische Freie Schulgemeinde Wickersdorf, deren Lehrer und späterer Direktor Martin Luserke (1880–1968) großen Wert auf darstellende Kunstformen legte und Bleis schauspielerisches Talent förderte. Während des Ersten Weltkriegs kam ihre Schauspielkarriere in Gang, sie gehörte Ensembles von [[Max Reinhardt]] in Berlin und Wien an, war 1918 mit einem Fronttheater unterwegs und spielte in einigen Propagandafilmen des Kriegspressequartiers mit. Ab 1917 war Wien Sibylla Bleis Lebensmittelpunkt. Sie lernte den wohlhabenden jüdischen Bankier [[Ernst von Lieben]] (1875–1970) kennen und heiratete ihn 1926. Die Ehe wurde zwar bereits 1929 geschieden, zwischen den beiden blieb aber ein freundschaftliches Verhältnis bestehen, was für Blei eine monatliche „Apanage“ bis ins Kriegsjahr 1941 mit sich brachte. Bleis Schauspiel- und Modelkarriere versandete aus unbekannten Gründen im Lauf der 1920er-Jahren.
  
==Biographie==
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Blei bewegte sich in Wiener Künstlerkreisen, war mit [[Hermann Broch]], [[Ea von Allesch]] und [[Robert Musil]] befreundet und pflegte freundschaftlichen Kontakt zu den Malern [[Karl Fränkel]], [[Alfred Gerstenbrand]], [[Stefan Hlawa]] und Maler [[Stephan Mautner]] (1877–1944), die sie in ihrem Haus “[[An der Oberen Alten Donau|An der Oberen Alten Donau 192]]” empfing.
  
Sibylla (Billy) Blei war die Tochter des Schriftstellers [[Franz Blei]] und seiner Frau [[Maria Blei|Maria Franziska]] (geb. Lehmann), einer Zahnärztin. 1918 trat sie im Fronttheater an der italienischen Front auf und wirkte in Propagandafilmen des Kriegspressequartiers mit. Ihre Ehe mit Baron Ernst von Lieben, einem reichen jüdischen Bankier, wurde nach nur drei Jahren 1929 wieder geschieden.  
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Mitte 1932 ging Blei gemeinsam mit ihrem Vater ins freiwillige Exil nach Mallorca, das vorerst weit weg von politischen Unruhen und nationalsozialistischen Drohgebärden lag. 1936 kehrte sie, durch den Spanischen Bürgerkrieg veranlasst, nach Wien zurück, um die Stadt schließlich im Oktober 1937 endgültig zu verlassen. Sie folgte ihrer Lebensgefährtin Sarita Halpern, die sich unterdessen in Costa da Caparica, einem Badeort südlich von Lissabon, niedergelassen hatte. Blei nannte diesen Küstenabschnitt 1941 in einem Brief an Hermann Broch den „Ausgangskanal aller europäischen Emigration”. Blei und Halpern blieben dort und betrieben ein Geschäft für Kosmetikartikel unter der Marke „Sibylla Lieben“. Sibylla Blei starb in Costa da Caparica am 14. März 1962.
  
Ursprünglich wollten Billy Blei und ihr Vater nach Kanada auswandern, gingen jedoch 1932 nach Mallorca ins freiwillige Exil. Dort schlug sich Billy – zunächst noch durch ihre mangelnden Sprachkenntnisse eingeschränkt – als Fotomodell durch und betrieb 1934 mit ihrer Lebenspartnerin Sarita Halpern eine Hühnerfarm. 1937/1938 ließen sich die beiden in der Nähe von Lissabon nieder, wo sich Billy Blei mit Keramikarbeiten beschäftigte und für den Vertrieb der Produkte aus Sarita Halperns Kosmetiklabor unter dem Markennamen "Sibylla Lieben" zuständig war.
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==Quellen==
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* [https://search.wienbibliothek.at/primo-explore/fulldisplay?docid=WBR_alma2191921820004516&context=L&vid=WBR&lang=de_DE&search_scope=default_scope&adaptor=Local%20Search%20Engine&tab=default_tab&query=any,contains,sammlung%20blei&offset=0 Sammlung Maria Blei - Sibylla Blei, Wienbibliothek im Rathaus, Handschriftensammlung, ZPH 1490]
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*[https://www.wien.gv.at/actaproweb2/benutzung/archive.xhtml?id=Akt+++++83f58b6b-9263-475f-aaef-ab0e5091dc75VERA#Akt_____83f58b6b-9263-475f-aaef-ab0e5091dc75VERA Wiener Stadt- und Landesarchiv, BPD Wien: Historische Meldeunterlagen, K11: BLEY, Sybilla]
  
