Städteplaner im Wiederaufbau

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Hugo-Breitner-Hof aus der Luft (1956), größte Wohnhausanlage seit 1945.
Daten zum Eintrag
Datum von 1945
Datum bis 1952
Objektbezug Stadtplanung, 1945 bis heute
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Bildname Hugo-Breitner-Hof 1956.jpg
Bildunterschrift Hugo-Breitner-Hof aus der Luft (1956), größte Wohnhausanlage seit 1945.

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Charta von Athen

In der Charta von Athen hatte sich die Avantgarde der Architekten und Stadtplaner für das Prinzip der räumlichen Trennung von wohnen, arbeiten, sich erholen, sich bewegen ausgesprochen. Die Wiener Stadtplanung der Nachkriegszeit verfolgte in Anlehnung an diesen Grundsatz das Konzept der fordistischen, funktionalen Stadt mit einer strikten Trennung von Wohnen und Arbeiten.

Proponenten des neuen Städtebaus

Zu den von der Stadt Wien herangezogenen Stadtplanern in der Zeit des Wiederaufbaus zählten vor allem Franz Schuster und Karl Heinrich Brunner. Als Leiter des Amtes für Architektur in der Stadtbaudirektion nahm Erich Leischner die Schlüsselposition innerhalb der städtischen Bürokratie in Fragen des Wiederaufbaus ein.

Leischner ging von der Prämisse der weitgehenden Rekonstruktion des kulturhistorisch bedeutenden Gebäudebestandes was die äußere Form anlangt aus, während er im Inneren der Gebäude mit Kriegsschäden eine Modernisierung befürwortete. Baulücken infolge von Bombenschäden sollten möglichst subtil im Sinn der historisch gewachsenen Ensembles geschlossen werden. Leischners Prinzipien konnten allerdings auf Grund des allgemeinen Mangels, der zu billigen Neubauten zwang, nur bedingt eingehalten werden. In der Praxis wurde die kleinräumige Reparatur bevorzugt, wie das auch in der Enquete für den Wiederaufbau der Stadt Wien betont wurde.[1]

Die Wohnhausanlage Siemensstraße kurz nach Fertigstellung aus der Luft (1956)

Franz Schuster hatte bei Oskar Strnad und Heinrich Tessenow an der Kunstgewerbeschule in Wien studiert und war anschließend freischaffend in Frankfurt tätig. Ab 1937 war er Leiter der Fachklasse Architektur an der Kunstgewerbeschule. In der NS-Zeit war Schuster Mitglied der "Deutschen Akademie für das Wohnungswesen". Schuster propagierte den „Sozialen Städtebau“. Darunter verstand er unter der Prämisse der architektonischen Sachlichkeit die Auflösung der geschlossenen Verbauung, den Bau von Wohnzeilen in offener Bauweise, letztlich aber auch eine „ästhetische Überhöhung“ der Armut (Dieter Steiner). Nach Kriegsende rückte Schuster in eine zentrale Stelle im Wiederaufbau. Er fungierte als Beirat für den Wiederaufbau in Wien, Berater des Wohnbauamtes, Leiter der Forschungsstelle der Stadt Wien für Wohnen und Bauen und als Kommissionsmitglied bei allen wichtigen Wettbewerben der Nachkriegszeit.[2] Als solcher vertrat er ein Schnellbauprogramm mit Duplex-Kleinstwohnungen zur Behebung der ärgsten Wohnungsnot die bei Bedarf vergrößert werden konnten. Solche Wohnungen wurden in der Siedlung Siemensstraße realisiert. Das in der NS-Zeit entwickelte Konzept genormter Installation und Grundrissform setzte sich im sozialen Wohnbau rasch durch und fand etwa im Hugo-Breitner-Hof seine Verwirklichung.

Modell des Hugo-Breitner-Hofs (1949)
Zentraler Hofraum im Hugo-Breitner-Hof zwischen Hanakgasse und Cossmanngasse (1958)

Karl Brunner, Assistent Mayreders und aus Südamerika zurückberufener Experte, bekam Ende 1948 als externer Stadtplaner den Auftrag der Erarbeitung eines Flächenwidmungsplans, der den Generalstadtplan ablösen sollte. Der von ihm unter Mitarbeit der zuständigen Magistratsabteilung 18 - Stadtentwicklung und Stadtplanung erarbeitete Plan sah das Prinzip der Entflechtung und Ausdifferenzierung vor. In Anlehnung an Bemühungen des Stadtbauamtes sollten durch Herabzonung, Vorschreibung innerer Baufluchtlinien und Einschränkung verbaubarer Flächen historische Viertel „entdichtet“ werden. Zudem sollten alte Plätze und Bauten architektonisch hervorgehoben werden. Am Stadtrand sollten Großmiethäuser entstehen die durch Hochleistungsstraßen an den Individualverkehr angebunden werden. Der von Brunner entworfene Flächenwidmungsplan wurde vom Gemeinderat nach Fertigstellung 1952 nicht bestätigt, weil er keine Detailpläne enthielt.

