Anschluss

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Daten zum Ereignis
Art des Ereignisses Politische Machtübernahme„Politische Machtübernahme“ befindet sich nicht in der Liste (Anschlag, Besetzung, Brand, Bürgerinitiative, Demonstration, Krieg, Schlacht, Epidemie, Epoche, Expedition, ...) zulässiger Werte für das Attribut „Art des Ereignisses“.
Datum von 1938
Datum bis 1938
Thema
Veranstalter
Teilnehmerzahl
Gewalt
PageID 47627
GND
WikidataID
Objektbezug Anschlussbewegung
Quelle
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"Anschluss" Das „Berchtesgardener Abkommen“ vom 12. Februar 1938 zwischen Adolf Hitler und Kurt Schuschnigg machte Österreich zu einem außenpolitischen, militärischen, wirtschaftlichen und pressepolitischen Satelliten Deutschlands. Arthur Seyß-Inquart, ein Nationalsozialist, übernahm das Ressort Inneres und Sicherheit. Die Nationalsozialisten traten ab Ende Februar 1938 in Kundgebungen in der Steiermark, in Kärnten und Oberösterreich immer offener in Erscheinung. Schuschnigg kündigte für den 13. März eine „Volksbefragung“ über die Unabhängigkeit Österreichs an, von der er sich mehr Spielraum für seine Politik erwartete. Hitler wollte den Ausgang dieser Befragung nicht abwarten, er drängte Schuschnigg dazu, sie abzusagen und zurückzutreten; Bundeskanzler Wilhelm Miklas ernannte eine Regierung unter Seyss-Inquart, bevor er am 12. März 1938 abdankte. Schon am Morgen des 12. März marschierte die deutsche Wehrmacht ein, die einheimischen Nationalsozialisten begannen, die Macht im Staat zu übernehmen. Gleichzeitig starteten Himmlers Polizei und SS zur Ausschaltung politischer GegnerInnen und zur Terrorisierung der jüdischen Bevölkerung eine brutale Verhaftungswelle. Die Österreich-patrotische Stimmung kippte rasch, nun wurden „die Österreicher mit dem Ende der Souveränität ihres Staates zu Opern und noch mehr zu Mitwirkenden einer wahrhaft ‚totalitären’ Diktatur“ (S. 59). Angesichts der in der Bevölkerung weit verbreiteten Hoffnung, durch den „Anschluss“ den Folgen der immer noch spürbaren Wirtschaftskrise zu entkommen, wurde über Verfolgungen von politischen, religiösen und nationalen Minderheiten sowie politische Einschränkungen hinweg gesehen.

Am 11. März 1938 um 18.15 Uhr wird der Rücktritt von Bundeskanzler Kurt Schuschnigg bekannt, der kurz vor 20 Uhr im Rundfunk seine denkwürdige Abschiedsrede hält, wonach die Regierung der „Gewalt weiche“. Er beschließt die Rede mit dem „Herzenswunsch“ „Gott schütze Österreich“. Auf den Straßen der Innenstadt formieren sich parallel auf Befehl Görings die tausenden Anhänger des Nationalsozialismus, sie tragen Armschleifen, dekorieren private PKWs mit Wimpel, rufen den Namen des Führers. Der englische Journalist George E.R. Gedye beschreibt die Stimmung auf Wiens Straßen als „Hexensabbat“. Besonders vor dem Bundeskanzleramt stauen sich die Menschenmassen: Etwa 6.000 Personen kann die immer noch verbotene SA mobilisieren, um den Druck auf Bundespräsident Wilhelm Miklas zu erhöhen. SS-Führer Dr. Ernst Kaltenbrunner steuert weitere 700 SS-Männer bei. Das Innere des Bundeskanzleramtes wird noch durch Polizei – darunter auch viele Nationalsozialisten – geschützt, doch gegen 22 Uhr setzt der ‚designierte’ Bundeskanzler Seyss-Inquart den Einlass eines Trupps der 89. SS Standarte Kaltenbrunners durch, womit das Bundeskanzleramt fällt. Schuschnigg dankt ab, verlässt spät nachts das Ministerratszimmer und schreitet durch ein Spalier gebildet von Nationalsozialisten in Zivil, dekoriert mit Hakenkreuzbinden grüßen sie ihn mit erhobenem Arm.

Am 12. März gegen fünf Uhr früh landen von Berlin kommend am Flugplatz Aspern zwei Flugzeuge mit Heinrich Himmler und fünfzig seiner engsten Mitarbeiter, darunter Reinhard Heydrich. Sie sollen die erste Verhaftungswelle leiten und die österreichische Polizei ‚säubern’, damit sie zu einem NS-Machtinstrument wird. Verhaftungen und Terror setzen sofort ein: Jüdinnen und Juden aller sozialen Schichten, Mitglieder der gestürzten Regierung, Mitglieder der Linksopposition, Beamte (z.B. des Bundespressedienstes), Funktionäre der „Vaterländischen Front“, Legitimisten und ehemals christlich soziale Politiker werden zu Tausenden inhaftiert. Viele versuchen, sich ins Ausland zu retten, andere wählen den Freitod. Ziel ist die Beseitigung der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Führungsschichten ua. durch einen radikalen Kahlschlag in den Redaktionen der Presse.

Bundespräsident Miklas lobt einen Großteil der neuen Regierungsmitglieder auf die österreichische Verfassung an, „auf die kaum noch jemand achtete“ (Botz S. 92), am 13. März überträgt er seine Befugnisse als Staatspräsident an Bundeskanzler Seyss-Inquart, der allerdings nur mehr ein Vollstrecker ist. Die Macht liegt bei Adolf Hitler, der am 13. März das „Wiedervereinigungsgesetz“ erlässt, das noch am gleichen Tag in Kraft tritt und ua. das österreichische Bundesheer in die deutsche Wehrmacht einverleibt. Vorgesehen ist eine „freie und geheime Volksabstimmung“ am 10. April 1938, de facto ist sie ein mächtiges Propagandainstrument Goebbels und keineswegs eine geheime Stimmabgabe.

Die österreichische Bevölkerung begrüßt Adolf Hitler am 15. März auf dem Heldenplatz frenetisch. Mit diesem Tag übergibt Wilhelm Wolf die Agenden des österreichischen Außenamts an Joachim von Rippentropp, andere Ministerien folgen alsbald – die Regierung wird liquidiert. Durch die „Führererlässe“ vom 15. und 17. März treten etwa das „Gesetz gegen die Neubildung von Parteien“ und das „Gesetz zur Sicherung der Einheit von Partei und Staat“ in Kraft. Sowohl in der Verwaltung als auch in der Privatwirtschaft bricht eine hektische Postenjagd – begleitet von Denunziationen aus –, da Jüdinnen und Juden sofort fristlos gekündigt werden. Das perfide NS-System startet seinen Terror gegen Jüdinnen und Juden, Regime-GegnerInnen, Roma und Sini, sogenannte „Asoziale" und Homosexuelle. 66.000 österreichische Jüdinnen und Juden werden Opfer des Holocaust.

siehe: Anschlussbewegung

Quellen

Literatur

Gerhard Botz: Nationalsozialismus in Wien. Machtübernahme, Herrschaftssicherung, Radikalisierung 1938/39. Wien: Mandelbaum 2008.

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Einzelnachweise