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+ | Gustav Marchet, * 29. Mai 1846 Baden, † 27. April 1916 Schlackenwerth, Böhmen (Ostrov, Tschechische Republik), Jurist, Politiker. | ||
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+ | ==Biografie== | ||
+ | Der Sohn eines Apothekers in Baden studierte nach der Gymnasialzeit in Kremsmünster (Oberösterreich) Rechtswissenschaften an den Universitäten [[Universität Wien|Wien]] und Graz, wo er 1869 zum Dr. iur. promovierte. Noch vor Abschluss seines Studiums engagierte ihn die [[Forstakademie Mariabrunn]] als Vortragenden für die administrativen Fächer. Ab 1870 wirkte er dort als Honorardozent für Forstrecht. 1872 wurde er zudem an die neu gegründete [[Universität für Bodenkultur|Hochschule für Bodenkultur]] berufen, in die die Forstakademie einige Jahre später aufging. Hier lehrte er zunächst Agrarrecht, avancierte 1875 zum außerordentlichen Hochschulprofessor sowie 1883 zum Ordinarius für Verwaltungs- und Rechtslehre. In den Jahren 1884/1885, 1892/1893 sowie 1905/1906 fungierte er als Rektor der Institution. | ||
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+ | Zudem war der Agrarrechtsexperte als juristischer Gutachter für das Ackerbau- und Justizministerium tätig. Ein besonderes Interesse Marchets galt dem landwirtschaftlichen Genossenschaftswesen; er stand in regem Austausch mit [[Friedrich Wilhelm Raiffeisen]] und warb für dessen Ideen in Österreich. In zahlreichen Publikationen befasste er sich mit Rechts- und Organisationsfragen der Landwirtschaft sowie arbeitsrechtlichen Materien. | ||
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+ | 1891 bewarb sich Marchet in Niederösterreich erfolgreich für ein Mandat im [[Haus der Abgeordneten]] des [[Reichsrat]]s, das er 1897 verlor, aber 1901 zurückgewinnen konnte. Gehörte er zunächst der Fraktion der liberal-großbürgerlich dominierten Vereinigten Deutschen Linken an, schloss er sich ab 1901 dem Klub der Deutschen Fortschrittspartei (auch: "Deutschfortschrittliche") an, als dessen Vorstandsmitglied er 1901 bis 1906 fungierte. Als Abgeordneter beschäftigte er sich besonders mit Agrarfragen und sozialpolitischen Themen wie die Einführung der Alters- und Invalidenversicherung für Privatbeamte (heute: Angestellte) oder die Regelung der rechtlichen Stellung der Bediensteten von Privatgütern. 1907 schied er aus dem Abgeordnetenhaus aus und wurde noch im gleichen Jahr zum Mitglied des [[Herrenhaus]]es auf Lebenszeit ernannt. Von 1902 bis 1908 gehörte er auch dem [[Niederösterreichischer Landtag|Niederösterreichischen Landtag]] an. | ||
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+ | Im Juni 1906 avancierte der Jurist zum Minister für Kultus und Unterricht im Kabinett [[Max Wladimir von Beck|Beck]] ernannt. Zu den wichtigsten Leistungen seiner bis November 1908 dauernden Amtszeit zählt eine Reform des [[Mittelschule|Mittelschulwesens]] etwa durch Einführung von Schultypen mit stärkerem naturwissenschaftlichen Schwerpunkt (reformiertes [[Realgymnasium]]) sowie einer Prüfungsordnung für die Matura. Außerdem spielte er eine wesentliche Rolle bei der Verstaatlichung des Konservatoriums der [[Gesellschaft der Musikfreunde]] in eine Akademie (heute: [[Universität für Musik und darstellende Kunst Wien]]). 1908 erwarb das Unterrichtsministerium [[Gustav Klimt]]s Gemälde "Der Kuss", das bis heute zu den wichtigsten Werken der [[Österreichische Galerie Belvedere|Österreichischen Galerie Belvedere]] zählt. | ||
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+ | Darüber hinaus übernahm Marchet zahlreiche Funktionen im Bereich der Bildung, Wissenschaften und Künste. Er wirkte unter anderem als Präsident der [[Handelsakademie (Gebäude)|Wiener Handelsakademie]] und der Gesellschaft der Musikfreunde, als Obmann des Wiener Goethevereins oder als Obmann-Stellvertreter der Grillparzergesellschaft. Er starb vielfach ausgezeichnet - so ist er bis heute der einzige Ehrenprofessor der nunmehrigen Universität für Bodenkultur in Wien - 1916 an einem während einer Jagd erlittenen Schlaganfall. Seine jüngste Tochter war die Frauenrechtsaktivistin [[Ludovica Hainisch-Marchet]]. | ||
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+ | ==Literatur== | ||
+ | * Österreichisches biographisches Lexikon 1815–1950. Hg. von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Band 6: Maier] Stefan - Musger August. Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 1975, S. 70 | ||
+ | * [https://boku.ac.at/fileadmin/data/H01000/H10090/H10400/H10420/Geschichte/Rektoren/Marchet_HP_neu.pdf Manfried Welan: Gustav Marchet. In: Universität für Bodenkultur: Rektor*innen] [Stand: 08.09.2021] | ||
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+ | ==Weblinks== | ||
+ | * [https://www.musiklexikon.ac.at/ml/musik_M/Marchet_Gustav.xml Oesterreichisches Musiklexikon: Marchet, Gustav] | ||
+ | * [https://www.parlament.gv.at/WWER/PARL/J1848/Marchet.shtml Parlament: Marchet, Gustav] | ||
+ | * [https://austria-forum.org/af/Biographien/Marchet%2C_Gustav Austria-Forum: Marchet, Gustav] | ||
+ | * [https://www.deutsche-biographie.de/pnd129095648.html Deutsche Biographie: Marchet, Gustav |
Aktuelle Version vom 3. November 2023, 11:09 Uhr
Gustav Marchet, * 29. Mai 1846 Baden, † 27. April 1916 Schlackenwerth, Böhmen (Ostrov, Tschechische Republik), Jurist, Politiker.
