Hauptschule: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Wien Geschichte Wiki
Wechseln zu:Navigation, Suche
Zeile 17: Zeile 17:
 
Die Bildungspolitik des autoritären Regimes (1934-1938) machte die Hauptschule zu einer einzigen „Ausleseschule" mit konservativ-rückschrittlichem Charakter (Verordnung der Bundesregierung vom 23. März 1934, Bundesgesetzblatt I, Nummer 197); in die Hauptschule wurden nur Schüler aufgenommen, „die von der Volksschule zum Aufsteigen in die Hauptschule als reif erklärt" wurden, die übrigen Schüler besuchten die „Abschlussklassen" der Volksschule (die den zweiten Klassenzug ersetzten). Parallelismus in den Lehrplänen von Hauptschule und Untermittelschule wurden beseitigt, der Übertritt damit besonders mit Bezug auf den unterschiedlich einsetzenden Fremdsprachenunterricht nahezu unmöglich gemacht.  
 
Die Bildungspolitik des autoritären Regimes (1934-1938) machte die Hauptschule zu einer einzigen „Ausleseschule" mit konservativ-rückschrittlichem Charakter (Verordnung der Bundesregierung vom 23. März 1934, Bundesgesetzblatt I, Nummer 197); in die Hauptschule wurden nur Schüler aufgenommen, „die von der Volksschule zum Aufsteigen in die Hauptschule als reif erklärt" wurden, die übrigen Schüler besuchten die „Abschlussklassen" der Volksschule (die den zweiten Klassenzug ersetzten). Parallelismus in den Lehrplänen von Hauptschule und Untermittelschule wurden beseitigt, der Übertritt damit besonders mit Bezug auf den unterschiedlich einsetzenden Fremdsprachenunterricht nahezu unmöglich gemacht.  
  
Die [[Nationalsozialismus|Nationalsozialisten]] setzten ab 1938 Maßnahmen zur Gleichschaltung und nationalsozialistischer Ausrichtung des Schulsystems (Angleichung an das Schulsystem des Deutschen Reichs beginnend mit dem Schuljahr 1939/1940. Da die Funktion der Hauptschule im österreichischen Schulsystem ab 1934 der deutschen Realschule ähnelte und die inbegriffene vormilitärische Ausbildung inkludierte trat die vierklassige Hauptschule ab 1940 im gesamten Deutschen Reich an die Stelle der Mittelschule (Verordnungsblatt für den Dienstbereich des Ministeriums für innere und kulturelle Angelegenheiten vom 15. Juli 1939, S. 112). Generelles Unterrichtsprinzip wurde die "wehrgeistige Erziehung". Dies erlaubte der [[HJ]] weitgehende Eingriffe in den Schulalltag. Der Hauptschule wurde aufgetragen, eine „nationalsozialistische Berufshaltung vorzubereiten" und die „Ausrichtung des Lebens nach der germanisch-deutschen Wertordnung" anzubahnen; Erziehungsziel war die „Formung des nationalsozialistischen Menschen", Unterrichtsschwerpunkte lagen in den mathematisch-naturwissenschaftlichen sowie technisch-werklichen Fächern und in der Leibeserziehung.  
+
Die [[Nationalsozialismus|Nationalsozialisten]] setzten ab 1938 Maßnahmen zur Gleichschaltung und nationalsozialistischer Ausrichtung des Schulsystems (Angleichung an das Schulsystem des Deutschen Reichs beginnend mit dem Schuljahr 1939/1940. Da die Funktion der Hauptschule im österreichischen Schulsystem ab 1934 der deutschen Realschule ähnelte und die inbegriffene vormilitärische Ausbildung inkludierte trat die vierklassige Hauptschule ab 1940 im gesamten Deutschen Reich an die Stelle der Mittelschule (Verordnungsblatt für den Dienstbereich des Ministeriums für innere und kulturelle Angelegenheiten vom 15. Juli 1939, S. 112). Generelles Unterrichtsprinzip wurde die "wehrgeistige Erziehung". Dies erlaubte der [[HitlerjugendJ]] (HJ) weitgehende Eingriffe in den Schulalltag. Der Hauptschule wurde aufgetragen, eine „nationalsozialistische Berufshaltung vorzubereiten" und die „Ausrichtung des Lebens nach der germanisch-deutschen Wertordnung" anzubahnen; Erziehungsziel war die „Formung des nationalsozialistischen Menschen", Unterrichtsschwerpunkte lagen in den mathematisch-naturwissenschaftlichen sowie technisch-werklichen Fächern und in der Leibeserziehung.  
  
