Ratswahlprivileg: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Wien Geschichte Wiki
Wechseln zu:Navigation, Suche
Zeile 2: Zeile 2:
 
|Quelle=Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
 
|Quelle=Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
 
}}
 
}}
Ratswahlprivileg, Bezeichnung für eine von den Herzögen Wilhelm, Leopold IV. und Albrecht IV. von Österreich am 24. Februar 1396 ausgestellte Urkunde, wonach jedes Jahr Bürgermeister und Rat von Wien neu zu wählen und die 18 Ratsherrenmandate paritätisch mit Erbbürgern, Kaufleuten und Handwerkern zu besetzen seien. Vorher hatten die [[Erbbürger]] (die von Einkünften aus Haus- und Grundbesitz lebenden Bürger) und die Kaufleute (Großhändler, Im- und Exporteure) den Rat dominiert, obwohl die Handwerker (zu denen auch Kleinhandel und Dienstleistungsgewerbe zählten) im Bürgertum zahlenmäßig stärker waren; ihr Streben nach mehr politischem Mitspracherecht war damals kein auf Wien beschränkter Einzelfall, sondern es entsprach einer politischen Bewegung, die am Ende des 14. Jahrhunderts viele Städte im Heiligen Römischen Reich erfaßte und verschiedentlich zu blutigen Auseinandersetzungen führte. Einer solchen Entwicklung beugten die Herzöge von Österreich mit dem Ratswahlprivileg vor. Welcher Wert ihm beigemessen wurde, erweist die 1401 notierte Aufteilung der Schlüssel zu jenem Behältnis, in dem das Ratswahlprivileg verwahrt wurde: je zwei erhielten die Hausgenossen (als Vertreter der Oberschicht), Kürschner, Schneider und Kramer, je einen die Fütterer (Futterhändler), Bogner, Fischer und Schuster. Aus den Ratslisten  und aus Belegen über die berufliche Zugehörigkeit der Mandatare geht hervor, daß die Handwerker nur bis 1403 die ihnen zugestandene Drittelquote (6 Mandate) regelmäßig voll in Anspruch nahmen; danach wurden (bis 1526) jeweils vier bis sieben Mandate von ihnen besetzt; die Ursache mag darin liegen, daß die Ausübung eines Ratsmandats mit einem erheblichen Zeit- und Geldaufwand verbunden war, den sich nur wohlhabende Handwerker (beispielsweise Goldschmiede, Kürschner, Fleischhauer) leisten konnten. Der Einfluß der Erbbürger reichte nur noch bis 1418 aus, den Bürgermeister zu stellen. Mit der [[Stadtordnung]] Ferdinands (1526), die Handwerker generell von der Wahl in den (inneren) Rat ausschloß, wurde das Ratswahlprivileg gegenstandslos.  
+
Ratswahlprivileg, Bezeichnung für eine von den Herzögen Wilhelm, Leopold IV. und Albrecht IV. von Österreich am 24. Februar 1396 ausgestellte Urkunde, wonach jedes Jahr Bürgermeister und Rat von Wien neu zu wählen und die 18 Ratsherrenmandate paritätisch mit Erbbürgern, Kaufleuten und Handwerkern zu besetzen seien. Vorher hatten die [[Erbbürger]] (die von Einkünften aus Haus- und Grundbesitz lebenden Bürger) und die Kaufleute (Großhändler, Im- und Exporteure) den Rat dominiert, obwohl die Handwerker (zu denen auch Kleinhandel und Dienstleistungsgewerbe zählten) im Bürgertum zahlenmäßig stärker waren; ihr Streben nach mehr politischem Mitspracherecht war damals kein auf Wien beschränkter Einzelfall, sondern es entsprach einer politischen Bewegung, die am Ende des 14. Jahrhunderts viele Städte im Heiligen Römischen Reich erfasste und verschiedentlich zu blutigen Auseinandersetzungen führte. Einer solchen Entwicklung beugten die Herzöge von Österreich mit dem Ratswahlprivileg vor. Welcher Wert ihm beigemessen wurde, erweist die 1401 notierte Aufteilung der Schlüssel zu jenem Behältnis, in dem das Ratswahlprivileg verwahrt wurde: je zwei erhielten die [[Hausgenossen]] (als Vertreter der Oberschicht), [[Kürschner]], [[Schneider]] und [[Kramer]], je einen die [[Fütterer]] (Futterhändler), [[Bogner]], [[Fischer]] und Schuster. Aus den Ratslisten  und aus Belegen über die berufliche Zugehörigkeit der Mandatare geht hervor, dass die Handwerker nur bis 1403 die ihnen zugestandene Drittelquote (6 Mandate) regelmäßig voll in Anspruch nahmen; danach wurden (bis 1526) jeweils vier bis sieben Mandate von ihnen besetzt; die Ursache mag darin liegen, dass die Ausübung eines Ratsmandats mit einem erheblichen Zeit- und Geldaufwand verbunden war, den sich nur wohlhabende Handwerker (beispielsweise Goldschmiede, Kürschner, Fleischhauer) leisten konnten. Der Einfluss der Erbbürger reichte nur noch bis 1418 aus, den Bürgermeister zu stellen. Mit der [[Stadtordnung]] Ferdinands (1526), die Handwerker generell von der Wahl in den (inneren) Rat ausschloss, wurde das Ratswahlprivileg gegenstandslos.  
 
