Luftschutz-Raum-Netz Innere Stadt: Unterschied zwischen den Versionen

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|Bildunterschrift=Verbliebener Orientierungshinweis in einem Keller im 1. Bezirk in einem Leuchtstreifen. Quelle: Dr. Marcello La Speranza
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==Luftschutz-Raum-Netz Innere Stadt==
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Bereits in der ersten Phase des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]] wurden Pläne entwickelt, wie die [[Keller]] Wiens in das notwendig gewordene umfassende Luftschutzbauprogramm miteinbezogen werden konnten. Die „Gemeindeverwaltung des [[Reichsgau Wien|Reichsgau Wien]] Hauptabteilung Bauwesen“ hatte die Aufgabe speziell für den [[1|Ersten Bezirk]] das so genannte „Luftschutz-Raum-Netz Innere Stadt“ auszuarbeiten. Das war ein Teil der [[Luftschutzvorbereitungen]]. Konkret wurde jedoch erst im Jahr 1944 mit einem einheitlich strukturierten Plan das Vorhaben in Angriff genommen. Inspektionstrupps der Feuerschutzpolizei, Ingenieure, Beamte und andere behördliche Institutionen arbeiteten an diesem zusammenhängenden unterirdischen Labyrinth, welches sich netzartig zu einem einheitlichen Gebilde formieren sollte. Es galt, nicht nur Deckenverstärkungen und Pölzungsarbeiten durchzuführen, sondern auch Tunnel, Gänge und Mauerdurchbrüche zu schaffen. Es sollten Haupt- und Nebenstrecken entstehen und an bestimmten, trümmerfreien Plätzen in Parkanlagen Einstiegs- bzw. Ausstiegsbauwerke errichtet werden.<ref>In der kartographischen Sammlung des WStLA sind die damals gefertigten Idealpläne archiviert, wo der Verlauf der Hauptwege verzeichnet sind.</ref>
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Bereits in der ersten Phase des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkriegs]] wurden Pläne entwickelt, wie die [[Keller]] Wiens in das notwendig gewordene umfassende Luftschutzbauprogramm mit einbezogen werden konnten. Die "Gemeindeverwaltung des [[Reichsgau Wien|Reichsgaus Wien]] - Hauptabteilung Bauwesen" hatte die Aufgabe, speziell für den [[1]]. [[Bezirk]] das sogenannte "Luftschutz-Raum-Netz Innere Stadt" auszuarbeiten. Das war ein Teil der [[Luftschutzvorbereitungen]]. Konkret wurde jedoch erst im Jahr 1944 mit einem einheitlich strukturierten Plan das Vorhaben in Angriff genommen. Inspektionstrupps der Feuerschutzpolizei, Ingenieure, Beamte und andere behördliche Institutionen arbeiteten an diesem zusammenhängenden unterirdischen Labyrinth, welches sich netzartig zu einem einheitlichen Gebilde formieren sollte. Es galt, nicht nur Deckenverstärkungen und Pölzungsarbeiten durchzuführen, sondern auch Tunnel, Gänge und Mauerdurchbrüche zu schaffen. Es sollten Haupt- und Nebenstrecken entstehen und an bestimmten, trümmerfreien Plätzen in [[Parkanlagen]] Einstiegs- beziehungsweise Ausstiegsbauwerke errichtet werden.<ref>In der kartographischen Sammlung des [[Wiener Stadt- und Landesarchiv]]s sind die damals gefertigten Idealpläne archiviert, wo der Verlauf der Hauptwege verzeichnet sind: [http://wais.wien.gv.at//archive.xhtml?id=Ser+++++00000081m08alt#Ser_____00000081m08alt WStLA, Pläne der Plan und Schriftenkammer, P10/5: 119874].</ref>
  
