Schulchroniken

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Auszug aus der Schulchronik der Volksschule Margaretenstraße 103 (1911)
Daten zum Eintrag
Datum von 1870
Datum bis 1986
Objektbezug Wiener Schulen, Quelle
Quelle
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Letzte Änderung am 30.11.2021 durch WIEN1.lanm08trj
Bildname Schulchronik Margaretenstraße 103 1911.jpg
Bildunterschrift Auszug aus der Schulchronik der Volksschule Margaretenstraße 103 (1911)

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Bei Schulchroniken handelt es sich um Amtsschriften, die seit den Schulreformen der liberalen Ära des 19. Jahrhunderts von Schulleiterinnen und Schulleitern von Volks- und Bürgerschulen sowie später Hauptschulen verpflichtend geführt werden mussten (Schul- und Unterrichtsordnung von 1870, RGBl. 105/1870 §33).[1] Erst mit dem Schulorganisationsgesetz von 1986 (BGBl. 472/1986)[2] lief die Verpflichtung zum Führen von Schulchroniken aus. Im Idealfall bildet sich demnach in einer Schulchronik das Geschehen von weit mehr als einem ganzen Jahrhundert ab.

In einer retrospektiven Erzählung der Chronikführenden lässt sich die Schulgeschichte teils sogar ab Beginn des 19. Jahrhunderts nachvollziehen. Am Beispiel der heute noch existierenden VS Stubenbastei 3, deren Existenz ab dem Jahr 1869 belegt ist, lässt sich eine kontinuierliche Schulgeschichte nachverfolgen, da die Aufzeichnungen der direkten Vorgängerschule dieser Anstalt bis ins 18. Jahrhundert zurückverfolgt werden können.

Die Art und Weise wie die jeweiligen Schulleiterinnen und Schulleiter die von der Schulbehörde vorgegebenen Themen (Schul- und Ortsgeschichte, bauliche Veränderungen, Schulfeste, Konferenzen, Natur- und politische Ereignisse etc.) in all den Jahrzehnten in ihren Schulchroniken behandelt haben, gestaltet sich sehr vielfältig. Zahlreiche historische und landeskundliche Exkurse zeugen von den oft beeindruckenden Kenntnissen und Interessen der jeweiligen Chronisten. Insbesondere in vielen kleineren Schulorten ist eine Schulchronik gleichzeitig auch Ortschronik. Für Wien sind Schulchroniken in dieser Hinsicht insbesondere für die Lokal- bzw. „Grätzelgeschichte“ sehr wertvoll. Fotos, eingeklebte Zeichnungen und Zeitungsberichte illustrieren Eintragungen zu Schulausflügen, Besuche von prominenten Personen und Schulfeste. Schulchroniken geben somit Auskunft über Höhepunkte des Schulalltages und sind damit Teil einer Alltagsgeschichte.

Auszug aus der Schulchronik der Volksschule Margaretenstraße 103 (1912)