 
==Literatur==
 
==Literatur==
 
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* Maria Blei: Tagebuch für Tochter Billy. „Deine Liebe ist wild wie der Sturzbach“. Hg. und kommentiert von Angela Reinthal mit einem Nachwort von Gerhard Hubmann. Wien, Köln, Weimar: Böhlau 2018 (= Manu Scripta 3)
* Diana Lühmann: [http://www.lesbengeschichte.de/Pdfs/pdfs_bio_skizzen_deutsch/blei_einsele_escape_3_2012.pdf "Ein Stück vom Himmel geholt"]. Interview mit Gabi Einsele. In: Escape. Hamburgs Magazin für Lesben 3 (2012), S. 4-9 [Stand: 03.02.2017]  
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* Diana Lühmann: [http://www.lesbengeschichte.de/Pdfs/pdfs_bio_skizzen_deutsch/blei_einsele_escape_3_2012.pdf "Ein Stück vom Himmel geholt"]. Interview mit Gabi Einsele. In: Escape. Hamburgs Magazin für Lesben 3 (2012), S. 4-9 [Stand: 03.02.2017]
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* Hartmut Walravens: Sibylle Blei in Briefen an Hermann Broch. Ein Mosaikstein aus der Geschichte der Exilliteratur. In: Aus dem Antiquariat, 1 (2006), S. 3–14
 
* Murray G. Hall: [http://www.murrayhall.com/content/articles/bleietikette.pdf Der unbekannte Tausendsassa Franz Blei und Etikettenschwindel 1918] [Stand: 03.02.2017]
 
* Murray G. Hall: [http://www.murrayhall.com/content/articles/bleietikette.pdf Der unbekannte Tausendsassa Franz Blei und Etikettenschwindel 1918] [Stand: 03.02.2017]
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* Gabi Einsele: „Ursprünglich wollten wir nach Kanada auswandern…“ Stationen im Leben von Sibylla Blei (1897–1962). In: frau ohne herz, Nr. 34 (1994), S. 4–8
  
 
==Link==
 
==Link==
 
*[https://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Blei Wikipedia: Franz Blei]
 
*[https://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Blei Wikipedia: Franz Blei]

Version vom 2. März 2022, 15:23 Uhr

Sibylla Blei, 1923. Foto: Trude Fleischmann
Daten zur Person
Personenname Blei, Sibylla
Abweichende Namensform Blei, Maria Eva Sibylla; Blei, Billy; Bley, Sibylle; Lieben, Sibylla
Titel
Geschlecht weiblich
PageID 44330
GND 118926322
Wikidata Q59653145
Geburtsdatum 22. März 1897
Geburtsort Zürich
Sterbedatum 14. März 1962
Sterbeort Costa da Caparica, Portugal
Beruf Schauspielerin
Parteizugehörigkeit
Ereignis
Nachlass/Vorlass Wienbibliothek im Rathaus / Handschriftensammlung
Objektbezug
Quelle Gedenktage
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Recherche
Letzte Änderung am 2.03.2022 durch WIEN1.lanm09hug
Begräbnisdatum
Friedhof
Grabstelle
Bildname Sibylla Blei 1923.jpg
Bildunterschrift Sibylla Blei, 1923. Foto: Trude Fleischmann
  • 21., An der oberen Alten Donau 192 (Wohnadresse)
Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft

Sibylla Blei vor ihrem Badehaus, 1927

Sibylla Blei, * 22. März 1897 Zürich, † 14. März 1962 Costa da Caparica, Portugal. Schauspielerin, Unternehmerin.