Die tiefen Keller der Wiener Innenstadt wurden dementsprechend adaptiert. Um Eingeschlossenen und Verschütten nach einem Luftangriff Fluchtmöglichkeiten zu bieten, wurden die Keller untereinander durch gekennzeichnete „Mauerdurchbrüche“ verbunden. Ebenso wurden unzählige „Notausstiege“ geschaffen. All diese baulichen Eingriffe zählten zu den umfassenden Luftschutzvorbereitungen, wie auch der Bau von [[Luftschutzbunker]]. Durch ein weiträumiges System konnten die Luftschutzsuchenden beinahe die ganze Innere Stadt durchwandern. Überall waren an den Wänden Ordnungs- bzw. Hinweisaufschriften aufgemalt bzw. Orientierungstafeln angebracht.  
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Die tiefen Keller der Wiener Innenstadt wurden dementsprechend adaptiert. Um Eingeschlossenen und Verschütteten nach einem [[Luftangriffe|Luftangriff]] Fluchtmöglichkeiten zu bieten, wurden die Keller untereinander durch gekennzeichnete "Mauerdurchbrüche" verbunden. Ebenso wurden unzählige "Notausstiege" geschaffen. Alle diese baulichen Eingriffe zählten zu den umfassenden Luftschutzvorbereitungen, wie auch der Bau von [[Luftschutzbunker]]n. Durch ein weiträumiges System konnten die Schutzsuchenden beinahe die ganze Innere Stadt durchwandern. Überall waren an den Wänden Ordnungs- beziehungsweise Hinweisaufschriften aufgemalt beziehungsweise Orientierungstafeln angebracht.  
  
Es sollten die tiefen alten Weinkeller und obsolet gewordene historische unterirdischen Festungsräumlichkeiten ([[Kasematte]]n, Minengänge), die teilweise noch im [[Mittelalter]] errichtet worden waren, in zweckmäßigen Luftschutzräumen umfunktioniert werden.<ref>Aufsatz in der Zeitschrift „Wiener Illustrierte“, Wien, 21. Juni 1944.</ref>
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Es sollten die tiefen alten Weinkeller sowie obsolet gewordene, historische, unterirdische Festungsräumlichkeiten ([[Kasematte]]n, Minengänge), die teilweise bereits im [[Mittelalter]] errichtet worden waren, in zweckmäßige Luftschutzräume umfunktioniert werden.<ref>Siehe: Wiener Illustrierte, 21.06.1944.</ref>
  
 
Es wurden Pläne erstellt, die zu trümmerfreien Plätzen führten ([[Burggarten]], [[Volksgarten]], [[Stadtpark]], [[Rudolfsplatz]], [[Morzinplatz]] und andere). Durch diese Hauptausstiege war ein Verlassen der unterirdischen Anlagen auch nach großräumigen Zerstörungen gewährleistet. Obwohl viele detaillierte Pläne von der [[Stadtverwaltung]] gezeichnet worden waren, wurde baulich nicht alles realisiert.
 
Es wurden Pläne erstellt, die zu trümmerfreien Plätzen führten ([[Burggarten]], [[Volksgarten]], [[Stadtpark]], [[Rudolfsplatz]], [[Morzinplatz]] und andere). Durch diese Hauptausstiege war ein Verlassen der unterirdischen Anlagen auch nach großräumigen Zerstörungen gewährleistet. Obwohl viele detaillierte Pläne von der [[Stadtverwaltung]] gezeichnet worden waren, wurde baulich nicht alles realisiert.
  
Das Zentrum Wiens mit den historischen tiefen Kellern war für einen luftschutzmässigen Ausbau prädestiniert. In den [[Zeitungen|Tageszeitungen]] wurden auch Richtlinien über die Benutzung der Anlagen gegeben: „Der Polizeipräsident als örtlicher Luftschutzleiter gibt bekannt. Die Enge der Gänge und die Anzahl der Besucher läßt die Mitnahme von Kinderwagen, Kindersportkarren und ähnlichen Kindertransportmitteln in das Schutzraumnetz der Inneren Stadt, in die Luftschutzstollenanlagen und in die Tunnels im Interesse der allgemeinen öffentlichen Sicherheit, insbesondere aber im Interesse der Sicherheit der Mütter und Kinder selbst, nicht zu. Das Mitführen von solchen Transportmitteln in die Räume ist daher zu unterlassen. Es wird erwartet, daß die Bevölkerung diesen Appell beherzigen wird, da anderenfalls polizeiliche Maßnahmen durchgeführt werden müßten.<ref>Inserat in der Kleinen Wiener Kriegszeitung, 11. Februar 1945.</ref>
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Das Zentrum Wiens mit den historischen, tiefen Kellern war für einen luftschutzmäßigen Ausbau prädestiniert. In den [[Zeitungen|Tageszeitungen]] wurden auch Richtlinien über die Benutzung der Anlagen publiziert: "Der Polizeipräsident als örtlicher Luftschutzleiter gibt bekannt. Die Enge der Gänge und die Anzahl der Besucher läßt die Mitnahme von Kinderwagen, Kindersportkarren und ähnlichen Kindertransportmitteln in das Schutzraumnetz der Inneren Stadt, in die Luftschutzstollenanlagen und in die Tunnels im Interesse der allgemeinen öffentlichen Sicherheit, insbesondere aber im Interesse der Sicherheit der Mütter und Kinder selbst, nicht zu. Das Mitführen von solchen Transportmitteln in die Räume ist daher zu unterlassen. Es wird erwartet, daß die Bevölkerung diesen Appell beherzigen wird, da anderenfalls polizeiliche Maßnahmen durchgeführt werden müßten."<ref>Kleine Wiener Kriegszeitung, 11.02.1945.</ref>
  
