Luftschutz-Raum-Netz Innere Stadt

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Verbliebener Orientierungshinweis in einem Keller im 1. Bezirk in einem Leuchtstreifen.
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Bildname Luftschutz-Raumnetz Inschriften .JPG
Bildunterschrift Verbliebener Orientierungshinweis in einem Keller im 1. Bezirk in einem Leuchtstreifen.

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Bereits in der ersten Phase des Zweiten Weltkriegs wurden Pläne entwickelt, wie die Keller Wiens in das notwendig gewordene umfassende Luftschutzbauprogramm mit einbezogen werden konnten. Die "Gemeindeverwaltung des Reichsgaus Wien - Hauptabteilung Bauwesen" hatte die Aufgabe, speziell für den 1. Bezirk das sogenannte "Luftschutz-Raum-Netz Innere Stadt" auszuarbeiten. Das war ein Teil der Luftschutzvorbereitungen. Konkret wurde jedoch erst im Jahr 1944 mit einem einheitlich strukturierten Plan das Vorhaben in Angriff genommen. Inspektionstrupps der Feuerschutzpolizei, Ingenieure, Beamte und andere behördliche Institutionen arbeiteten an diesem zusammenhängenden unterirdischen Labyrinth, welches sich netzartig zu einem einheitlichen Gebilde formieren sollte. Es galt, nicht nur Deckenverstärkungen und Pölzungsarbeiten durchzuführen, sondern auch Tunnel, Gänge und Mauerdurchbrüche zu schaffen. Es sollten Haupt- und Nebenstrecken entstehen und an bestimmten, trümmerfreien Plätzen in Parkanlagen Einstiegs- beziehungsweise Ausstiegsbauwerke errichtet werden.[1]

Die tiefen Keller der Wiener Innenstadt wurden dementsprechend adaptiert. Um Eingeschlossenen und Verschütteten nach einem Luftangriff Fluchtmöglichkeiten zu bieten, wurden die Keller untereinander durch gekennzeichnete "Mauerdurchbrüche" verbunden. Ebenso wurden unzählige "Notausstiege" geschaffen. Alle diese baulichen Eingriffe zählten zu den umfassenden Luftschutzvorbereitungen, wie auch der Bau von Luftschutzbunkern. Durch ein weiträumiges System konnten die Schutzsuchenden beinahe die ganze Innere Stadt durchwandern. Überall waren an den Wänden Ordnungs- beziehungsweise Hinweisaufschriften aufgemalt beziehungsweise Orientierungstafeln angebracht.

Es sollten die tiefen alten Weinkeller sowie obsolet gewordene, historische, unterirdische Festungsräumlichkeiten (Kasematten, Minengänge), die teilweise bereits im Mittelalter errichtet worden waren, in zweckmäßige Luftschutzräume umfunktioniert werden.[2]

Es wurden Pläne erstellt, die zu trümmerfreien Plätzen führten (Burggarten, Volksgarten, Stadtpark, Rudolfsplatz, Morzinplatz und andere). Durch diese Hauptausstiege war ein Verlassen der unterirdischen Anlagen auch nach großräumigen Zerstörungen gewährleistet. Obwohl viele detaillierte Pläne von der Stadtverwaltung gezeichnet worden waren, wurde baulich nicht alles realisiert.

Das Zentrum Wiens mit den historischen, tiefen Kellern war für einen luftschutzmäßigen Ausbau prädestiniert. In den Tageszeitungen wurden auch Richtlinien über die Benutzung der Anlagen publiziert: "Der Polizeipräsident als örtlicher Luftschutzleiter gibt bekannt. Die Enge der Gänge und die Anzahl der Besucher läßt die Mitnahme von Kinderwagen, Kindersportkarren und ähnlichen Kindertransportmitteln in das Schutzraumnetz der Inneren Stadt, in die Luftschutzstollenanlagen und in die Tunnels im Interesse der allgemeinen öffentlichen Sicherheit, insbesondere aber im Interesse der Sicherheit der Mütter und Kinder selbst, nicht zu. Das Mitführen von solchen Transportmitteln in die Räume ist daher zu unterlassen. Es wird erwartet, daß die Bevölkerung diesen Appell beherzigen wird, da anderenfalls polizeiliche Maßnahmen durchgeführt werden müßten."[3]

