Baldur von Schirach: Unterschied zwischen den Versionen

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Baldur von Schirach, * 9. Mai 1907 Berlin, † 8. August 1974 Kröv an der Mosel, Rheinland-Pfalz, nationalsozialistischer Politiker, Gattin (31. März 1932) Henriette Hoffmann (Scheidung Juli 1950). Sproß einer seit dem 15. Jahrhundert nachweisbaren Familie (ursprünglich Bauern; Adelsstand 17. Mai 1776 für Gottlieb Benedict
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Baldur von Schirach, * 9. Mai 1907 Berlin, † 8. August 1974 Kröv an der Mosel, Rheinland-Pfalz, nationalsozialistischer Politiker, Gattin (31. März 1932) Henriette Hoffmann (Scheidung Juli 1950). Sproß einer seit dem 15. Jahrhundert nachweisbaren Familie (ursprünglich Bauern; Adelsstand 17. Mai 1776 für Gottlieb Benedict Schirach, Univ.-Prof. in Helmstedt), Sohn des Carl von Schirach, königlich-preußischer Offizier (1908-1918 Intendant des Hoftheaters in Weimar) und dessen Gattin Emma Middleton Lynah Tillou (US-Staatsbürgerin). Trat am 29. August 1925 der NSDAP bei, studierte ab 1927 Germanistik in München und wurde Mitglied des NS-Studentenbunds, dessen Ausbau er betrieb. Am 30. Oktober 1931 ernannte ihn Hitler zum Reichsjugendführer, im Mai 1932 zusätzlich zum Reichsleiter; ihm unterstanden die [[Hitlerjugend]] (HJ), der [[Bund deutscher Mädel|Bund Deutscher Mädel]] (BDM), der NS-Studentenbund, der NS-Schülerbund und das Deutsche Jungvolk. Am 17. Juni 1933 wurde Schirach "Jugendführer des Deutschen Reiches" (bis 1. Dezember 1936 Eingliederung aller übrigen deutschen Jugendverbände). Am 5. April 1940 wurde Schirach auf eigenes Ansuchen von Hitler enthoben (sein Nachfolger als Reichsjugendführer wurde Arthur Axmann), leistete Kriegsdienst in der deutschen Wehrmacht (Teilnahme am Feldzug in Frankreich; zuletzt Leutnant). Ende Juni 1940 wurde Schirach als Nachfolger von [[Josef Bürckel]] Reichsstatthalter und Gauleiter von Wien (als solcher Vertreter der NS-Staats- und Parteigewalt); die Angelegenheiten der Stadtverwaltung wurden durch einen von ihm ernannten [[Bürgermeister]] wahrgenommen. Die "Reichsstatthalterei" war im vorherigen Bundeskanzleramt (1, Ballhausplatz 2) untergebracht, Schirachs Privatwohnung befand sich (ab 15. Oktober 1940) 19, Hohe Warte 52-54. Schirach war mitverantwortlich für die 1942 einsetzende Judendeportation. Seine Förderung des Wiener Kulturlebens stand teilweise im Gegensatz zu den Ansichten von Goebbels; Ehrungen von [[Bruno Brehm]], [[Gerhart Hauptmann]], [[Max Mell]], [[Richard Strauss]], [[Josef Weinheber]] und anderer. Am 24. Juni 1943 kam es zu einem Zerwürfnis mit Hitler, dem Schirach zu weich und "verwienert" erschien. Am 30. März 1945 verkündete Schirach in Wien den Ausnahmezustand und verlegte
Schirach, Univ.-Prof. in Helmstedt), Sohn des Carl von Schirach, königlich-preußischer Offizier (1908-1918 Intendant des Hoftheaters in Weimar) und dessen Gattin Emma Middleton Lynah Tillou (US-Staatsbürgerin). Trat am 29. August 1925 der NSDAP bei, studierte ab 1927 Germanistik in München und wurde Mitglied des NS-Studentenbunds, dessen Ausbau er betrieb. Am 30. Oktober 1931 ernannte ihn Hitler zum Reichsjugendführer, im Mai 1932 zusätzlich zum Reichsleiter; ihm unterstanden die [[Hitlerjugend]] (HJ), der [[Bund Deutscher Mädel]] (BDM), der NS-Studentenbund, der NS-Schülerbund und das Deutsche Jungvolk. Am 17. Juni 1933 wurde Schirach "Jugendführer des Deutschen Reiches" (bis 1. Dezember 1936 Eingliederung aller übrigen deutschen Jugendverbände). Am 5. April 1940 wurde Schirach
 
