Trennungsgesetz: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Wien Geschichte Wiki
Wechseln zu:Navigation, Suche
Zeile 6: Zeile 6:
 
Bezeichnung für die von [[Wien]] und [[Niederösterreich]] Ende 1921 beschlossenen, gleichlautenden Gesetze, mit denen die durch die Bundesverfassung am 10. November 1920 und die Wiener [[Stadtverfassung]] vom 18. November 1920 entschiedene Herauslösung der bisherigen Landeshauptstadt Wien aus dem früheren Kronland Niederösterreich auch eigentumsrechtlich vollzogen wurde. Die Trennungsgesetze werden in der Literatur oft mit dem bereits 1920 erfolgten Ausscheiden Wiens aus Niederösterreich verwechselt. Die [[Bundesverfassung]] hatte 1920 als Übergangslösung neben dem Niederösterreichischen und dem [[Wiener Landtag]] für gemeinsame Angelegenheiten auch noch einen Gemeinsamen Landtag vorgesehen; dieser wurde aber nicht benötigt, da die beiden neuen Bundesländer nicht die Absicht hatten, politische Gemeinsamkeiten aufrechtzuerhalten.
 
Bezeichnung für die von [[Wien]] und [[Niederösterreich]] Ende 1921 beschlossenen, gleichlautenden Gesetze, mit denen die durch die Bundesverfassung am 10. November 1920 und die Wiener [[Stadtverfassung]] vom 18. November 1920 entschiedene Herauslösung der bisherigen Landeshauptstadt Wien aus dem früheren Kronland Niederösterreich auch eigentumsrechtlich vollzogen wurde. Die Trennungsgesetze werden in der Literatur oft mit dem bereits 1920 erfolgten Ausscheiden Wiens aus Niederösterreich verwechselt. Die [[Bundesverfassung]] hatte 1920 als Übergangslösung neben dem Niederösterreichischen und dem [[Wiener Landtag]] für gemeinsame Angelegenheiten auch noch einen Gemeinsamen Landtag vorgesehen; dieser wurde aber nicht benötigt, da die beiden neuen Bundesländer nicht die Absicht hatten, politische Gemeinsamkeiten aufrechtzuerhalten.
  
Die Trennungsgesetze vom 29. Dezember 1921, die mit 1. Jänner 1922 in Kraft traten, trugen dem Wunsch nach möglichst vollständiger Trennung, auch was das Eigentum des bisherigen gemeinsamen Landes betraf, Rechnung. Sie enthielten auch Bestimmungen über Anlagen und Objekte, die aufgrund der Trennung den Besitzer wechselten (beispielsweise Niederösterreichische [[Landesirrenanstalt]], "Steinhof"). Eine späte Wirkung der Trennungsgesetze ergab sich, als Niederösterreich in den 1990er Jahren seine Landesregierung und seinen Landtag nach St. Pölten verlegte. Die Gesetze hatten 1921 nämlich vorgesehen, dass das [[Niederösterreichisches Landhaus|Niederösterreichische Landhaus]] in der Wiener [[Herrengasse]] (heute "Palais Niederösterreich" genannt) dem neuen Land Niederösterreich ohne Wien so lang allein zur Verfügung stehen würde, so lang der niederösterreichische Regierungssitz sich in Wien befinde. Um weiterhin das ganze Gebäude zu besitzen, musste Niederösterreich den nach seinem politischen Auszug auflebenden Hälfteanteil der Stadt Wien am Landhaus ablösen.
+
Die Trennungsgesetze vom 29. Dezember 1921, die mit 1. Jänner 1922 in Kraft traten, trugen dem Wunsch nach möglichst vollständiger Trennung, auch was das Eigentum des bisherigen gemeinsamen Landes betraf, Rechnung. Sie enthielten auch Bestimmungen über Anlagen und Objekte, die aufgrund der Trennung den Besitzer wechselten (beispielsweise Niederösterreichische [[Landesirrenanstalt]], "Steinhof"). Eine späte Wirkung der Trennungsgesetze ergab sich, als Niederösterreich in den 1990er Jahren seine Landesregierung und seinen Landtag nach St. Pölten verlegte. Die Gesetze hatten 1921 nämlich vorgesehen, dass das [[Niederösterreichisches Landhaus|Niederösterreichische Landhaus]] in der Wiener [[Herrengasse]] (heute "Palais Niederösterreich" genannt) dem neuen Land Niederösterreich ohne Wien so lang allein zur Verfügung stehen würde, so lang der niederösterreichische Regierungssitz sich in Wien befinde. Nach der Verlegung des niederösterreichischen Regierungssitzes nach St. Pölten besaß das Land Wien ein Vorkaufsrecht auf welches Wien jedoch verzichtete. Der Anteil der Stadt Wien am Landhaus wurde durch das Land Niederösterreich durch Immobilien die sich auf dem Gebiet der Stadt Wien im Besitz des Landes Niederösterreich befanden abgelöst.
  