Was die Schulgeschichte im engeren Sinne anlangt, so sind die vorhandenen Einträge ebenso mannigfaltig wie das Leben an einer Schule an sich. Der erste Band einer Serie von Schulchroniken beginnt meist mit einem Rückblick auf die frühesten Tage der Schulgeschichte. Diese Schilderungen von früheren Schulgebäuden, ehemaligem Lehrpersonal und Umzügen der Anstalt können sehr aufschlussreich sein, sollten jedoch mit Vorsicht genossen werden, da die Chronistinnen und Chronisten hier oft dazu tendieren, die Geschichte ihrer Schule glanzvoller darzustellen, als sie vielleicht gewesen sein mag und ihre Gründung an einem möglichst frühen Zeitpunkt zu suchen. Die Einträge in Schulchroniken weisen oft eine starke Regelmäßigkeit bezüglich ihres Aufbaues auf, was auch dadurch bedingt war, dass die Schulbehörde strikt vorgab, manche Ereignisse zu erfassen. Diese Struktur sieht dann wie folgt aus: Zuerst wird erwähnt, an welchem Datum ein Schuljahr eröffnet wurde, wann die Schulmesse stattfand, wie der Stand der Lehrpersonals zu besagter Zeit aussah und welche Veränderungen es in ebendiesem gab. Darauf folgen Angaben zu den Zahlen der Schüler und Schülerinnen, wie viele Klassen und Klassenabteilungen es gab. Auch werden die Besuche von Schulinspektoren oder bekannten Persönlichkeiten stets notiert. Falls eine Person aus dem (ehemaligen) Lehrkörper verschied, wurde oft ein Nachruf auf das Leben und Wirken der Lehrenden festgehalten. Auch den Zuwachs an Lehrmitteln und Inventarien sowie der Stand der Schüler- und Lehrerbibliothek wurde genau festgehalten. Der Eintrag pro Schuljahr endet meistens mit Anmerkungen zur Zeugnisvergabe und der Schulschlussmesse.

Eben genannte Einträge sind in nahezu allen Schulchroniken zu finden, einen individuellen Charakter erhält die Schule aber durch Chronikeinträge, in denen einmalige Ereignisse festgehalten, über Zäsuren berichtet oder aus dem Alltagsleben an der Schule erzählt wird: Es wird von Seuchen wie der Cholera, Blattern oder der Spanischen Grippe berichtet, wegen denen die Schulen geschlossen werden mussten. Um solchen Krankheiten zu begegnen, gab es an den Schulen groß angelegte Impfaktionen. Auch versuchte man, das allgemeine Gesundheitsniveau der Schulkinder durch Aktionen wie die Einführung von Schulmilch zu verbessern. In der Zeit der beiden Weltkriege wird geschildert, wie die Kinder durch Metall-, oder Naturaliensammelaktionen sowie durch Gemüseanbau an der Kriegsfürsorge teilnehmen konnten. Auch waren viele Ausspeisungsstellen oder Vergabestellen für Lebensmittelkarten in Schulen untergebracht. Nach dem Ersten Weltkrieg waren Wahllokale für die Nationalversammlung in Schulen eingerichtet. Solche Einträge bezeugen die Rolle der Schulen in der Mitte der Gesellschaft. In den Kriegsphasen kam es regelmäßig zu Umsiedelungen und Zusammenlegungen ganzer Schulen, da viele Schulgebäude von militärischen Verbänden belegt worden waren oder, besonders im Zweiten Weltkrieg, durch Kriegseinwirkung beschädigt worden waren. Schulen für Knaben und Mädchen wurden, auch wenn sie im gleichen Gebäude untergebracht waren, lange unter getrennten Leitungen geführt. Dies konnte sich jedoch besonders in Zeiten stagnierender Schüler- und Schülerinnenzahlen ändern, wodurch Schulzusammenlegungen erklärbar werden. Die aktuellen politischen Verhältnisse spiegelten sich immer in Schulfesten wider.

Von einem besonderen Quellenwert sind Schulchroniken also dort, wo die Äußerungen des Chronisten von rein dokumentierenden zu kommentierenden Äußerungen übergehen, etwa bei politischen Ereignissen oder vom vorherrschenden politischen System vorgegebenen Gedenkfeiern. Denn in der Position als Schulleiterin oder Schulleiter ist der Chronist oder die Chronistin in Bezug auf vorgegebene gesellschaftliche Strukturen nicht nur aneignendes Individuum, sondern erzeugt diese Strukturen in hohem Maße selbst mit.

Das Wiener Stadt- und Landesarchiv verfügt mit über 150 Stück den österreichweit größten Bestand an Schulchroniken. Weiters sind im „Wien Geschichte Wiki“ zahlreiche Einträge über die Geschichte und den Werdegang von verschiedensten Wiener Schulen zu finden, die auf diesen Quellen aufbauen.

Quellen

Einzelnachweise