auf eigenes Ansuchen von Hitler enthoben (sein Nachfolger als Reichsjugendführer wurde Arthur Axmann), leistete Kriegsdienst in der deutschen Wehrmacht (Teilnahme am Feldzug in Frankreich; zuletzt Leutnant). Ende Juni 1940 wurde Schirach als Nachfolger von [[Josef Bürckel]] Reichsstatthalter und Gauleiter von Wien (als solcher Vertreter der NS-Staats- und Parteigewalt); die Angelegenheiten der Stadtverwaltung wurden durch einen von ihm ernannten [[Bürgermeister]] wahrgenommen. Die
 
"Reichsstatthalterei" war im vorherigen Bundeskanzleramt (1, Ballhausplatz 2) untergebracht, Schirachs Privatwohnung befand sich (ab 15. Oktober 1940) 19, Hohe Warte 52-54. Schirach war mitverantwortlich für die 1942 einsetzende Judendeportation. Seine Förderung des Wiener Kulturlebens stand teilweise im Gegensatz zu den Ansichten von Goebbels; Ehrungen von [[Bruno Brehm]], [[Gerhart Hauptmann]], [[Max Mell]], [[Richard Strauss]], [[Josef Weinheber]] und anderer. Am 24. Juni 1943 kam es zu einem Zerwürfnis mit Hitler, dem Schirach zu weich und "verwienert" erschien. Am 30. März 1945 verkündete Schirach in Wien den Ausnahmezustand und verlegte
 
 
seine Amtsräume in die Keller der Hofburg; die Verteidigung der Stadt übernahm SS-General Sepp Dietrich. Schirach verließ am 9. April 1945 Wien, hielt sich zunächst in Flandorf (Gemeinde Hagenbrunn, Bezirk Korneuburg) auf, floh dann jedoch über Altmelon (Bezirk Zwettl), wo er sich bis Ende April aufhielt, und Oberösterreich nach Tirol, wo er unter dem falschen Namen Richard Falk in Schwaz untertauchte. Am 5. Juni 1945 stellte er sich den Amerikanern, wurde im Zuge des am 20. November 1945 beginnenden Nürnberger Kriegsverbrecherprozesses am 1. Oktober 1946 zu 20 Jahren Haft verurteilt, die er in Spandau verbrachte (Entlassung 1. Oktober 1966).  
 
seine Amtsräume in die Keller der Hofburg; die Verteidigung der Stadt übernahm SS-General Sepp Dietrich. Schirach verließ am 9. April 1945 Wien, hielt sich zunächst in Flandorf (Gemeinde Hagenbrunn, Bezirk Korneuburg) auf, floh dann jedoch über Altmelon (Bezirk Zwettl), wo er sich bis Ende April aufhielt, und Oberösterreich nach Tirol, wo er unter dem falschen Namen Richard Falk in Schwaz untertauchte. Am 5. Juni 1945 stellte er sich den Amerikanern, wurde im Zuge des am 20. November 1945 beginnenden Nürnberger Kriegsverbrecherprozesses am 1. Oktober 1946 zu 20 Jahren Haft verurteilt, die er in Spandau verbrachte (Entlassung 1. Oktober 1966).  
  

Version vom 30. Juli 2014, 15:15 Uhr

Daten zur Person
Personenname Schirach, Baldur von
Abweichende Namensform
Titel Reichsstatthalter
Geschlecht männlich
PageID 8246
GND
Wikidata
Geburtsdatum 9. Mai 1907
Geburtsort Berlin
Sterbedatum 8. August 1974
Sterbeort Kröv an der Mosel, Rheinland-Pfalz
Beruf Politiker
Parteizugehörigkeit Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei
Ereignis
Nachlass/Vorlass
Objektbezug
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
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Recherche
Letzte Änderung am 30.07.2014 durch WIEN1.lanm09bel
Begräbnisdatum
Friedhof
Grabstelle
  • 19., Hohe Warte 52-54
Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft

Baldur von Schirach, * 9. Mai 1907 Berlin, † 8. August 1974 Kröv an der Mosel, Rheinland-Pfalz, nationalsozialistischer Politiker, Gattin (31. März 1932) Henriette Hoffmann (Scheidung Juli 1950). Sproß einer seit dem 15. Jahrhundert nachweisbaren Familie (ursprünglich Bauern; Adelsstand 17. Mai 1776 für Gottlieb Benedict Schirach, Univ.-Prof. in Helmstedt), Sohn des Carl von Schirach, königlich-preußischer Offizier (1908-1918 Intendant des Hoftheaters in Weimar) und dessen Gattin Emma Middleton Lynah Tillou (US-Staatsbürgerin). Trat am 29. August 1925 der NSDAP bei, studierte ab 1927 Germanistik in München und wurde Mitglied des NS-Studentenbunds, dessen Ausbau er betrieb. Am 30. Oktober 1931 ernannte ihn Hitler zum Reichsjugendführer, im Mai 1932 zusätzlich zum Reichsleiter; ihm unterstanden die Hitlerjugend (HJ), der Bund Deutscher Mädel (BDM), der NS-Studentenbund, der NS-Schülerbund und das Deutsche Jungvolk. Am 17. Juni 1933 wurde Schirach "Jugendführer des Deutschen Reiches" (bis 1. Dezember 1936 Eingliederung aller übrigen deutschen Jugendverbände). Am 5. April 1940 wurde Schirach auf eigenes Ansuchen von Hitler enthoben (sein Nachfolger als Reichsjugendführer wurde Arthur Axmann), leistete Kriegsdienst in der deutschen Wehrmacht (Teilnahme am Feldzug in Frankreich; zuletzt Leutnant). Ende Juni 1940 wurde Schirach als Nachfolger von Josef Bürckel Reichsstatthalter und Gauleiter von Wien (als solcher Vertreter der NS-Staats- und Parteigewalt); die Angelegenheiten der Stadtverwaltung wurden durch einen von ihm ernannten Bürgermeister wahrgenommen. Die "Reichsstatthalterei" war im vorherigen Bundeskanzleramt (1, Ballhausplatz 2) untergebracht, Schirachs Privatwohnung befand sich (ab 15. Oktober 1940) 19, Hohe Warte 52-54. Schirach war mitverantwortlich für die 1942 einsetzende Judendeportation. Seine Förderung des Wiener Kulturlebens stand teilweise im Gegensatz zu den Ansichten von Goebbels; Ehrungen von Bruno Brehm, Gerhart Hauptmann, Max Mell, Richard Strauss, Josef Weinheber und anderer. Am 24. Juni 1943 kam es zu einem Zerwürfnis mit Hitler, dem Schirach zu weich und "verwienert" erschien. Am 30. März 1945 verkündete Schirach in Wien den Ausnahmezustand und verlegte seine Amtsräume in die Keller der Hofburg; die Verteidigung der Stadt übernahm SS-General Sepp Dietrich. Schirach verließ am 9. April 1945 Wien, hielt sich zunächst in Flandorf (Gemeinde Hagenbrunn, Bezirk Korneuburg) auf, floh dann jedoch über Altmelon (Bezirk Zwettl), wo er sich bis Ende April aufhielt, und Oberösterreich nach Tirol, wo er unter dem falschen Namen Richard Falk in Schwaz untertauchte. Am 5. Juni 1945 stellte er sich den Amerikanern, wurde im Zuge des am 20. November 1945 beginnenden Nürnberger Kriegsverbrecherprozesses am 1. Oktober 1946 zu 20 Jahren Haft verurteilt, die er in Spandau verbrachte (Entlassung 1. Oktober 1966).

Literatur

  • Michael Wortmann: Baldur von Schirach, Hitlers Jugendführer. Köln: Böhlau 1982
  • Baldur von Schirach: Ich glaubte an Hitler. [Dokumentation: Jochen von Lang]. Hamburg: Mosaik-Verl. 1967
  • Henriette von Schirach: Der Preis der Herrlichkeit. Erlebte Zeitgeschichte. München [u.a.]: Herbig 1976
  • Peter Schubert: Schauplatz Österreich. Topographisches Lexikon zur Zeitgeschichte in 3 Bänden. Band 1: Wien. Wien: Hollinek 1976, S. 27, S. 66, S. 97, S. 100, S. 205
  • Peter Schubert: Schauplatz Österreich. Topographisches Lexikon zur Zeitgeschichte in 3 Bänden. Band 2: Bundesländerorte A-K. Wien: Hollinek 1976, S. 9, S. 93
  • Manfried Rauchensteiner: Krieg in Österreich 1945. Wien: Österreichischer Bundesverl. f. Unterricht, Wissenschaft u. Kunst 1970, S. 133