Ein großes Problem bei diesem Projekt war eine ausreichende Belüftung dieser unterirdischen Räumlichkeiten. Der Ausbau des geplanten Luftschutz-Raum-Netzes in der Wiener Innenstadt ging trotz sorgfältiger Vorbereitung und der naturgemäßen Abstriche nur langsam voran. Noch Mitte Februar 1945 machte sich die Feuerschutzpolizei Gedanken, wie der Ausbau der Katakomben perfektioniert werden konnte. Der betreffende Abschnittskommandeur berichtete am 20. Februar 1945 dem Kommando der "FSCHP. Wien a. d. D.":

"Bei Fliegeralarm werden die in der Innenstadt befindlichen Luftschutz-Räume von einer großen Anzahl Personen von der Innenstadt und den umliegenden Bezirken aufgesucht. Da diese Schutzräume besonders in den durch mehrstöckigen Häusern überbauten Teilen gegenüber Sprengbombeneinwirkungen einen sicheren Schutz bieten dürften, ist der Ausbau der Katakomben als Luftschutz-Räume vollauf zu begrüssen.
Sollten jedoch in Zukunft auf die Innenstadt so genannte kombinierte Angriffe geflogen werden, das heisst nach Sprengbomben auch eine grössere Anzahl von Brandbomben zum Abwurf kommen, ist mit dem Ausbruch von grossen Bränden, die sich auf Grund der dichten Verbauung sehr leicht zu Flächenbränden ausdehnen könnten, zu rechnen. Hierbei sind besonders die in den verschiedenen Straßen der Innenstadt gelegten Zugänge zu diesen Schutzräumen gefährdet, da bei dem Ausbruch von Totalbränden die über diesen Zugängen liegenden Häuser wahrscheinlich bis zum ersten Keller in Brand geraten werden. Bei dieser Lage besteht durchaus die Möglichkeit, dass sich entwickelnde strahlende Hitze und bei nicht vollständiger Verbrennung in den unteren Stockwerken entstehenden Kohlenoxydgase in die unter diesen brennenden Häuser liegenden Katakomben eindringen und die dort schutzsuchenden Personen gefährden können."[4]

Die Mängel sollten durch den Einbau von ausreichend abgedichteten Türen behoben werden. Bis zum Kriegsende versuchte man, das Luftschutzprogramm zu verbessern.

Mit dem Einstellen der US-Luftangriffe auf Wien im März 1945 und der Eroberung Wiens durch die Rote Armee im April 1945 kam das Luftschutzprojekt zum Erliegen. Die vielen Mauerdurchbrüche wurden verschlossen, unterirdische Gänge mit Schutt verfüllt. Viele bauliche Hinterlassenschaften sind bis heute erhalten geblieben.

Quellen

Literatur

  • Marcello La Speranza: Beobachtungen. NS- und Kriegsspuren in Wien. Band 4. Wien: Mokka 2019
  • Marcello La Speranza: Luftschutzeinrichtungen in der Wiener Innenstadt. In: Fundort Wien. Berichte zur Archäologie 3 (2000), S. 186 ff.
  • Wien. Die Perle des Reiches. Planen für Hitler. Architekturzentrum Wien. Ausstellungskatalog. Zürich: Park Books 2015

Zum Bombenkrieg auf Wien

  • Marcello La Speranza: Bomben auf Wien. Zeitzeugen berichten. Wien: Ibera 2003
  • Fritz M. Rebhann: Finale in Wien. Eine Gaustadt im Aschenregen. Wien / München: Herold 1969
  • Josef Schörner: Wiener Tagebuch 1944/45. Wien: Böhlau 1992

Einzelnachweise

  1. In der kartographischen Sammlung des Wiener Stadt- und Landesarchivs sind die damals gefertigten Idealpläne archiviert, wo der Verlauf der Hauptwege verzeichnet sind: WStLA, Pläne der Plan und Schriftenkammer, P10/5: 119874.
  2. Siehe: Wiener Illustrierte, 21.06.1944.
  3. Kleine Wiener Kriegszeitung, 11.02.1945.
  4. Archiv der Wiener Feuerwehrzentrale, Wien, Mappe: Luftschutzräume in der Innenstadt (Katakomben), 1cV18/1945.