Frauenwahlrecht: Unterschied zwischen den Versionen

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Das allgemeine Wahlrecht für Frauen in Österreich trat 1918 in Kraft. Seine Durchsetzung geht auf die Forderungen der bürgerlichen und proletarischen [[Frauenbewegung]] zurück. Bis dahin waren Frauen von politischen Aktivitäten und der Teilnahme am Vereinswesen weitgehend ausgeschlossen. Bei den ersten parlamentarischen Wahlen in Österreich, den Reichstagswahlen 1848, waren ausschließlich Männer wahlberechtigt. Im Verlauf des Revolutionsjahrs 1848 und im Zuge der demokratischen Bestrebungen wurde erstmals die Frage auch der Wahlberechtigung von Frauen diskutiert. Die Mehrheit der männlichen Abgeordneten befand allerdings, daß die Frauen ohnehin durch ihre Männer vertreten wären. Mit Ausnahme von einigen österreichischen Gemeinden, in denen im Zuge der Schaffung der Gemeindeautonomie 1849 beziehungsweise 1852 den selbständigen Steuerträgerinnen das aktive Wahlrecht (§ 30), nicht hingegen das passive Wahlrecht (§ 35) zuerkannt wurde (Wien zählte nicht zu diesen), blieb das Wahlrecht weiterhin das Vorrecht der Männer. „Wollte man" (wie es ein Zeitgenosse Ende der 40er Jahre formulierte) „die Weiber (zum aktiven Wahlrecht) zulassen, (...) so müßte man aus gleichem Grund auch die Kinder und Narren zulassen." Die Jahre des Neoabsolutismus bedeuteten das Ende jeglicher konstitutioneller und demokratischer Bestrebungen. Erst mit der Reichsverfassung 1861 ([[Februarpatent]], sub 2) wurde eine neue Wahlordnung für Länder und Gemeinden erlassen. Das Landtagswahlrecht war kein allgemeines Wahlrecht, sondern berücksichtigte nur die Steuerträger, weshalb es (unabhängig vom Geschlecht) von der Leistung einer Mindeststeuer abhängen sollte; der Niederösterreichische Landtag nahm den Regierungsentwurf, der das aktive Wahlrecht für eigenberechtigte steuerzahlende Frauen vorsah, mehrheitlich an, in den größeren Städten (darunter Wien und Prag) blieben die Frauen hingegen weiterhin vom Wahlrecht ausgeschlossen. Die Wahlrechtsreform 1873, die die direkte Volkswahl zum Abgeordnetenhaus einführte, brachte denjenigen Frauen, die Grundbesitzerinnen waren und das 24. Lebensjahr vollendet hatten, das aktive Wahlrecht für das Abgeordnetenhaus in der Wählerklasse des Großgrundbesitzes. - Im Zuge der Eingemeindung der Vororte kam es 1890 zur ersten politischen Frauenversammlung unter der Leitung von [[Auguste Fickert]] und [[Marie Schwarz]], auf der die Frage des Frauenwahlrechts auf Gemeindeebene diskutiert wurde. Da die Frauen in Wien kein Gemeindewahlrecht besaßen, drohte den Frauen in den Vororten durch die  Eingemeindung der Verlust ihres Wahlrechts. Eine Petition an den Niederösterreichischen Landtag auf Zuerkennung des Gemeindewahlrechts an die eigenberechtigten, steuerzahlenden Frauen Wiens blieb ohne Erfolg, doch wurde die Forderung in den folgenden Jahren in Petitionen an den Reichsrat und den Landtag wiederholt. In der hochliberalen und christlichsozialen Ära verstärkte sich die Tendenz, den Frauen diese Rechte wieder zu entziehen. Am 9. Juli 1893 fand eine Wahlrechtsdemonstration der Wiener Arbeiterschaft für alle Bürger statt (im selben Jahr gewährte Neuseeland als erstes Land der Welt Frauen das Wahlrecht), am 9. Dezember 1893 