Urbanihaus

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Am Hof 12, um 1940
Daten zum Bauwerk
Art des Bauwerks Gebäude
Datum von 1420
Datum bis
Andere Bezeichnung Zum goldenen Einhorn
Frühere Bezeichnung
Benannt nach Heiliger Urbanus
Einlagezahl
Architekt
Prominente Bewohner
PageID 2312
GND
WikidataID
Objektbezug
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien, Paul Harrer: Wien, seine Häuser
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Bildname Am Hof12.jpg
Bildunterschrift Am Hof 12, um 1940
  • 1., Am Hof 12
  • Nr.: 236 (Bezirk: Innere Stadt, 1770, bis: 1795)
  • Nr.: 419 (Bezirk: Innere Stadt, 1821, bis: 1862)
  • Nr.: 452 (Bezirk: Innere Stadt, 1795, bis: 1821)


1., Am Hof 12

Am Hof 12 (Portal) Februar 2021

Eine Adaptierung und Instandsetzung des Hauses in den Jahren 2005-2008 führte zu einer umfassenden bauhistorischen Untersuchung.

Kurzbeschreibung

Das vierachsige, fünfgeschoßige Haus mit einer bemerkenswerten hochbarocken Fassade befindet sich an der nordöstlichen Ecke des Platzes Am Hof. Die L-förmige Parzelle von weniger als 200 m² ist mit einem zweihüftigen Straßentrakt, einem kleinen Lichthof und einem Hintertrakt mit nur ein Innenraum pro Geschoß bebaut. Das Haus verfügt über einen zweigeschoßigen Keller, der mehr als 11 m unter dem Platz hineinreicht, und ein über zwei Geschoße ausgebautes Mansarddach.

Ein Haus des jüdischen Viertels

Im späten 12. und frühen 13. Jahrhundert gehörte das Grundstück zur Babenbergerpfalz. Die genaue Ausdehnung der Pfalz ist aber nicht bekannt. Ab dem frühen 13. Jahrhundert entwickelte sich in dem Quartier zwischen der Kirche Am Hof (Neun-Chöre-der-Engel-Kirche) und der Kirche Maria am Gestade das jüdische Viertel.[1] Der älteste Baubestand des Hauses Am Hof 12 befindet sich im östlichen Trakt entlang der östlichen Parzellengrenze. Diese Mauer besteht im Erdgeschoß aus einem für das frühe 13. Jahrhundert typischen lagerhaften Mauerwerk in Opus Spicatum-Technik. Sie gehört zu einem Baukörper, der auf dem Grundstück des Hauses Parisergasse 1 stand (heute mit Am Hof 13 vereint).

Nach der endgültigen Auflassung des Pfalzareals im dritten Viertel des 13. Jahrhunderts dürfte das Grundstück zum jüdischen Viertel gehört haben. Die älteste archivalische Nachricht stammt aus der Zeit unmittelbar nach der Judenverfolgung von 1420/21. Gemeinsam mit den heutigen Grundstücken Drahtgasse 2 und Judenplatz 6/Parisergasse 3 gehörte das Haus bis 1420 dem Juden "Eschlein von Dreskirchen".

Erhebliche Reste des Hauses während des Bestehens des jüdischen Viertels sind bekannt. Das älteste Mauerwerk aus dem frühen 14. Jahrhundert wurde an der Ostwand des ersten Kellergeschoßes des Straßentrakts dokumentiert. Etwas später, im mittleren 14. Jahrhundert, entstand ein Haus aus zwei schmalen Baukörpern, die durch eine mittige Einfahrt verbunden waren, die heute noch im Erdgeschoßgrundriss abzulesen ist. Bruchsteinmauerwerk unter dem Straßentrakt weist auf einen zerstörten mittelalterlichen Keller hin, während im mittelalterlichen Hintertrakt ein Souterrainraum lag. Mauerwerk des 14. Jahrhunderts wurde im Erdgeschoß an der Südmauer des Hauses und an der Nordmauer bis zur halben Höhe des zweiten Obergeschoßes festgestellt. In dieser Mauer wurden insgesamt vier spätmittelalterliche Fenster entdeckt, von dem ein hochrechteckiges Fenster mit abgefasten Steingewände und Trompen besonders gut erhalten ist. Die Fenster zeigen, dass das Fußbodenniveau des ersten Obergeschoßes dem heutigen entsprach, während das zweite Obergeschoß etwas tiefer lag als heute. Im Nordosten des heutigen Straßentrakts, an der Stelle der späteren barocken Wendeltreppe lag schon im 14. Jahrhundert eine Treppe, die auf den Dachboden führte und zu dem zwei der vorgefundenen Fenster gehörten. An der Südseite der Einfahrt lag der Hausbrunnen, der 1421 erwähnt und heute im zweiten Kellergeschoß erhalten ist. Die Sohle des Brunnens liegt rund 16 m unter dem Erdgeschoßfußboden.

Nach der gewaltsamen Auflösung des jüdischen Viertels (Geserah) wurde die Anlage 1437 zu einem Bäckerhaus und blieb es bis in das 16. Jahrhundert. Im Nordosten des Hintertrakts wurde ein ebenfalls heute erhaltener Latrinenschacht mit 2,2 m Durchmesser eingebracht, der bis in das 20. Jahrhundert offen war.[2]

Das Haus in der Frühen Neuzeit

1537 erwarb Sebastian Schranz der Ältere, der Besitzer des südlich benachbarten Hauses (Heute Am Hof 13) das Haus.[3] Schranz trennte einen Teil des Hintertrakts ab, womit das Grundstück die heutige L-Form bekam, und verkaufte das Haus kurz danach weiter. In dieser Zeit fand ein großer Umbau statt. Zwei Kellergeschoße entstanden neu unter dem straßenseitigen Trakt. Die Platzfassade und die südliche Grundstücksmauer im Obergeschoßbereich wurden neu errichtet und die mittelalterlichen Fenster in der Nordmauer vermauert. Zu einem unbekannten Zeitpunkt nach 1566, aber noch vor 1639, bekam das Haus ein drittes Obergeschoß.