 
Die auf die letzten Wiener Eingemeindungen bis 1910 zurückgehenden Grenzen zwischen den beiden neuen Bundesländern wurden 1938 durch die nationalsozialistische Gebietsreform verändert: Es wurden 97 niederösterreichische Ortsgemeinden in die Stadt Wien (bald Reichsgau Wien) eingemeindet, wodurch [[Groß-Wien]] entstand. 1946 wurde verfassungsrechtlich in Wien, in Niederösterreich und im Bund entschieden, 80 dieser Gemeinden an Niederösterreich rückzugliedern. Auf Grund eines Einspruchs der sowjetischen Besatzungsmacht konnten diese Verfassungsgesetze erst 1954 kundgemacht werden und in Kraft treten. 17 im Jahr 1938 eingemeindete Orte (darunter [[Stammersdorf (Vorort)|Stammersdorf]], [[Süßenbrunn (Vorort)|Süßenbrunn]], [[Eßling]], [[Albern]], [[Unterlaa]], [[Oberlaa]], [[Rothneusiedl]], die Orte des heutigen [[23|23. Bezirks]], der [[Lainzer Tiergarten]] und [[Hadersdorf-Weidlingau]]) blieben bei Wien.
 
Die auf die letzten Wiener Eingemeindungen bis 1910 zurückgehenden Grenzen zwischen den beiden neuen Bundesländern wurden 1938 durch die nationalsozialistische Gebietsreform verändert: Es wurden 97 niederösterreichische Ortsgemeinden in die Stadt Wien (bald Reichsgau Wien) eingemeindet, wodurch [[Groß-Wien]] entstand. 1946 wurde verfassungsrechtlich in Wien, in Niederösterreich und im Bund entschieden, 80 dieser Gemeinden an Niederösterreich rückzugliedern. Auf Grund eines Einspruchs der sowjetischen Besatzungsmacht konnten diese Verfassungsgesetze erst 1954 kundgemacht werden und in Kraft treten. 17 im Jahr 1938 eingemeindete Orte (darunter [[Stammersdorf (Vorort)|Stammersdorf]], [[Süßenbrunn (Vorort)|Süßenbrunn]], [[Eßling]], [[Albern]], [[Unterlaa]], [[Oberlaa]], [[Rothneusiedl]], die Orte des heutigen [[23|23. Bezirks]], der [[Lainzer Tiergarten]] und [[Hadersdorf-Weidlingau]]) blieben bei Wien.
 
   
 
   
 
==Literatur==
 
==Literatur==
 +
*Maren Seliger: Bundesland Wien - Zur Entstehungsgeschichte der Trennung Wiens von Niederösterreich. In: Wiener Geschichtsblätter 37 (1982) 181-216
 
* Barbara Steininger: Der Trennungsprozess von Wien und Niederösterreich – rechtliche, politische und ökonomische Aspekte – oder: Szenen einer Scheidung. In: Elisabeth Loinig, Stefan Eminger, Andreas Weigl: Wien und Niederösterreich – eine untrennbare Beziehung? St. Pölten: Verlag NÖ Institut für Landeskunde, 2017, S.138-156.
 
* Barbara Steininger: Der Trennungsprozess von Wien und Niederösterreich – rechtliche, politische und ökonomische Aspekte – oder: Szenen einer Scheidung. In: Elisabeth Loinig, Stefan Eminger, Andreas Weigl: Wien und Niederösterreich – eine untrennbare Beziehung? St. Pölten: Verlag NÖ Institut für Landeskunde, 2017, S.138-156.
 
* Der Standard, 29.12.2011
 
* Der Standard, 29.12.2011

Version vom 22. April 2020, 10:38 Uhr

Daten zum Eintrag
Datum von
Datum bis
Objektbezug Zwischenkriegszeit
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
Export RDF-Export (Resource Description Framework) RDF
Recherche
Letzte Änderung am 22.04.2020 durch WIEN1.lanm08wei

Es wurden noch keine Bezeichnungen erfasst!