fand im Alten Rathaus eine allgemeine freie Frauenversammlung statt, an der bürgerliche und sozialdemokratische Vertreterinnen der Frauenbewegung teilnahmen (Beschluß einer Petition an den Reichsrat mit der Forderung des allgemeinen, gleichen und direkten Frauenwahlrechts). Die Wahlrechtsreform 1896 führte eine allgemeine Wählerklasse ein (§ 9a), in der alle eigenberechtigten männlichen Staatsbürger zum Reichsrat wahlberechtigt waren; die gemeinsamen Forderungen der bürgerlichen und proletarischen Frauen nach dem Wahlrecht fand keine Berücksichtigung. Die Frauenwahlrechtsbewegung verlor in den Folgejahren an Aktivitäten; bei den Vertreterinnen der bürgerlichen Frauenbewegung ist eine Erlahmung des Engagements festzustellen, die Aktivistinnen der proletarischen Frauenbewegung setzten sich hingegen vor allem für die Durchsetzung des Wahlrechts für Männer ein. Im Dezember 1905 wurde auf Anregung von Ernestine von Fürth das Frauenstimmrechtskomitee gegründet, das wieder das allgemeine Wahlrecht für beide Geschlechter forderte. Am 26. Jänner 1907 wurde das allgemeine gleiche Wahlrecht für Männer eingeführt; mit der Begründung, das Wahlrecht stelle ein Äquivalent für Wehrpflicht und andere öffentliche Pflichten dar, blieben Frauen wieder unberücksichtigt (selbst das Wahlrecht der Großgrundbesitzerinnen war durch eine Regierungsnovelle gefallen). Das Frauenstimmrechtskomitee suchte sich daraufhin als Verein zu konstituieren, doch scheiterte dies an der Ablehnung der Satzungen seitens der Niederösterreichischen Statthalterei, gegen die auch Berufungen erfolglos blieben. Im März 1911 fand in Wien eine Konferenz der inzwischen in verschiedenen Städten gegründeten Komitees statt; Fürth gab ab Jänner 1911 die „Zeitschrift für Frauenstimmrecht" heraus. Im Juni 1914 wurde in Wien die VIII. Generalkonferenz der Frauenstimmrechtsallianz abgehalten, am 28. April 1917 stand der sozialdemokratische Frauentag unter der Devise „Frauen und Frieden". In der ersten Sitzung des Abgeordnetenhauses seit Kriegsausbruch (am 30. Mai 1917) forderte der Sozialdemokrat [[Karl Seitz]] die volle staatsbürgerliche Gleichberchtigung der Frauen; im Wiener Gemeinderat hatte bereits im April 1917 der sozialdemokratische Gemeinderat [[Jakob Reumann]] das aktive und passive Frauenwahlrecht beantragt. Der im September 1918 veröffentlichte Entwurf einer neuen Gemeindewahlordnung für Wien sah die Bildung einer Frauenkurie vor. Im Oktober 1918 richteten bürgerliche und sozialdemokratische Frauenvereine eine gemeinsame Petition an die Nationalversammlung. Der am 3. Jänner 1918 einberufenen Frauenwahlrechtsversammlung schlossen sich erstmals auch katholische und nationale Frauenorganisationen an. Im November 1918 wurden aufgrund eines Parteienkompromisses provisorisch zwölf Frauen in den Gemeinderat berufen (fünf Sozialdemokraten, fünf Christlichsoziale, zwei Liberale); am 12. November 1918 beschloß die Nationalversammlung die Zuerkennung des aktiven und passiven Wahlrechts an alle volljährigen Staatsbürger ohne Unterschied des Geschlechts. Bei den parlamentarischen Wahlen am 16. Februar 1919 und bei den Gemeinderats-Wahlen am 4. Mai 1919 konnten Frauen erstmals kandidieren beziehungsweise wählen.
Österr. trat 1918 in Kraft. Seine Durchsetzung geht auf die
 