Biografie

Sibylla (Billy) Blei war die Tochter des Schriftstellers Franz Blei und seiner Frau Maria Franziska (geb. Lehmann), einer Zahnärztin. Sie kam in Zürich zur Welt, wo sich die Eltern während ihrer Universitätsstudien kennen gelernt hatten. Von Herbst 1898 bis Sommer 1900 lebte die dreiköpfige Familie in den USA, besonders in Philadelphia, danach in München, wo Sibylla Blei ihre ersten Schuljahre verbrachte. Dort wurde auch ihr Bruder Peter Maria Blei (1905–1959) geboren. Von 1908 bis 1912 besuchte Sibylla Blei die reformpädagogische Freie Schulgemeinde Wickersdorf, deren Lehrer und späterer Direktor Martin Luserke (1880–1968) großen Wert auf darstellende Kunstformen legte und Bleis schauspielerisches Talent förderte. Während des Ersten Weltkriegs kam ihre Schauspielkarriere in Gang, sie gehörte Ensembles von Max Reinhardt in Berlin und Wien an, war 1918 mit einem Fronttheater unterwegs und spielte in einigen Propagandafilmen des Kriegspressequartiers mit. Ab 1917 war Wien Sibylla Bleis Lebensmittelpunkt. Sie lernte den wohlhabenden jüdischen Bankier Ernst von Lieben (1875–1970) kennen und heiratete ihn 1926. Die Ehe wurde zwar bereits 1929 geschieden, zwischen den beiden blieb aber ein freundschaftliches Verhältnis bestehen, was für Blei eine monatliche „Apanage“ bis ins Kriegsjahr 1941 mit sich brachte. Bleis Schauspiel- und Modelkarriere versandete aus unbekannten Gründen im Lauf der 1920er-Jahren.

Blei bewegte sich in Wiener Künstlerkreisen, war mit Hermann Broch, Ea von Allesch und Robert Musil befreundet und pflegte freundschaftlichen Kontakt zu den Malern Karl Fränkel, Alfred Gerstenbrand, Stefan Hlawa und Maler Stephan Mautner (1877–1944), die sie in ihrem Haus “An der Oberen Alten Donau 192” empfing.

Mitte 1932 ging Blei gemeinsam mit ihrem Vater ins freiwillige Exil nach Mallorca, das vorerst weit weg von politischen Unruhen und nationalsozialistischen Drohgebärden lag. 1936 kehrte sie, durch den Spanischen Bürgerkrieg veranlasst, nach Wien zurück, um die Stadt schließlich im Oktober 1937 endgültig zu verlassen. Sie folgte ihrer Lebensgefährtin Sarita Halpern, die sich unterdessen in Costa da Caparica, einem Badeort südlich von Lissabon, niedergelassen hatte. Blei nannte diesen Küstenabschnitt 1941 in einem Brief an Hermann Broch den „Ausgangskanal aller europäischen Emigration”. Blei und Halpern blieben dort und betrieben ein Geschäft für Kosmetikartikel unter der Marke „Sibylla Lieben“. Sibylla Blei starb in Costa da Caparica am 14. März 1962.


Quellen

Literatur

  • Maria Blei: Tagebuch für Tochter Billy. „Deine Liebe ist wild wie der Sturzbach“. Hg. und kommentiert von Angela Reinthal mit einem Nachwort von Gerhard Hubmann. Wien, Köln, Weimar: Böhlau 2018 (= Manu Scripta 3)
  • Diana Lühmann: "Ein Stück vom Himmel geholt". Interview mit Gabi Einsele. In: Escape. Hamburgs Magazin für Lesben 3 (2012), S. 4-9 [Stand: 03.02.2017]
  • Hartmut Walravens: Sibylle Blei in Briefen an Hermann Broch. Ein Mosaikstein aus der Geschichte der Exilliteratur. In: Aus dem Antiquariat, 1 (2006), S. 3–14
  • Murray G. Hall: Der unbekannte Tausendsassa Franz Blei und Etikettenschwindel 1918 [Stand: 03.02.2017]
  • Gabi Einsele: „Ursprünglich wollten wir nach Kanada auswandern…“ Stationen im Leben von Sibylla Blei (1897–1962). In: frau ohne herz, Nr. 34 (1994), S. 4–8

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