 
==Zweite Republik==
 
==Zweite Republik==

Version vom 30. September 2021, 13:47 Uhr

Daten zum Eintrag
Datum von 1927
Datum bis 2018
Objektbezug
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
Export RDF-Export (Resource Description Framework) RDF
Recherche
Letzte Änderung am 30.09.2021 durch WIEN1.lanm08wei

Es wurden noch keine Bezeichnungen erfasst!


Die ältere "Hauptschule"

Hauptschule, erstmals in der von Johann Ignaz Felbiger 1774 entworfenen „Allgemeinen Schulordnung für die deutschen Normal-, Haupt- und Trivialschulen in sämmtlichen kaiserlich-königlichen Erblanden" erwähnt, waren die Hauptschulen in größeren Städten dreiklassig; sie dienten nach erfolgreicher ausgezeichneter Absolvierung der Trivialschule der Festigung der Kenntnisse in den Hauptfächern und dem Unterricht in Realienkunde (Geschichte, Geographie, Physik, Wirtschaft, Naturkunde); Lehramtskandidaten wurden auch in Hauptschulen ausgebildet (Normalschule). Nach der Politischen Schulverfassung von 1805 konnten die Hauptschulen auch vierklassig geführt werden; die dreiklassigen Hauptschulen verloren am Realienunterricht. 1829 gab es in Wien 11 Hauptschulen. 1848 bestanden 14 vierklassige städtische Hauptschulen für Knaben, weitere 4 Pfarr-Hauptschulen wurden in diesem Jahr vom Staat übernommen. Für Mädchen bestanden eine vierklassige Hauptschule die von den Ursulinerinnen geführt wurde und das fünfklassige k.k. Civil-Mädchen-Pensionat. Eine k.k. Musterhauptschule wurde in der Stadt bei St. Anna geführt. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erhielten die besten und Schüler Buchprämien.[1]

Die Hauptschulreform 1927

Zwischen 1869 (Reichsvolksschulgesetz [14. Mai 1869]) und 1927 bildete die Bürgerschule neben der Oberstufe der Volksschule die Pflichtschule für die Zehn- bis Vierzehnjährigen. Das Bundesgesetz vom 2. August 1927 (Bundesgesetzblatt Nummer 245) betreffend die Abänderung einiger Bestimmungen des Reichsvolksschulgesetzes sah für die vierklassige Oberstufe der allgemeinen Volksschule die Bezeichnung Hauptschule vor (Definierung des Bildungsziels im § 17 [die Hauptschule hat eine über das Lehrziel der Volksschule hinausreichende Bildung zu gewähren und die Schüler auf das praktische Leben oder den Eintritt in Fachschulen vorzubereiten, aber fähigen Schülern auch den Übertritt in die Mittelschule zu ermöglichen]).

Während 1925/26 207 Bürgerschulen mit 1.618 Klassen bestanden (durchschnittliche Klassenstärke 32) existierten im Schuljahr 1935/36 in Wien 212 Hauptschulen mit 1.789 Klassen. Die durchschnittliche Klassenstärke betrug 35.[2]

Die Hauptschule schloss an die Volksschule an und umfasste vier aufsteigende Klassen, wobei sie in der Regel in zwei die Begabung der Schüler berücksichtigenden Klassenzügen geführt wurde; ab der zweiten Klasse wurde eine Fremdsprache unterrichtet. Infolge des Hauptschulgesetzes wurden die Bildungsmöglichkeiten im Pflichtschulbereich angehoben. Mit Ausnahme der Unterstufe des Humanistischen Gymnasiums gingen die Lehrpläne der Allgemeinbildenden Höheren Schulen und der Hauptschule nun parallel, ein Erfolg der Schulreformbewegung. Zudem diente die Hauptschule als Vorbereitung auf die Lehrerinnen- und Lehrerbildungsanstalten.

Hauptschule im autoritären Staat

Die Bildungspolitik des autoritären Regimes (1934-1938) machte die Hauptschule zu einer einzigen „Ausleseschule" mit konservativ-rückschrittlichem Charakter (Verordnung der Bundesregierung vom 23. März 1934, Bundesgesetzblatt I, Nummer 197); in die Hauptschule wurden nur Schüler aufgenommen, „die von der Volksschule zum Aufsteigen in die Hauptschule als reif erklärt" wurden, die übrigen Schüler besuchten die „Abschlussklassen" der Volksschule (die den zweiten Klassenzug ersetzten). Parallelismus in den Lehrplänen von Hauptschule und Untermittelschule wurden beseitigt, der Übertritt damit besonders mit Bezug auf den unterschiedlich einsetzenden Fremdsprachenunterricht nahezu unmöglich gemacht.