Forderungen der bürgerl. u. proletar. ->• Frauenbewegung
 
zurück. Bis dahin waren Frauen von polit. Aktivitäten u.
 
der Teilnahme am Vereinswesen weitgehend ausgeschlos-
 
sen. Bei den 1. Parlamentär. Wahlen in Österr., den
 
Reichstagswahlen 1848, waren ausschließl. Männer wahl-
 
berechtigt. Im Verlauf des Revolutionsjahrs 1848 u. im
 
Zuge der demokrat. Bestrebungen wurde erstm. die Frage
 
auch der Wahlberechtigung von Frauen diskutiert. Die
 
Mehrheit der männl. Abgeordneten befand allerdings, daß
 
die Frauen ohnehin durch ihre Männer vertreten wären.
 
Mit Ausnahme von einigen österr. Gemeinden, in denen
 
im Zuge der Schaffung der Gmde.autonomie 1849 bzw.
 
1852 den selbständ. Steuerträgerinnen das aktive Wahl-
 
recht (§ 30), nicht hingegen das passive Wahlrecht (§ 35)
 
zuerkannt wurde (W. zählte nicht zu diesen), blieb das
 
Wahlrecht weiterhin das Vorrecht der Männer. „Wollte
 
  
man" (wie es ein Zeitgenosse E. der 40er Jahre formu-
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==Literatur==
lierte) „die Weiber (zum aktiven Wahlrecht) zulassen, (...)
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*Elisabeth Freismuth, Die Frau im öflentl. Recht, in: Die Frau im Korsett (Kat. HM, 1985), 30IT.;  
so müßte man aus gleichem Grund auch die Kinder u.
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*Seliger-Ucakar 2, 974, 1125.;  
Narren zulassen." Die Jahre des Neoabsolutismus bedeu-
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*Karl Ucakar, Demokratie u. Wahlrecht in Österr. Zur Entwicklung von polit. Partizipation u. staatl. Legitimationspolitik (1985);  
 
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*Erika Weinzierl, Emanzipation? Österr. Frauen im 20. Jh. (1975);  
teten das Ende jegl. konstitutioneller u. demokrat. Bestre-
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*Brigitte Zaar, Dem Mann die Politik, der Frau die Familie- die Gegner des polit. Frauenstimmrechts in Österr. (1848-1918), in: Österr. Zs. für Politikwiss. 4 (1987), 351 fT.
bungen. Erst mit der Reichsverf. 1861 (-» Februarpatent,
 
sub 2) wurde eine neue Wahlordnung für Länder u.
 
Gmde.n erlassen. Das Landtagswahlrecht war kein allg.
 
Wahlrecht, sondern berücksichtigte nur die Steuerträger,
 
weshalb es (unabhängig vom Geschlecht) von der Leistung
 
einer Mindeststeuer abhängen sollte; der Nö. Landtag
 
nahm den Regg.entwurf, der das aktive Wahlrecht für
 
eigenberechtigte steuerzahlende Frauen vorsah, mehrheitl.
 
an, in den größeren Städten (dar. W. u. Prag) blieben die
 
Frauen hingegen weiterhin vom Wahlrecht ausgeschlos-
 
sen. Die Wahlrechtsreform 1873, die die direkte Volks-
 
wahl zum Abgeordnetenhaus einführte, brachte denjeni-
 
gen Frauen, die Grundbesitzerinnen waren u. das 24. Le-
 
bensjahr vollendet hatten, das aktive Wahlrecht für das
 
Abgeordnetenhaus in der Wählerklasse des Großgrundbe-
 
sitzes. - Im Zuge der Eingemeindung der Vororte kam es
 
1890 zur 1. polit. Frauenversammlung unter der Ltg. von
 
Auguste -»• Fickert u. Marie Schwarz, auf der die Frage
 
des F.s auf Gmde.ebene diskutiert wurde. Da die Frauen
 
in W. kein Gmde.wahlrecht besaßen, drohte den Frauen
 
in den Vororten durch die Eingemeindung der Verlust
 
ihres Wahlrechts. Eine Petition an den Nö. Landtag auf
 
Zuerkennung des Gmde.wahlrechts an die eigenberechtig-
 
ten, steuerzahlenden Frauen W.s. blieb ohne Erfolg, doch
 
wurde die Forderung in den folgenden Jahren in Petitio-
 
nen an den Reichsrat u. den Landtag wiederholt. In der
 
hochliberalen u. chrsoz. Ära verstärkte sich die Tendenz,
 
den Frauen diese Rechte wieder zu entziehen. Am 9. 7.
 
1893 fand eine Wahlrechtsdemonstration der Wr. Arbei-
 
terschaft für alle Bürger statt (im selben Jahr gewährte
 
Neuseeland als 1. Land der Welt Frauen das Wahlrecht),
 
am 9. 12. 1893 fand im Alten Rathaus eine allg. freie Frau-
 
enversammlung statt, an der bürgerl. u. sozdem. Vertrete-
 
 
 
rinnen der Frauenbewegung teilnahmen (Beschluß einer
 
Petition an den Reichsrat mit der Forderung des allg.,
 
gleichen u. direkten F.s). Die Wahlrechtsreform 1896
 
 
 
führte eine allg. Wählerklasse ein (§ 9a), in der alle eigen-
 
berechtigten männl. Staatsbürger zum Reichsrat wahlbe-
 
rechtigt waren; die gemeinsamen Forderungen der bür-
 
gerl. u. proletar. Frauen nach dem Wahlrecht fand keine
 
Berücksichtigung. Die F.bewegung verlor in den Folgejah-
 
ren an Aktivitäten; bei den Vertreterinnen der bürgerl.
 