Biografie
Der Sohn eines Apothekers in Baden studierte nach der Gymnasialzeit in Kremsmünster (Oberösterreich) Rechtswissenschaften an den Universitäten Wien und Graz, wo er 1869 zum Dr. iur. promovierte. Noch vor Abschluss seines Studiums engagierte ihn die Forstakademie Mariabrunn als Vortragenden für die administrativen Fächer. Ab 1870 wirkte er dort als Honorardozent für Forstrecht. 1872 wurde er zudem an die neu gegründete Hochschule für Bodenkultur berufen, in die die Forstakademie einige Jahre später aufging. Hier lehrte er zunächst Agrarrecht, avancierte 1875 zum außerordentlichen Hochschulprofessor sowie 1883 zum Ordinarius für Verwaltungs- und Rechtslehre. In den Jahren 1884/1885, 1892/1893 sowie 1905/1906 fungierte er als Rektor der Institution.
Zudem war der Agrarrechtsexperte als juristischer Gutachter für das Ackerbau- und Justizministerium tätig. Ein besonderes Interesse Marchets galt dem landwirtschaftlichen Genossenschaftswesen; er stand in regem Austausch mit Friedrich Wilhelm Raiffeisen und warb für dessen Ideen in Österreich. In zahlreichen Publikationen befasste er sich mit Rechts- und Organisationsfragen der Landwirtschaft sowie arbeitsrechtlichen Materien.
1891 bewarb sich Marchet in Niederösterreich erfolgreich für ein Mandat im Haus der Abgeordneten des Reichsrats, das er 1897 verlor, aber 1901 zurückgewinnen konnte. Gehörte er zunächst der Fraktion der liberal-großbürgerlich dominierten Vereinigten Deutschen Linken an, schloss er sich ab 1901 dem Klub der Deutschen Fortschrittspartei (auch: "Deutschfortschrittliche") an, als dessen Vorstandsmitglied er 1901 bis 1906 fungierte. Als Abgeordneter beschäftigte er sich besonders mit Agrarfragen und sozialpolitischen Themen wie die Einführung der Alters- und Invalidenversicherung für Privatbeamte (heute: Angestellte) oder die Regelung der rechtlichen Stellung der Bediensteten von Privatgütern. 1907 schied er aus dem Abgeordnetenhaus aus und wurde noch im gleichen Jahr zum Mitglied des Herrenhauses auf Lebenszeit ernannt. Von 1902 bis 1908 gehörte er auch dem Niederösterreichischen Landtag an.
Im Juni 1906 avancierte der Jurist zum Minister für Kultus und Unterricht im Kabinett Beck ernannt. Zu den wichtigsten Leistungen seiner bis November 1908 dauernden Amtszeit zählt eine Reform des Mittelschulwesens etwa durch Einführung von Schultypen mit stärkerem naturwissenschaftlichen Schwerpunkt (reformiertes Realgymnasium) sowie einer Prüfungsordnung für die Matura. Außerdem spielte er eine wesentliche Rolle bei der Verstaatlichung des Konservatoriums der Gesellschaft der Musikfreunde in eine Akademie (heute: Universität für Musik und darstellende Kunst Wien). 1908 erwarb das Unterrichtsministerium Gustav Klimts Gemälde "Der Kuss", das bis heute zu den wichtigsten Werken der Österreichischen Galerie Belvedere zählt.
Darüber hinaus übernahm Marchet zahlreiche Funktionen im Bereich der Bildung, Wissenschaften und Künste. Er wirkte unter anderem als Präsident der Wiener Handelsakademie und der Gesellschaft der Musikfreunde, als Obmann des Wiener Goethevereins oder als Obmann-Stellvertreter der Grillparzergesellschaft. Er starb vielfach ausgezeichnet - so ist er bis heute der einzige Ehrenprofessor der nunmehrigen Universität für Bodenkultur in Wien - 1916 an einem während einer Jagd erlittenen Schlaganfall. Seine jüngste Tochter war die Frauenrechtsaktivistin Ludovica Hainisch-Marchet.
Literatur
- Österreichisches biographisches Lexikon 1815–1950. Hg. von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Band 6: Maier] Stefan - Musger August. Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 1975, S. 70
- Manfried Welan: Gustav Marchet. In: Universität für Bodenkultur: Rektor*innen [Stand: 08.09.2021]
Weblinks
- Oesterreichisches Musiklexikon: Marchet, Gustav
- Parlament: Marchet, Gustav
- Austria-Forum: Marchet, Gustav
- [https://www.deutsche-biographie.de/pnd129095648.html Deutsche Biographie: Marchet, Gustav