Ein großes Problem bei diesem Projekt war eine ausreichende Belüftung dieser unterirdischen Räumlichkeiten. Der Ausbau des geplanten Luftschutz-Raum-Netzes in der Wiener Innenstadt ging trotz sorgfältiger Vorbereitung und der naturgemässen Abstriche nicht so recht voran. Noch Mitte Februar 1945 machte sich die Feuerschutzpolizei Gedanken, wie der Ausbau der Katakomben perfektionieren werden sollte. Der betreffende Abschnitts-Kommandeur berichtet an das Kommando der „FSCHP. Wien a. d. D.“ am 20. 2. 1945: „Bei Fliegeralarm werden die in der Innenstadt befindlichen Luftschutz-Räume von einer großen Anzahl Personen von der Innenstadt und den umliegenden [[Bezirke]]n aufgesucht. Da diese Schutzräume besonders in den durch mehrstöckigen Häusern überbauten Teilen gegenüber Sprengbombeneinwirkungen einen sicheren Schutz bieten dürften, ist der Ausbau der [[Katakomben]] als Luftschutz-Räume vollauf zu begrüssen.
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Ein großes Problem bei diesem Projekt war eine ausreichende Belüftung dieser unterirdischen Räumlichkeiten. Der Ausbau des geplanten Luftschutz-Raum-Netzes in der Wiener Innenstadt ging trotz sorgfältiger Vorbereitung und der naturgemäßen Abstriche nur langsam voran. Noch Mitte Februar 1945 machte sich die Feuerschutzpolizei Gedanken, wie der Ausbau der [[Katakomben]] perfektioniert werden konnte. Der betreffende Abschnittskommandeur berichtete am 20. Februar 1945 dem Kommando der "FSCHP. Wien a. d. D.":  
Sollten jedoch in Zukunft auf die Innenstadt so genannte kombinierte Angriffe geflogen werden, das heisst nach Sprengbomben auch eine grössere Anzahl von Brandbomben zum Abwurf kommen, ist mit dem Ausbruch von grossen Bränden, die sich auf Grund der dichten Verbauung sehr leicht zu Flächenbränden ausdehnen könnten, zu rechnen. Hierbei sind besonders die in den verschiedenen Straßen der Innenstadt gelegten Zugänge zu diesen Schutzräumen gefährdet, da bei dem Ausbruch von Totalbränden die über diesen Zugängen liegenden Häuser wahrscheinlich bis zum ersten Keller in Brand geraten werden. Bei dieser Lage besteht durchaus die Möglichkeit, dass sich entwickelnde strahlende Hitze und bei nicht vollständiger Verbrennung in den unteren Stockwerken entstehenden Kohlenoxydgase in die unter diesen brennenden Häuser liegenden Katakomben eindringen und die dort schutzsuchenden Personen gefährden können.(…)“.<ref>Archiv der Wiener Feuerwehrzentrale, Wien, Mappe: Luftschutzräume in der Innenstadt (Katakomben), 1cV18/45.</ref>
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<blockquote>"Bei Fliegeralarm werden die in der Innenstadt befindlichen Luftschutz-Räume von einer großen Anzahl Personen von der Innenstadt und den umliegenden Bezirken aufgesucht. Da diese Schutzräume besonders in den durch mehrstöckigen Häusern überbauten Teilen gegenüber Sprengbombeneinwirkungen einen sicheren Schutz bieten dürften, ist der Ausbau der Katakomben als Luftschutz-Räume vollauf zu begrüssen.<br/>
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Sollten jedoch in Zukunft auf die Innenstadt so genannte kombinierte Angriffe geflogen werden, das heisst nach Sprengbomben auch eine grössere Anzahl von Brandbomben zum Abwurf kommen, ist mit dem Ausbruch von grossen Bränden, die sich auf Grund der dichten Verbauung sehr leicht zu Flächenbränden ausdehnen könnten, zu rechnen. Hierbei sind besonders die in den verschiedenen Straßen der Innenstadt gelegten Zugänge zu diesen Schutzräumen gefährdet, da bei dem Ausbruch von Totalbränden die über diesen Zugängen liegenden Häuser wahrscheinlich bis zum ersten Keller in Brand geraten werden. Bei dieser Lage besteht durchaus die Möglichkeit, dass sich entwickelnde strahlende Hitze und bei nicht vollständiger Verbrennung in den unteren Stockwerken entstehenden Kohlenoxydgase in die unter diesen brennenden Häuser liegenden Katakomben eindringen und die dort schutzsuchenden Personen gefährden können."<ref>Archiv der Wiener Feuerwehrzentrale, Wien, Mappe: Luftschutzräume in der Innenstadt (Katakomben), 1cV18/1945.</ref></blockquote>
  