Frauenbewegung ist eine Erlahmung des Engagements
 
festzustellen, die Aktivistinnen der proletar. Frauenbewe-
 
gung setzten sich hingegen v. a. für die Durchsetzung des
 
Wahlrechts für Männer ein. Im Dez. 1905 wurde auf An-
 
regung von Ernestine v. Fürth das Frauenstimmrechtsko-
 
mitee gegr., das wieder das allg. Wahlrecht für beide Ge-
 
schlechter forderte. Am 26. 1. 1907 wurde das allg. gleiche
 
Wahlrecht für Männer eingeführt; mit der Begründung,
 
das Wahlrecht stelle ein Äquivalent für Wehrpflicht u. an-
 
dere öffentl. Pflichten dar, blieben Frauen wieder unbe-
 
rücksichtigt (selbst das Wahlrecht der Großgrundbesitze-
 
rinnen war durch eine Regg.novelle gefallen). Das Frauen-
 
stimmrechtskomitee suchte sich daraufhin als Verein zu
 
konstituieren, doch scheiterte dies an der Ablehnung der
 
Satzungen seitens der Nö. Statthalterei, gegen die auch
 
Berufungen erfolglos blieben. Im März 1911 fand in W.
 
eine Konferenz der inzw. in versch. Städten gegr. Komi-
 
tees statt; Fürth gab ab Jänn. 1911 die „Zs. für Frauen-
 
stimmrecht" heraus. Im Juni 1914 wurde in W. die VIII.
 
Generalkonferenz der Frauenstimmrechtsallianz abgehal-
 
ten, am 28. 4. 1917 stand der sozdem. Frauentag unter der
 
Devise „F. u. Frieden". In der I. Sitzung des Abgeordne-
 
tenhauses seit Kriegsausbruch (am 30.5. 1917) forderte
 
der Sozdem. Karl ->• Seitz die volle staatsbürgerl. Gleich-
 
berchtigung der Frauen; im Wr. GR hatte bereits im Apr.
 
1917 der sozdem. GR Jakob -»• Reumann das aktive u.
 
passive F. beantragt. Der im Sept. 1918 veröffentlichte
 
Entwurf einer neuen Gmde.wahlordnung für W. sah die
 
Bildung einer Frauenkurie vor. Im Okt. 1918 richteten
 
bürgerl. u. sozdem. Frauenvereine eine gemeinsame Peti-
 
tion an die Nationalversammlung. Der am 3. 1. 1918 ein-
 
berufenen F.versammlung schlössen sich erstm. auch kath.
 
u. nat. Frauenorganisationen an. Im Nov. 1918 wurden
 
aufgrund eines Parteienkompromisses prov. 12 Frauen in
 
den GR berufen (5 Sozdem., 5 Chrsoz., 2 Liberale); am
 
12. 11. 1918 beschloß die Nationalversammlung die Zuer-
 
kennung des aktiven u. passiven Wahlrechts an alle voll-
 
jähr. Staatsbürger ohne Unterschied des Geschlechts. Bei
 
den Parlamentär. Wahlen am 16. 2. 1919 u. bei den GR-
 
Wahlen am 4. 5. 1919 konnten Frauen erstm. kandidieren
 
bzw. wählen. (Sylvia Hahn)
 
Lit.: Elisabeth Freismuth, Die Frau im öflentl. Recht, in: Die
 
Frau im Korsett (Kat. HM, 1985), 30IT.; Seliger-Ucakar 2, 974,
 
1125.; Karl Ucakar, Demokratie u. Wahlrecht in Österr. Zur Ent-
 
wicklung von polit. Partizipation u. staatl. Legitimationspolitik
 
(1985); Erika Weinzierl, Emanzipation? Österr. Frauen im 20. Jh.
 
