Favianis
Favianis (Faviana), Name eines Orts in der römischen Provinz Noricum, überliefert in der „Notitia dignitatum" (Liste von Garnisonen; um 400 nach Christus) und in der „Vita Sancti Severini" (Lebensbeschreibung des 482 verstorbenen heiligen Severin; 511), nicht aber im Itinerarium Antonini (Straßenverzeichnis; um 211/217) und in der Tabula Peutingeriana (römische Straßenkarte; um 350/400). Severin hielt sich nach Aussage der „Vita" wiederholt in Favianis auf, gründete eine Klosterzelle außerhalb der Mauern und starb hier am 8. Jänner 482. Die Gleichsetzung von Favianis mit Wien geht auf die „Gesta Friderici" und das „Cronicon" des Otto von Freising († 1158) zurück und scheint in Urkunde des Herzogs Heinrich Jasomirgott von 1161 und 1169 auf, ebenso im „Fürstenbuch" des Jans Enenkel (um 1280) und bei späteren mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Autoren. Cuspinian („Austria", 1528) lokalisiert Severins Zelle auf Sievering. Nach Lazius („Vienna Austrie", 1546) habe Wien ursprünglich Vindobona, später Fabiana geheißen; aus „Biana" sei schließlich Vienna geworden. Erste Zweifel an der Identität von Favianis mit Wien äußerte Peter Lambeck („Commentarii bibl. Commentarii bibl. Caesaris", um 1665/1679), doch hielt man an ihr bis ins 19. Jahrhundert fest. Seit [[Kenner (1866) galt (und gilt noch heute) die Gleichsetzung von Favianis mit Mautern an der Donau und von Vindobona mit Wien als gesichert. Ausgrabungen in der Heiligenstädter Jakobskirche (1952/1953) veranlaßten Kramert und Winter, dort Severins Grabstätte zu vermuten (wobei Winter Favianis mit Döbling gleichsetzte); Lechner trat diesem Standpunkt vehement entgegen. Als Haberl 1976 neuerlich für die Identität von Favianis und Wien eintrat, stieß sie bei Harl, Lohrmann und anderen auf entschiedene Ablehnung. Ausgrabungen in Mautern, wo 1957/1958 ein freigelegter Bau außerhalb der Römermauer Severins Kloster entsprechen könnte, stützen die gängige Meinung.
Literatur
- Friedrich Kenner: Vindobona - eine archäologische Untersuchung über den Zustand Wiens während der Herrschaft der Römer. In: Berichte und Mitteilungen des Altertums-Vereines zu Wien. Band 9. Wien: Gerold 1866, S. 153 ff.
- Friedrich Kenner: Favianis eine Darstellung des Streites um diesen Ort und seine Lage. In: Berichte und Mitteilungen des Altertums-Vereines zu Wien. Band 19. Wien: Gerold 1880, S. 49 ff.
- Friedrich Kenner: Favianis, Wien und Mautern. In: lätter des Vereines für Landeskunde von Niederösterreich 16.1882, S. 3 ff.
- Klemens Kramert: Das Grab in Heiligenstadt. In: Die Österreichische Furche, 07.11.1953
- Klemens Kramert: Nochmals Heiligenstadt - sanctus locus. In: Wiener Geschichtsblätter. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 1946 - lfd. Band 9,1954, S. 12 ff.
- Ernst Karl Winter: St. Severin - Ideologie und Realität. 1500 Jahre Favianis. In: Wiener Geschichtsblätter. Nummer 9. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 1954, S. 2 ff.
- Ernst Karl Winter: Wiener Frühchristentum. In: Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien. Nummer 12. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 1955/1956, S. 7 ff.
- Karl Lechner: Heiligenstadt - Sanctus locus, in: Wiener Geschichtsblätter. Nummer 8. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 1953, S. 54 ff.
- Karl Lechner: Ein letztes Wort in der Frage Severin - Sanctus locus - Heiligenstadt. In: Wiener Geschichtsblätter. Nummer 9. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 1954, S. 31 ff.
- Johanna Haberl: Favianis, Vindobona und Wien. (Leiden 1976; dazu Besprechung von: Ortolf Harl, Klaus Lohrmann, in: Wiener Geschichtsblätter. Nummer 33. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 1978, S. 27 ff.)
- Johanna Haberl: Wien ist älter. 1981
- Katalog „Severin zwischen Römerzeit und Völkerwanderung". Enns: 1982
- Manfred Kandier, Hermann Vetters: Der römische Limes in Österreich. 1986