Die Mängel sollen durch den Einbau von ausreichend abgedichteten Türen behoben werden. Bis zum Kriegsende hindurch versuchte man das Luftschutzprogramm zu verbessern.  
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Die Mängel sollten durch den Einbau von ausreichend abgedichteten Türen behoben werden. Bis zum Kriegsende versuchte man, das Luftschutzprogramm zu verbessern.  
  
Mit dem Einstellen der US - [[Luftangriffe]] auf Wien im März 1945 und der Eroberung Wiens durch die Rote Armee im April 1945 kam das Luftschutzprojekt zum Erliegen. Die vielen Mauerdurchbrüche wurden verschlossen, unterirdische Gänge mit Schutt verfüllt. Viele bauliche Hinterlassenschaften sind jedoch in Vergessenheit geraten und teilweise bis heute erhalten geblieben.
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Mit dem Einstellen der US-Luftangriffe auf Wien im März 1945 und der Eroberung Wiens durch die Rote Armee im April 1945 kam das Luftschutzprojekt zum Erliegen. Die vielen Mauerdurchbrüche wurden verschlossen, unterirdische Gänge mit Schutt verfüllt. Viele bauliche Hinterlassenschaften sind bis heute erhalten geblieben.
  
==Literatur:==
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==Quellen==
*Ausstellungskatalog: Wien. Die Perle des Reiches. Planen für Hitler. Architekturzentrum Wien. Zürich 2015
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*[http://wais.wien.gv.at//archive.xhtml?id=Akt+++++00002126m08alt#Akt_____00002126m08alt Wiener Stadt- und Landesarchiv, Pläne der Plan und Schriftenkammer, P10/5: 119874]: Überblicksplan Luftschutzraumnetz Innere Stadt
*Marcello La Speranza: Beobachtungen. NS- und Kriegsspuren in Wien. Band 4: Wien: Mokka 2019
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*[http://wais.wien.gv.at//archive.xhtml?id=Stueck++2BC2AB80-C8DD-4F9D-A0C2-9DA2F3FF1932#Stueck__2BC2AB80-C8DD-4F9D-A0C2-9DA2F3FF1932 Wiener Stadt- und Landesarchiv,  Kartographische Sammlung, Sammelbestand, P5: 6493]: Schutzraumnetz 1. Bezirk östlich der Rotenturmstraße
*Marcello La Speranza: Luftschutzeinrichtungen in der Wiener Innenstadt. In: Fundort Wien. Berichte zur Archäologie 3/2000, Seite 186 ff.
 
  
zum Bombenkrieg auf Wien:
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==Literatur==
*Marcello La Speranza: Bomben auf Wien, Zeitzeugen berichten. Wien 2003
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*Marcello La Speranza: Beobachtungen. NS- und Kriegsspuren in Wien. Band 4. Wien: Mokka 2019
*Fritz M. Rebhann: Finale in Wien. Eine Gaustadt im Aschenregen. Wien/München 1969
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*Marcello La Speranza: Luftschutzeinrichtungen in der Wiener Innenstadt. In: Fundort Wien. Berichte zur Archäologie 3 (2000), S. 186 ff.
*Josef Schörner: Wiener Tagebuch 1944/45. Wien 1992
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*Wien. Die Perle des Reiches. Planen für Hitler. Architekturzentrum Wien. Ausstellungskatalog. Zürich: Park Books 2015
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===Zum Bombenkrieg auf Wien===
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*Marcello La Speranza: Bomben auf Wien. Zeitzeugen berichten. Wien: Ibera 2003
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*Fritz M. Rebhann: Finale in Wien. Eine Gaustadt im Aschenregen. Wien / München: Herold 1969
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*Josef Schörner: Wiener Tagebuch 1944/45. Wien: Böhlau 1992
  