(1975); Brigitte Zaar, Dem Mann die Politik, der Frau die Familie
 
- die Gegner des polit. Frauenstimmrechts in Österr. (1848-1918),
 
in: Österr. Zs. für Politikwiss. 4 (1987), 351 fT.
 

Version vom 24. September 2013, 02:08 Uhr

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Datum von 1918
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Das allgemeine Wahlrecht für Frauen in Österreich trat 1918 in Kraft. Seine Durchsetzung geht auf die Forderungen der bürgerlichen und proletarischen Frauenbewegung zurück. Bis dahin waren Frauen von politischen Aktivitäten und der Teilnahme am Vereinswesen weitgehend ausgeschlossen. Bei den ersten parlamentarischen Wahlen in Österreich, den Reichstagswahlen 1848, waren ausschließlich Männer wahlberechtigt. Im Verlauf des Revolutionsjahrs 1848 und im Zuge der demokratischen Bestrebungen wurde erstmals die Frage auch der Wahlberechtigung von Frauen diskutiert. Die Mehrheit der männlichen Abgeordneten befand allerdings, daß die Frauen ohnehin durch ihre Männer vertreten wären. Mit Ausnahme von einigen österreichischen Gemeinden, in denen im Zuge der Schaffung der Gemeindeautonomie 1849 beziehungsweise 1852 den selbständigen Steuerträgerinnen das aktive Wahlrecht (§ 30), nicht hingegen das passive Wahlrecht (§ 35) zuerkannt wurde (Wien zählte nicht zu diesen), blieb das Wahlrecht weiterhin das Vorrecht der Männer. „Wollte man" (wie es ein Zeitgenosse Ende der 40er Jahre formulierte) „die Weiber (zum aktiven Wahlrecht) zulassen, (...) so müßte man aus gleichem Grund auch die Kinder und Narren zulassen." Die Jahre des Neoabsolutismus bedeuteten das Ende jeglicher konstitutioneller und demokratischer Bestrebungen. Erst mit der Reichsverfassung 1861 (Februarpatent, sub 2) wurde eine neue Wahlordnung für Länder und Gemeinden erlassen. Das Landtagswahlrecht war kein allgemeines Wahlrecht, sondern berücksichtigte nur die Steuerträger, weshalb es (unabhängig vom Geschlecht) von der Leistung einer Mindeststeuer abhängen sollte; der Niederösterreichische Landtag nahm den Regierungsentwurf, der das aktive Wahlrecht für eigenberechtigte steuerzahlende Frauen vorsah, mehrheitlich an, in den größeren Städten (darunter Wien und Prag) blieben die Frauen hingegen weiterhin vom Wahlrecht ausgeschlossen. Die Wahlrechtsreform 1873, die die direkte Volkswahl zum Abgeordnetenhaus einführte, brachte denjenigen Frauen, die Grundbesitzerinnen waren und das 24. Lebensjahr vollendet hatten, das aktive Wahlrecht für das Abgeordnetenhaus in der Wählerklasse des Großgrundbesitzes. - Im Zuge der Eingemeindung der Vororte kam es 1890 zur ersten politischen Frauenversammlung unter der Leitung von Auguste Fickert und Marie Schwarz, auf der die Frage des Frauenwahlrechts auf Gemeindeebene diskutiert wurde. Da die Frauen in Wien kein Gemeindewahlrecht besaßen, drohte den Frauen in den Vororten durch die Eingemeindung der Verlust ihres Wahlrechts. Eine Petition an den Niederösterreichischen Landtag auf Zuerkennung des Gemeindewahlrechts an die eigenberechtigten, steuerzahlenden Frauen Wiens blieb ohne Erfolg, doch wurde die Forderung in den folgenden Jahren in Petitionen an den Reichsrat und den Landtag wiederholt. In der hochliberalen und christlichsozialen Ära verstärkte sich die Tendenz, den Frauen diese Rechte wieder zu entziehen. Am 9. Juli 1893 fand eine Wahlrechtsdemonstration der Wiener Arbeiterschaft für alle Bürger statt (im selben Jahr gewährte Neuseeland als erstes Land der Welt Frauen das Wahlrecht), am 9. Dezember 1893 fand im Alten Rathaus eine allgemeine freie Frauenversammlung statt, an der bürgerliche und sozialdemokratische