Um das Jahr 1950 trat eine ganze Generation von Städteplanern, die ab der Zwischenkriegszeit einen bestimmenden Einfluss ausgeübt hatten, ab.

Beschlossen wurde 1952 ein "8-Punkte-Programm des sozialen Städtebaus" der Stadtrats Leopold Thaller. Es sah die Auflockerung des dichtverbauten Gebiets, Stadterweiterung, Betriebsansiedlungen an den Stadtrand vor. Eine besondere Rolle kam dabei der Gestaltung des "sozialen Grün" in Abkehr von dem "dekorativen Grün" der Vergangenheit vor.

Modell der funktionalen Stadt Wien. Aus: Roland Rainer, Planungskonzept Wien, 1962

Den größten Einfluss auf die Stadtplanung der 1950er und 1960er Jahre übte aber unzweifelhaft Roland Rainer aus, der 1958-1963 als Leiter der Stadtplanung installiert mit der Erarbeitung eines "Planungskonzept Wien" beauftragt wurde, welches 1961 vom Gemeinderat genehmigt und publiziert wurde. Rainer folgte einem streng funktionalistisch-fordistischen Konzept, wenngleich er versuchte, den dadurch entstehenden Mangel an kleinräumiger Diversität, auf die Kritiker wie Friedrich Achleitner hinwiesen, durch die Aufwertung regionaler Zentren entgegen zu wirken.

Umsetzung

Der Südtiroler Platz nach dem Umbau (1959)

Praktische Anwendung fanden die Vorschläge von Karl Brunner vor allem in Form des Baus von Unterführungen am Südtiroler Platz, Matzleinsdorfer Platz und in der Verbindung der Brigittenau mit Floridsdorf über die Adalbert-Stifter-Straße,. Nicht verwirklicht wurde der Ausbau der Wiental- zur Schnellstraße, aber auch in eine Zufahrtsstraße vom Schottenring zur Höhenstraße und der Bau einer Autostraße im Bereich der Per-Albin-Hansson-Siedlung über das Wienerfeld zum Laxenburger Park. Vorgeschlagen wurde von Brunner auch die Südbahn ab Baden als Schnellbahn und ab Meidling als U-Bahn zu führen.

Grünflächen wurden nun häufig nicht in Form von Parks sondern in Ergänzung zu Bauten angelegt, wobei eine Normierung in Plätze für verschiedene Altersgruppen vorgesehen waren. Soziales Grün diente also nicht nur der Auflockerung des dichtverbauten Gebietes sondern der Freizeitgestaltung im Sinn einer funktionalistischen Stadtplanung. Seinen Höhepunkt erlebte dieses Konzept in der exemplarischen Abhaltung der Wiener Internationalen Gartenschau 1964 und 1974.

Bilder

Literatur:

  • Erich Bernard / Barbara Feller: Amt macht Stadt. Das Wiener Stadtbauamt, in: Architektur Zentrum Wien (Hg.): Amt Macht Stadt. Erich Leischner und das Wiener Stadtbauamt, Salzburg: Residenz Verlag 1999, S. 5-29.
  • Eve Blau / Renate Banik-Schweitzer: Urban Form. Städtebau in der postfordistischen Gesellschaft. Wien: Löcker 2003
  • Helmut Korzendörfer: Stadtplanung vor dem Hintergrund der Stadtentwicklung 1945 bis 1981, in: Der Aufbau 36 (1981), S. 441 ff.
  • Siegfried Mattl: Wien im 20. Jahrhundert. Geschichte der Stadt Wien VI, Wien: Pichler Verlag 2000
  • Martina Nußbaumer: "Weltstadt im Grünen". Die WIG 64 und die Visionen der Wiener Stadtplanung nach 1945, in: Ulrike Krippner / Lilli Licka / Martina Nußbaumer (Hrsg.): WIG 64. Die grüne Nachkriegsmoderne, Wien: Metroverlag 2014, S. 30-38.
  • Monika Platzer: Schatten der Vergangenheit. Wien nach 1945. Die zweite Fassung der Perle? in: "Wien. Die Perle des Reiches". Planen für Hitler, Wien/Zürich: Architekturzentrum Wien, Park Books 2015, S. 47-66
  • Rudolf Zunke: Wiener Stadtplanung in der Wiederaufbauära nach dem Zweiten Weltkrieg. (Dipl.Arb., Univ.Wien), Wien 1993

Einzelnachweise:

  1. Erich Bernard / Barbara Feller: Amt macht Stadt. Das Wiener Stadtbauamt, in: Architektur Zentrum Wien (Hg.): Amt Macht Stadt. Erich Leischner und das Wiener Stadtbauamt, Salzburg: Residenz Verlag 1999, S. 22 f.
  2. Monika Platzer: Schatten der Vergangenheit. Wien nach 1945. Die zweite Fassung der Perle? in: "Wien. Die Perle des Reiches". Planen für Hitler, Wien/Zürich: Architekturzentrum Wien, Park Books 2015, S. 51 f.