 
==Einzelnachweise==
 
==Einzelnachweise==
 
<references />
 
<references />

Aktuelle Version vom 19. Januar 2024, 15:21 Uhr

Verbliebener Orientierungshinweis in einem Keller im 1. Bezirk in einem Leuchtstreifen.
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Letzte Änderung am 19.01.2024 durch WIEN1.lanm08swa
Bildname Luftschutz-Raumnetz Inschriften .JPG
Bildunterschrift Verbliebener Orientierungshinweis in einem Keller im 1. Bezirk in einem Leuchtstreifen.

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Bereits in der ersten Phase des Zweiten Weltkriegs wurden Pläne entwickelt, wie die Keller Wiens in das notwendig gewordene umfassende Luftschutzbauprogramm mit einbezogen werden konnten. Die "Gemeindeverwaltung des Reichsgaus Wien - Hauptabteilung Bauwesen" hatte die Aufgabe, speziell für den 1. Bezirk das sogenannte "Luftschutz-Raum-Netz Innere Stadt" auszuarbeiten. Das war ein Teil der Luftschutzvorbereitungen. Konkret wurde jedoch erst im Jahr 1944 mit einem einheitlich strukturierten Plan das Vorhaben in Angriff genommen. Inspektionstrupps der Feuerschutzpolizei, Ingenieure, Beamte und andere behördliche Institutionen arbeiteten an diesem zusammenhängenden unterirdischen Labyrinth, welches sich netzartig zu einem einheitlichen Gebilde formieren sollte. Es galt, nicht nur Deckenverstärkungen und Pölzungsarbeiten durchzuführen, sondern auch Tunnel, Gänge und Mauerdurchbrüche zu schaffen. Es sollten Haupt- und Nebenstrecken entstehen und an bestimmten, trümmerfreien Plätzen in Parkanlagen Einstiegs- beziehungsweise Ausstiegsbauwerke errichtet werden.[1]

Die tiefen Keller der Wiener Innenstadt wurden dementsprechend adaptiert. Um Eingeschlossenen und Verschütteten nach einem Luftangriff Fluchtmöglichkeiten zu bieten, wurden die Keller untereinander durch gekennzeichnete "Mauerdurchbrüche" verbunden. Ebenso wurden unzählige "Notausstiege" geschaffen. Alle diese baulichen Eingriffe zählten zu den umfassenden Luftschutzvorbereitungen, wie auch der Bau von Luftschutzbunkern. Durch ein weiträumiges System konnten die Schutzsuchenden beinahe die ganze Innere Stadt durchwandern. Überall waren an den Wänden Ordnungs- beziehungsweise Hinweisaufschriften aufgemalt beziehungsweise Orientierungstafeln angebracht.

Es sollten die tiefen alten Weinkeller sowie obsolet gewordene, historische, unterirdische Festungsräumlichkeiten (Kasematten, Minengänge), die teilweise bereits im Mittelalter errichtet worden waren, in zweckmäßige Luftschutzräume umfunktioniert werden.[2]

Es wurden Pläne erstellt, die zu trümmerfreien Plätzen führten (Burggarten, Volksgarten, Stadtpark, Rudolfsplatz, Morzinplatz und andere). Durch diese Hauptausstiege war ein Verlassen der unterirdischen Anlagen auch nach großräumigen Zerstörungen gewährleistet. Obwohl viele detaillierte Pläne von der Stadtverwaltung gezeichnet worden waren, wurde baulich nicht alles realisiert.

Das Zentrum Wiens mit den historischen, tiefen Kellern war für einen luftschutzmäßigen Ausbau prädestiniert. In den Tageszeitungen wurden auch Richtlinien über die Benutzung der Anlagen publiziert: "Der Polizeipräsident als örtlicher Luftschutzleiter gibt bekannt. Die Enge der Gänge und die Anzahl der Besucher läßt die Mitnahme von Kinderwagen, Kindersportkarren und ähnlichen Kindertransportmitteln in das Schutzraumnetz der Inneren Stadt, in die Luftschutzstollenanlagen und in die Tunnels im Interesse der allgemeinen öffentlichen Sicherheit, insbesondere aber im Interesse der Sicherheit der Mütter und Kinder selbst, nicht zu. Das Mitführen von solchen Transportmitteln in die Räume ist daher zu unterlassen. Es wird erwartet, daß die Bevölkerung diesen Appell beherzigen wird, da anderenfalls polizeiliche Maßnahmen durchgeführt werden müßten."[3]