Die Nationalsozialisten setzten ab 1938 Maßnahmen zur Gleichschaltung und nationalsozialistischer Ausrichtung des Schulsystems (Angleichung an das Schulsystem des Deutschen Reichs beginnend mit dem Schuljahr 1939/1940. Da die Funktion der Hauptschule im österreichischen Schulsystem ab 1934 der deutschen Realschule ähnelte und die inbegriffene vormilitärische Ausbildung inkludierte trat die vierklassige Hauptschule ab 1940 im gesamten Deutschen Reich an die Stelle der Mittelschule (Verordnungsblatt für den Dienstbereich des Ministeriums für innere und kulturelle Angelegenheiten vom 15. Juli 1939, S. 112). Generelles Unterrichtsprinzip wurde die "wehrgeistige Erziehung". Dies erlaubte der HitlerjugendJ (HJ) weitgehende Eingriffe in den Schulalltag. Der Hauptschule wurde aufgetragen, eine „nationalsozialistische Berufshaltung vorzubereiten" und die „Ausrichtung des Lebens nach der germanisch-deutschen Wertordnung" anzubahnen; Erziehungsziel war die „Formung des nationalsozialistischen Menschen", Unterrichtsschwerpunkte lagen in den mathematisch-naturwissenschaftlichen sowie technisch-werklichen Fächern und in der Leibeserziehung.

Zweite Republik

Nach dem Zweiten Weltkrieg griff man auf die Hauptschullehrpläne von 1928 zurück; mit Verordnung vom 18. Oktober 1946 wurden neue Lehrpläne zur Erprobung angeordnet (eine Neuerung war der 1939 eingeführte Pflichtunterricht in einer modernen Fremdsprache). Auf Grund von Kriegszerstörungen bestand noch zu Beginn der 1950er Jahre in den Schulen Raummangel. So standen im Schuljahr 1950/51 nahezu ähnlich vielen Klassen wie in der Zwischenkriegszeit nur 160 Schulen zur Verfügung. Auch in der Folge nahm die Zahl der Hauptschulen ab, nun aber auf Grund rückläufiger Schülerzahlen.[3]

Aufgrund der Einführung der neunjährigen Schulpflicht und der Schaffung des Polytechnischen Lehrgangs (1962) erhielt die Hauptschule „Übergangscharakter". Zu Beginn der 1960er Jahre besuchten 62% der Schülerinnen und Schüler der 5. Schulstufe Hauptschulen, davon etwa zu gleichen Teilen die beiden Hauptschulzweige. 29% entfielen auf Allgemeinbildende Höhere Schulen und 9% auf Sonderschulen. In der Folge sank der Anteil der Hauptschülerinnen und -schüler auf 52% 1970 und 42% 1990.[4]

1970/1971 begannen umfangreiche Versuche zur integrierten Gesamtschule. Nach der siebten Schulordnungsgesetzesnovelle (Bundesgesetzblatt 365/1982) soll in der (Neuen) Hauptschule die Förderung der Schüler durch Leistungsgruppen in den Gegenständen Deutsch, Lebende Fremdsprache und Mathematik erfolgen; in den übrigen Pflichtfächern werden alle Schüler nach gleichem Lehrplan unterrichtet. Seit 1985 ist die einheitliche Voraussetzung für die Aufnahme in die Hauptschule der erfolgreiche Abschluss der vierten Volksschulklasse; alle Schüler der Hauptschule haben dieselben Pflichtgegenstände zu besuchen; es wurden Schwerpunkt-Hauptschulen eingeführt (Sport-, Musik-, Fremdensprachen-Hauptschule sowie Hauptschule mit musisch-kreativem Schwerpunkt).