1656 wurde das Haus nach mehreren Besitzerwechseln noch einmal durch den Nachbarn im Süden, jetzt Claudio Graf Collalto, erworben. Er war wahrscheinlich für die Erneuerung der Kellergeschoße, einschließlich einer dreischiffigen, zweijochigen Pfeilerhalle im zweiten Kellergeschoß unter dem Platz Am Hof, verantwortlich. Der zur Verfügung stehende Kellerraum wurde damit auf das doppelte vergrößert. Zudem plante er vielleicht die Fusion der beiden Häuser einschließlich einer gemeinsamen Fassadierung. Der Graf verstarb aber bereits 1661. Das Haus Am Hof 12 wurde zwei Jahre nach dem Tod von seinem Bruder verkauft.

Das Haus von Johann Pockh

1712 erwarb das Haus der bürgerliche Schuhmacher Johann Pockh.[4] Er ließ es 1716-1718 entkernen, wiederaufbauen und aufstocken. Nun entstand die heutige Gestalt des Hauses mit fünf Geschoßen und einem doppelgeschoßigen Walmdach. Zwei neue Ziegelpfeiler im alten Keller stützten den neu aufgeführten Einfahrtsmauern. Eine Wendeltreppe im Nordosten des Straßentrakts diente der Erschließung aller Geschoße, während der Hintertrakt durch hölzerne Pawlatschen zugänglich gemacht wurde. Im dritten und vierten Obergeschoß erfolgte der Einbau von Rauchküchen, während kleine Dachräume mit Fachwerkwänden im Dachgeschoß entstanden. Diese Obergeschoße wurden wohl Dienern und Mietern überlassen. Eine dendrochronologische Beprobung zeigte, dass alle Dachhölzer und Dippelbäume zwischen 1712 und 1717 gefällt wurden.

Die prächtige Fassade, die Pockh errichten ließ, wurde von einem unbekannten Architekten wohl aus dem Umkreis von Johann Lucas von Hildebrandt entworfen. Sie weist in einem flachen Mittelrisalit zwei mittlere volutengerahmten Korbbogenportale unter geschwungenen Erkern auf und ist zudem durch Pilaster, geschoßweise differenzierte Giebelverdachungen und sog. Bandlwerkstuck gegliedert. [5] Zwischen 1783 und 1839 beherbergte das Haus die Apotheke "Zur goldenen Sonne".

Urbanikeller

1906 wurde der sogenannte Urbanikeller eingerichtet. Er wurde inzwischen geschlossen.

Instandsetzung und Adaptierung 2005-2008

Ab 2005 wurde das Haus nach Plänen des Architekten Hermann Czech instandgesetzt und adaptiert.[6] Trotz erheblicher statischer Schwierigkeiten blieb der historische Baubestand weitgehend erhalten. Eine neue gewendelte Stiege verbindet heute die beiden unteren Stockwerke, auch ein Aufzug wurde eingebaut. Im ersten Obergeschoß wurde an der Nordmauer ein Fenster des 14. Jahrhunderts reaktiviert.

Literatur

  • Günther Buchinger / Bruno Maldoner / Paul Mitchell/ Doris Schön: Baugeschichte und Adaptierung des Urbanihauses, Wien I, Am Hof 12. In: Österreichische Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege, 62/2-3 (2008), S. 170-178
  • Günther Buchinger / Paul Mitchell / Doris Schön: Katalog des Projektes "Hausforschung in der Wiener Innenstadt". In: Österreichische Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege 56/4 (2002), S. 506-534
  • Günther Buchinger, Paul Mitchell, Doris Schön: Wien 1, Am Hof 12. In: Fundberichte aus Österreich 45 (2006), S. 757-760
  • Felix Czeike: Wien. Innere Stadt. Kunst- und Kulturführer. Wien: Jugend und Volk, Ed. Wien, Dachs-Verlag 1993, S. 12
  • Dehio-Handbuch Wien. 1. Bezirk – Innere Stadt. Hg. von Bundesdenkmalamt. Horn-Wien: Berger 2003, S. 626 f.
  • Paul Harrer-Lucienfeld: Wien, seine Häuser, Geschichte und Kultur. Band 2, 2. Teil. Wien ²1952 (Manuskript im WStLA), S. 304-306
  • Paul Mitchell, Doris Schön: Brunnen und Latrinen in historischen Wiener Profanbauten. In: Österreichische Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege, 56/4 (2002), S. 474-480
  • Doris Schön: Wien 1, Am Hof 12, Fundberichte aus Österreich, 40 (2001), S. 730 f.
  • Renate Wagner-Rieger: Das Wiener Bürgerhaus des Barock und Klassizismus. Wien: Hollinek 1957 (Österreichische Heimat, 20), S. 58

Einzelnachweise

  1. Buchinger/Maldoner/Mitchell/Schön 2008, S. 171-173
  2. Mitchell/Schön 2002, S. 478
  3. Buchinger/Maldoner/Mitchell/Schön 2008, S. 174 f.
  4. Buchinger/Maldoner/Mitchell/Schön 2008, S. 175 f.
  5. Dehio 2003, S. 626 f.
  6. Buchinger/Maldoner/Mitchell/Schön 2008, S. 177 f.