==Literatur==  
 
==Literatur==  
 
*Richard Perger: Die politische Rolle der Wiener Handwerker im Spätmittelalter. In: Wiener Geschichtsblätter 11 (1983), S. 1 ff.  
 
*Richard Perger: Die politische Rolle der Wiener Handwerker im Spätmittelalter. In: Wiener Geschichtsblätter 11 (1983), S. 1 ff.  
 
*Archivalien aus acht Jahrhunderten. Ausstellung des Archivs der Stadt Wien. Dezember 1964 - Februar 1965. Wien: Eigenverlag der Museen der Stadt Wien 1965 (Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien, 15), S. 21 f.  
 
*Archivalien aus acht Jahrhunderten. Ausstellung des Archivs der Stadt Wien. Dezember 1964 - Februar 1965. Wien: Eigenverlag der Museen der Stadt Wien 1965 (Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien, 15), S. 21 f.  
 
*Felix Czeike: Das Ratswahlprivileg von 1396, In: Stadt Wien. Offizielles Organ der Bundeshauptstadt, 06.03.1971, S. 15
 
*Felix Czeike: Das Ratswahlprivileg von 1396, In: Stadt Wien. Offizielles Organ der Bundeshauptstadt, 06.03.1971, S. 15

Version vom 26. August 2014, 08:48 Uhr

Daten zum Eintrag
Datum von 24. Februar 1396 JL
Datum bis
Objektbezug
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
Export RDF-Export (Resource Description Framework) RDF
Recherche
Letzte Änderung am 26.08.2014 durch WIEN1.lanm09mur

Es wurden noch keine Bezeichnungen erfasst!


Ratswahlprivileg, Bezeichnung für eine von den Herzögen Wilhelm, Leopold IV. und Albrecht IV. von Österreich am 24. Februar 1396 ausgestellte Urkunde, wonach jedes Jahr Bürgermeister und Rat von Wien neu zu wählen und die 18 Ratsherrenmandate paritätisch mit Erbbürgern, Kaufleuten und Handwerkern zu besetzen seien. Vorher hatten die Erbbürger (die von Einkünften aus Haus- und Grundbesitz lebenden Bürger) und die Kaufleute (Großhändler, Im- und Exporteure) den Rat dominiert, obwohl die Handwerker (zu denen auch Kleinhandel und Dienstleistungsgewerbe zählten) im Bürgertum zahlenmäßig stärker waren; ihr Streben nach mehr politischem Mitspracherecht war damals kein auf Wien beschränkter Einzelfall, sondern es entsprach einer politischen Bewegung, die am Ende des 14. Jahrhunderts viele Städte im Heiligen Römischen Reich erfasste und verschiedentlich zu blutigen Auseinandersetzungen führte. Einer solchen Entwicklung beugten die Herzöge von Österreich mit dem Ratswahlprivileg vor. Welcher Wert ihm beigemessen wurde, erweist die 1401 notierte Aufteilung der Schlüssel zu jenem Behältnis, in dem das Ratswahlprivileg verwahrt wurde: je zwei erhielten die Hausgenossen (als Vertreter der Oberschicht), Kürschner, Schneider und Kramer, je einen die Fütterer (Futterhändler), Bogner, Fischer und Schuster. Aus den Ratslisten und aus Belegen über die berufliche Zugehörigkeit der Mandatare geht hervor, dass die Handwerker nur bis 1403 die ihnen zugestandene Drittelquote (6 Mandate) regelmäßig voll in Anspruch nahmen; danach wurden (bis 1526) jeweils vier bis sieben Mandate von ihnen besetzt; die Ursache mag darin liegen, dass die Ausübung eines Ratsmandats mit einem erheblichen Zeit- und Geldaufwand verbunden war, den sich nur wohlhabende Handwerker (beispielsweise Goldschmiede, Kürschner, Fleischhauer) leisten konnten. Der Einfluss der Erbbürger reichte nur noch bis 1418 aus, den Bürgermeister zu stellen. Mit der Stadtordnung Ferdinands (1526), die Handwerker generell von der Wahl in den (inneren) Rat ausschloss, wurde das Ratswahlprivileg gegenstandslos.

Literatur

  • Richard Perger: Die politische Rolle der Wiener Handwerker im Spätmittelalter. In: Wiener Geschichtsblätter 11 (1983), S. 1 ff.
  • Archivalien aus acht Jahrhunderten. Ausstellung des Archivs der Stadt Wien. Dezember 1964 - Februar 1965. Wien: Eigenverlag der Museen der Stadt Wien 1965 (Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien, 15), S. 21 f.
  • Felix Czeike: Das Ratswahlprivileg von 1396, In: Stadt Wien. Offizielles Organ der Bundeshauptstadt, 06.03.1971, S. 15