Ein deutlicher sozialer Gradient lässt sich in der regionalen Verteilung der Besucher von Hauptschulen erkennen. So besuchten schon 1960/61 37% der Schülerinnen und Schüler der Schulstufen 5 bis 8 im 1. Bezirk Hauptschulen und 33% im 8. Bezirk. Hingegen lagen die entsprechenden Anteile im 10. Bezirk bei 80%, im 20. und 23. bei 85% und im 22. bei 93%. Zu Beginn der 1990er Jahre war der Anteil der Hauptschülerinnen und -schüler im Bezirk mit 11% sehr gering, im 8. und 13. mit 22% sowie im 19. mit 26% weit unterdurchschnittlich. Die höchsten Anteile mit 65-72% verzeichneten der 11. und 20. Bezirk. In einigen Bezirken wie dem 23. Bezirk, die durch Zuwanderung einkommensstarker Schichten gekennzeichnet waren, fiel der Rückgang der Hauptschulanteile besonders deutlich aus.[5]

Von der Neuen Hauptschule zur Neuen Mittelschule

Im Bemühen um Angleichung der Bildungsmöglichkeiten der 10 bis 14 Jährigen wurde ab den 1980er Jahren in Form der Neuen Hauptschule Schulversuche durchgeführt. Mittelfristig führte das zum zunächst ab 2008 als Schulversuch, ab Herbst 2012 als Regelschule eingeführten Neuen Mittelschule (Schulorganisationsgesetz §3 und §21a-g) . Nach der neuen Regelung wurden alle Hauptschulen Schritt für Schritt durch Neue Mittelschulen ersetzt. Während im Schuljahr 2011/12 noch lediglich 24 Neue Mittelschulen bestanden, waren es daher 2018/19 131.[6].

Literatur

  • Oskar Achs / Peter Pokay: Schulen in Wien - Entwicklungs- und Strukturdaten, in: Statistische Mitteilungen der Stadt Wien 1989 Heft 2, Wien: Statistisches Amt der Stadt Wien 1989, S. 3-18.
  • Oskar Achs / Peter Pokay: Schulen in Wien - Innere Struktur des Schulwesens, in: Statistische Mitteilungen der Stadt Wien 1992 Heft 3, Wien: Statistisches Amt der Stadt Wien 1992, S. 3-21.
  • Helmut Brandauer: Die Konzeption der österreichischen Hauptschule. Geschichtliche Entwicklung und Lehrplananalyse. Wien: Ketterl [1970]
  • Ernst Gerhard Eder: Schüler/innen, Schulen und Bildungspolitiken seit 1770. In: Andreas Weigl / Peter Eigner / Ernst Gerhard Eder [Hg.]: Sozialgeschichte Wiens 1740-2010. Soziale und ökonomische Ungleichheiten, Wanderungsbewegungen, Hof, Bürokratie, Schule, Theater (Geschichte der Stadt Wien 8). Innsbruck / Wien / Bozen: StudienVerlag 2015, 585-780.
  • Helmut Engelbrecht: Geschichte des österreichischen Bildungswesens. Bd. 3, Wien 1984
  • Otto Habla: Die Übernahme der österreichischen Schulformen in das Deutsche Reich. Die Hauptschule 1938-1945. Wien: Ketterl [1970]
  • Renate Seebauer: Zur Konzeption der Pflichtschule der 10- bis 14-Jährigen vom Reichsvolksschulgesetz bis 1945, mit besonderer Berücksichtigung Wiens. In: Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien 40 (1984), S. 122-169.
  • Statistisches Jahrbuch der Stadt Wien 2020. Wien: Magistratsabteilung Wirtschaft, Arbeit und Statistik 2020

Einzelnachweise:

  1. Helmut Engelbrecht: Geschichte des österreichischen Bildungswesens. Bd. 3, Wien 1984, S. 238.
  2. Oskar Achs / Peter Pokay: Schulen in Wien - Entwicklungs- und Strukturdaten, in: Statistische Mitteilungen der Stadt Wien 1989 Heft 2, Wien: Statistisches Amt der Stadt Wien 1989, S. 14.
  3. Oskar Achs / Peter Pokay: Schulen in Wien - Entwicklungs- und Strukturdaten, in: Statistische Mitteilungen der Stadt Wien 1989 Heft 2, Wien: Statistisches Amt der Stadt Wien 1989, S. 14.
  4. Oskar Achs / Peter Pokay: Schulen in Wien - Innere Struktur des Schulwesens, in: Statistische Mitteilungen der Stadt Wien 1992 Heft 3, Wien: Statistisches Amt der Stadt Wien, S. 6.
  5. Oskar Achs / Peter Pokay: Schulen in Wien - Innere Struktur des Schulwesens, in: Statistische Mitteilungen der Stadt Wien 1992 Heft 3, Wien: Statistisches Amt der Stadt Wien 1992, S. 10 f.
  6. Statistisches Jahrbuch der Stadt Wien 2020. Wien: Magistratsabteilung Wirtschaft, Arbeit und Statistik 2020