Vertreterinnen der Frauenbewegung teilnahmen (Beschluß einer Petition an den Reichsrat mit der Forderung des allgemeinen, gleichen und direkten Frauenwahlrechts). Die Wahlrechtsreform 1896 führte eine allgemeine Wählerklasse ein (§ 9a), in der alle eigenberechtigten männlichen Staatsbürger zum Reichsrat wahlberechtigt waren; die gemeinsamen Forderungen der bürgerlichen und proletarischen Frauen nach dem Wahlrecht fand keine Berücksichtigung. Die Frauenwahlrechtsbewegung verlor in den Folgejahren an Aktivitäten; bei den Vertreterinnen der bürgerlichen Frauenbewegung ist eine Erlahmung des Engagements festzustellen, die Aktivistinnen der proletarischen Frauenbewegung setzten sich hingegen vor allem für die Durchsetzung des Wahlrechts für Männer ein. Im Dezember 1905 wurde auf Anregung von Ernestine von Fürth das Frauenstimmrechtskomitee gegründet, das wieder das allgemeine Wahlrecht für beide Geschlechter forderte. Am 26. Jänner 1907 wurde das allgemeine gleiche Wahlrecht für Männer eingeführt; mit der Begründung, das Wahlrecht stelle ein Äquivalent für Wehrpflicht und andere öffentliche Pflichten dar, blieben Frauen wieder unberücksichtigt (selbst das Wahlrecht der Großgrundbesitzerinnen war durch eine Regierungsnovelle gefallen). Das Frauenstimmrechtskomitee suchte sich daraufhin als Verein zu konstituieren, doch scheiterte dies an der Ablehnung der Satzungen seitens der Niederösterreichischen Statthalterei, gegen die auch Berufungen erfolglos blieben. Im März 1911 fand in Wien eine Konferenz der inzwischen in verschiedenen Städten gegründeten Komitees statt; Fürth gab ab Jänner 1911 die „Zeitschrift für Frauenstimmrecht" heraus. Im Juni 1914 wurde in Wien die VIII. Generalkonferenz der Frauenstimmrechtsallianz abgehalten, am 28. April 1917 stand der sozialdemokratische Frauentag unter der Devise „Frauen und Frieden". In der ersten Sitzung des Abgeordnetenhauses seit Kriegsausbruch (am 30. Mai 1917) forderte der Sozialdemokrat Karl Seitz die volle staatsbürgerliche Gleichberchtigung der Frauen; im Wiener Gemeinderat hatte bereits im April 1917 der sozialdemokratische Gemeinderat Jakob Reumann das aktive und passive Frauenwahlrecht beantragt. Der im September 1918 veröffentlichte Entwurf einer neuen Gemeindewahlordnung für Wien sah die Bildung einer Frauenkurie vor. Im Oktober 1918 richteten bürgerliche und sozialdemokratische Frauenvereine eine gemeinsame Petition an die Nationalversammlung. Der am 3. Jänner 1918 einberufenen Frauenwahlrechtsversammlung schlossen sich erstmals auch katholische und nationale Frauenorganisationen an. Im November 1918 wurden aufgrund eines Parteienkompromisses provisorisch zwölf Frauen in den Gemeinderat berufen (fünf Sozialdemokraten, fünf Christlichsoziale, zwei Liberale); am 12. November 1918 beschloß die Nationalversammlung die Zuerkennung des aktiven und passiven Wahlrechts an alle volljährigen Staatsbürger ohne Unterschied des Geschlechts. Bei den parlamentarischen Wahlen am 16. Februar 1919 und bei den Gemeinderats-Wahlen am 4. Mai 1919 konnten Frauen erstmals kandidieren beziehungsweise wählen.

Literatur

  • Elisabeth Freismuth, Die Frau im öflentl. Recht, in: Die Frau im Korsett (Kat. HM, 1985), 30IT.;
  • Seliger-Ucakar 2, 974, 1125.;
  • Karl Ucakar, Demokratie u. Wahlrecht in Österr. Zur Entwicklung von polit. Partizipation u. staatl. Legitimationspolitik (1985);
  • Erika Weinzierl, Emanzipation? Österr. Frauen im 20. Jh. (1975);
  • Brigitte Zaar, Dem Mann die Politik, der Frau die Familie- die Gegner des polit. Frauenstimmrechts in Österr. (1848-1918), in: Österr. Zs. für Politikwiss. 4 (1987), 351 fT.