Bertha Pappenheim
- Vorsitzende des Jüdischen Frauenbundes (1904 bis 1924)
Bertha Pappenheim, * 27. Februar 1859 Wien, † 28. Mai 1936 Neu-Isenburg (bei Frankfurt/Main), Frauenrechtsaktivistin, Sozialarbeiterin.
Biografie
Die Tochter des jüdisch-orthodoxen Getreidehändlers Siegmund Pappenheim und dessen Ehefrau Recha, die aus der Frankfurter Bankiersfamilie Goldschmidt stammte, besuchte eine katholische Privatschule und erhielt die Ausbildung einer "höheren Tochter". Die überdurchschnittlich begabte junge Frau litt unter ihrem monotonen Alltag und flüchtete zunehmend in Tagträume, die sie selbst als "Privattheater" beschrieb. Während der Pflege ihres unheilbar kranken Vaters entwickelte sie Symptome von Lähmungen, Sehstörungen sowie Angstzuständen, weshalb sie vom Arzt Josef Breuer behandelt wurde. Dieser diagnostizierte "Hysterie" und behandelte sie mit Hypnose und Gesprächstherapie, eine Methode, an die von der Patientin mitentwickelt worden sein soll und von Sigmund Freud zur Psychoanalyse weiterentwickelt wurde. Pappenheim wurde als "Anna O." in Freuds und Breuers gemeinsamen Studien zur Hysterie (1895) berühmt.
Nach mehreren, bis 1888 dauernden Sanatoriumsaufenthalten verbrachte Pappenheim einige Zeit bei ihrer Cousine in Karlsruhe, von der sie ermutigt wurde, ihren schriftstellerischen Neigungen nachzugehen. Schon bald erschien das erste Werk mit Kindergeschichten. Es folgten Gedichte, Dramen und Erzählungen. 1888 übersiedelte die junge Frau mit ihrer Mutter in deren Geburtsstadt Frankfurt, wo sie sich in der jüdischen Wohlfahrt zu engagieren begann. Durch ihre soziale Tätigkeit setzte sie sich zunehmend auch mit der Rolle der jüdischen Frau auseinander.
Auf Bertha Pappenheim geht die Gründung verschiedener Institutionen zurück, darunter 1902 der Verein "Weibliche Fürsorge" zur Professionalisierung jüdischer weiblicher Sozialarbeit oder 1904 der "Jüdische Frauenbund" zur Stärkung der Identität der jüdischen Frau. Letzteren leitete sie 20 Jahre lang. Ein besonderes Anliegen war ihr der Kampf gegen Mädchenhandel und Prostitution, die sie auf soziale Not und mangelnde Bildung zurückführte. Auf Reisen in die jüdischen Siedlungsgebiete Osteuropas verschaffte sie sich einen Überblick und hielt das Ergebnis ihrer Studien in mehreren Publikationen fest, darunter "Sisyphus - gegen den Mädchenhandel".
Nach dem Ersten Weltkrieg setzte die Sozialpionierin ihre Tätigkeit fort und leitete das 1907 von ihr begründete Wohnheim für jüdische Mädchen und ledige Mütter in Neu-Isenburg bei Frankfurt. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 konnte sie einige Insassen im Ausland in Sicherheit bringen. 1936 wurde die an Krebs erkrankte Bertha Pappenheim von der Gestapo wegen einer angeblichen regimekritischen Äußerung einer Heimbewohnerin verhört und erholte sich von der Vernehmung nicht mehr. Sie starb bald darauf in ihrem Heim.