Bezeichnung für die von Wien und Niederösterreich Ende 1921 beschlossenen, gleichlautenden Gesetze, mit denen die durch die Bundesverfassung am 10. November 1920 und die Wiener Stadtverfassung vom 18. November 1920 entschiedene Herauslösung der bisherigen Landeshauptstadt Wien aus dem früheren Kronland Niederösterreich auch eigentumsrechtlich vollzogen wurde. Die Trennungsgesetze werden in der Literatur oft mit dem bereits 1920 erfolgten Ausscheiden Wiens aus Niederösterreich verwechselt. Die Bundesverfassung hatte 1920 als Übergangslösung neben dem Niederösterreichischen und dem Wiener Landtag für gemeinsame Angelegenheiten auch noch einen Gemeinsamen Landtag vorgesehen; dieser wurde aber nicht benötigt, da die beiden neuen Bundesländer nicht die Absicht hatten, politische Gemeinsamkeiten aufrechtzuerhalten.

Die Trennungsgesetze vom 29. Dezember 1921, die mit 1. Jänner 1922 in Kraft traten, trugen dem Wunsch nach möglichst vollständiger Trennung, auch was das Eigentum des bisherigen gemeinsamen Landes betraf, Rechnung. Sie enthielten auch Bestimmungen über Anlagen und Objekte, die aufgrund der Trennung den Besitzer wechselten (beispielsweise Niederösterreichische Landesirrenanstalt, "Steinhof"). Eine späte Wirkung der Trennungsgesetze ergab sich, als Niederösterreich in den 1990er Jahren seine Landesregierung und seinen Landtag nach St. Pölten verlegte. Die Gesetze hatten 1921 nämlich vorgesehen, dass das Niederösterreichische Landhaus in der Wiener Herrengasse (heute "Palais Niederösterreich" genannt) dem neuen Land Niederösterreich ohne Wien so lang allein zur Verfügung stehen würde, so lang der niederösterreichische Regierungssitz sich in Wien befinde. Nach der Verlegung des niederösterreichischen Regierungssitzes nach St. Pölten besaß das Land Wien ein Vorkaufsrecht auf welches Wien jedoch verzichtete. Der Anteil der Stadt Wien am Landhaus wurde durch das Land Niederösterreich durch Immobilien die sich auf dem Gebiet der Stadt Wien im Besitz des Landes Niederösterreich befanden abgelöst.

Die auf die letzten Wiener Eingemeindungen bis 1910 zurückgehenden Grenzen zwischen den beiden neuen Bundesländern wurden 1938 durch die nationalsozialistische Gebietsreform verändert: Es wurden 97 niederösterreichische Ortsgemeinden in die Stadt Wien (bald Reichsgau Wien) eingemeindet, wodurch Groß-Wien entstand. 1946 wurde verfassungsrechtlich in Wien, in Niederösterreich und im Bund entschieden, 80 dieser Gemeinden an Niederösterreich rückzugliedern. Auf Grund eines Einspruchs der sowjetischen Besatzungsmacht konnten diese Verfassungsgesetze erst 1954 kundgemacht werden und in Kraft treten. 17 im Jahr 1938 eingemeindete Orte (darunter Stammersdorf, Süßenbrunn, Eßling, Albern, Unterlaa, Oberlaa, Rothneusiedl, die Orte des heutigen 23. Bezirks, der Lainzer Tiergarten und Hadersdorf-Weidlingau) blieben bei Wien.

Literatur

  • Maren Seliger: Bundesland Wien - Zur Entstehungsgeschichte der Trennung Wiens von Niederösterreich. In: Wiener Geschichtsblätter 37 (1982) 181-216
  • Barbara Steininger: Der Trennungsprozess von Wien und Niederösterreich – rechtliche, politische und ökonomische Aspekte – oder: Szenen einer Scheidung. In: Elisabeth Loinig, Stefan Eminger, Andreas Weigl: Wien und Niederösterreich – eine untrennbare Beziehung? St. Pölten: Verlag NÖ Institut für Landeskunde, 2017, S.138-156.
  • Der Standard, 29.12.2011
  • Wiener Zeitung, 29.12.2011

Links