Ein großes Problem bei diesem Projekt war eine ausreichende Belüftung dieser unterirdischen Räumlichkeiten. Der Ausbau des geplanten Luftschutz-Raum-Netzes in der Wiener Innenstadt ging trotz sorgfältiger Vorbereitung und der naturgemäßen Abstriche nur langsam voran. Noch Mitte Februar 1945 machte sich die Feuerschutzpolizei Gedanken, wie der Ausbau der Katakomben perfektioniert werden konnte. Der betreffende Abschnittskommandeur berichtete am 20. Februar 1945 dem Kommando der "FSCHP. Wien a. d. D.":

"Bei Fliegeralarm werden die in der Innenstadt befindlichen Luftschutz-Räume von einer großen Anzahl Personen von der Innenstadt und den umliegenden Bezirken aufgesucht. Da diese Schutzräume besonders in den durch mehrstöckigen Häusern überbauten Teilen gegenüber Sprengbombeneinwirkungen einen sicheren Schutz bieten dürften, ist der Ausbau der Katakomben als Luftschutz-Räume vollauf zu begrüssen.
Sollten jedoch in Zukunft auf die Innenstadt so genannte kombinierte Angriffe geflogen werden, das heisst nach Sprengbomben auch eine grössere Anzahl von Brandbomben zum Abwurf kommen, ist mit dem Ausbruch von grossen Bränden, die sich auf Grund der dichten Verbauung sehr leicht zu Flächenbränden ausdehnen könnten, zu rechnen. Hierbei sind besonders die in den verschiedenen Straßen der Innenstadt gelegten Zugänge zu diesen Schutzräumen gefährdet, da bei dem Ausbruch von Totalbränden die über diesen Zugängen liegenden Häuser wahrscheinlich bis zum ersten Keller in Brand geraten werden. Bei dieser Lage besteht durchaus die Möglichkeit, dass sich entwickelnde strahlende Hitze und bei nicht vollständiger Verbrennung in den unteren Stockwerken entstehenden Kohlenoxydgase in die unter diesen brennenden Häuser liegenden Katakomben eindringen und die dort schutzsuchenden Personen gefährden können."[4]

Die Mängel sollten durch den Einbau von ausreichend abgedichteten Türen behoben werden. Bis zum Kriegsende versuchte man, das Luftschutzprogramm zu verbessern.

Mit dem Einstellen der US-Luftangriffe auf Wien im März 1945 und der Eroberung Wiens durch die Rote Armee im April 1945 kam das Luftschutzprojekt zum Erliegen. Die vielen Mauerdurchbrüche wurden verschlossen, unterirdische Gänge mit Schutt verfüllt. Viele bauliche Hinterlassenschaften sind bis heute erhalten geblieben.

Quellen

Literatur

  • Marcello La Speranza: Beobachtungen. NS- und Kriegsspuren in Wien. Band 4. Wien: Mokka 2019
  • Marcello La Speranza: Luftschutzeinrichtungen in der Wiener Innenstadt. In: Fundort Wien. Berichte zur Archäologie 3 (2000), S. 186 ff.
  • Wien. Die Perle des Reiches. Planen für Hitler. Architekturzentrum Wien. Ausstellungskatalog. Zürich: Park Books 2015

Zum Bombenkrieg auf Wien

  • Marcello La Speranza: Bomben auf Wien. Zeitzeugen berichten. Wien: Ibera 2003
  • Fritz M. Rebhann: Finale in Wien. Eine Gaustadt im Aschenregen. Wien / München: Herold 1969
  • Josef Schörner: Wiener Tagebuch 1944/45. Wien: Böhlau 1992

Einzelnachweise

  1. In der kartographischen Sammlung des Wiener Stadt- und Landesarchivs sind die damals gefertigten Idealpläne archiviert, wo der Verlauf der Hauptwege verzeichnet sind: WStLA, Pläne der Plan und Schriftenkammer, P10/5: 119874.
  2. Siehe: Wiener Illustrierte, 21.06.1944.
  3. Kleine Wiener Kriegszeitung, 11.02.1945.
  4. Archiv der Wiener Feuerwehrzentrale, Wien, Mappe: Luftschutzräume in der Innenstadt (Katakomben), 1cV18/1945.