Schwenders Vergnügungsetablissement: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Wien Geschichte Wiki
Wechseln zu:Navigation, Suche
Zeile 4: Zeile 4:
 
|Benannt nach=Carl Schwender der Ältere
 
|Benannt nach=Carl Schwender der Ältere
 
|Quelle=Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
 
|Quelle=Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
 +
|Bildname=HMW 032606.jpg
 +
|Bildunterschrift=Schwenders Kolosseum, um 1880
 +
|Bildquelle=HMW 32606, Foto: J.E. Stauda (?)
 +
|Bildrechte=Wien Museum
 
}}
 
}}
 
{{Adresse
 
{{Adresse

Version vom 26. Februar 2015, 09:26 Uhr

Schwenders Kolosseum, um 1880
Daten zum Bauwerk
Art des Bauwerks Gebäude
Datum von
Datum bis
Andere Bezeichnung Schwenders Casino, Schwenders Kolosseum
Frühere Bezeichnung
Benannt nach Carl Schwender der Ältere
Einlagezahl
Architekt
Prominente Bewohner
PageID 15166
GND
WikidataID
Objektbezug
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
Export RDF-Export (Resource Description Framework) RDF
Recherche
Letzte Änderung am 26.02.2015 durch DYN.lanmushot
Bildname HMW 032606.jpg
Bildunterschrift Schwenders Kolosseum, um 1880
  • 15., Mariahilfer Straße 189-191

Derzeit wurden noch keine Konskriptionsnummer zu diesem Bauwerk erfasst!

Die Karte wird geladen …

48° 11' 29.15" N, 16° 19' 50.95" E  zur Karte im Wien Kulturgut

Schwenders Vergnügungsetablissement am Braunhirschengrund (auch Schwenders Casino beziehungsweise Schwenders Kolosseum genannt; 15, Mariahilfer Straße, Reindorfgasse). Hier lag seinerzeit der Besitz (und Park; Arnsteinpalais (15)) des Ehepaars Henriette Arnstein († 1859; Tochter des Nathan Adam Arnsteiner und dessen Gattin Franziska ["Fanny"] Arnstein [beide † 1838], die ihren "Salon" zu einem Treffpunkt des geistigen Wien machte) und Heinrich Pereira-Arnstein († 1835). Ihr Sohn Ludwig war an seinem Erbe nicht interessiert, da ihn die in der Umgebung entstandenen Arbeiterviertel störten, und zog nach Hietzing, sodass Henriette Arnstein daranging, den Besitz zu veräußern. Da er jedoch als Ganzes unverkäuflich war, ließ sie ihn parzellieren (die Verkäufe der Parkgründe zogen sich bis 1862). Carl Schwender der Ältere, der 1835 einen Kuhstall samt einem angrenzenden kleinen Teil des Schlossgartens gepachtet hatte, richtete hier ein Kaffeehaus ein, sah sich infolge des regen Besuchs jedoch bald genötigt, das Etablissement zu vergrößern (wobei er in Kauf nahm, einen Teil des ehemaligen Schlossgartens zu verbauen).

Schräg gegenüber (15, Reindorfgasse 1) stand 1849-1862 das Sommertheater von Alois Pokorny (Braunhirschentheater). Entlang der Mariahilfer Straße (Ecke Arnsteingasse) ließ Schwender einen imposanten Saal und ein Hotel (15, Reindorfgasse [damals Kirchengasse] 3) errichten. Die Besucher brachte er mit Hilfe eines eigenen Fuhrunternehmens (Landkutschen, Stellfuhren, später Omnibusse) in den Vorort. Der steile Rain, an dem das Bauwerk lag, ermöglichte es, das Souterrain talseitig als Vestibül sowie für Restaurationsräume, Küchen, Schenken und so weiter zu verwenden. Der Haupteingang zum Saal befand sich am Beginn der heutigen Schwendergasse, von wo man über eine imposante Haupttreppe in den Ballsaal gelangte, der etwa auf gleicher Höhe mit der an ihm vorbeiführenden Schönbrunner Straße (heute Mariahilfer Straße) lag. An der Stirnseite, mit dem Saal verbunden, befand sich das Café. Oberhalb der Prachtstiege und des Kaffeehauses war die Galerie des Saals, auf der man ebenfalls speisen konnte und in deren Hintergrund sich ein größerer, abgetrennter Theaterraum befand. Dort führte Prof. Schütze auf einer Drehbühne seine "Tableaux vivants" vor.

Nach kaum zehn Jahren war "der Schwender" das beliebteste Balllokal der Kaiserstadt und dermaßen gut besucht, dass man es erweitern musste. Schwender überbaute nun den ehemaligen Kuhstall. Auch dieser Teil enthielt im Erdgeschoß Räumlichkeiten zu verschiedensten Zwecken und darüber (parallel zum anderen Saal) noch einen riesigen Tanzsaal. Beide Säle waren durch breite, die heutigen Schwendergasse überspannende Korridorbrücken verbunden. An der stadtseitigen Stirnfront setzte sich das Kaffeehaus fort (es lag hier, den Niveauverhältnissen entsprechend, im ersten Stock), die gegenüberliegende Schmalseite gab Raum für eine Terrasse mit Wintergarten und Konditorei. Der Raum für das Orchester lag ebenfalls im ersten Stock über dem Saalparkett und hatte die Gestalt einer riesigen Muschel. Gleichlaufend mit dem Tanzparkett und darüber zu beiden Seiten des Orchesters zogen sich die Räume des Restaurants hin. Treppen an den beiden Enden des Saals führten ins Parterre. Dieser "Bierhalle" genannte Raum besaß sein eigenes Orchester, wo auch die "Deutschmeister" spielten. Die beiden Säle wurden nun "Amorsaal" und "Florasaal" (der neuere) genannt. Aber bald erwiesen sich auch diese, nunmehr Kolosseum genannten Riesenräume als zu eng, und Schwender baute, einen Teil des talwärts gelegenen Gartens opfernd, noch einen Saal dazu, den er "Harmoniesaal" nannte. Mit seinem an der Arnsteingasse gelegenen Vestibül war ein gleichzeitig geschaffenes Theater mit einem Fassungsraum von rund 500 Personen verbunden, das 1849-1861 in Betrieb war. Die Bühne lag an den Hinterfronten der Häuser der Reindorfgasse, die Garderoben und Kanzleilokalitäten befanden sich unterhalb des Florasaals (mit Zugang von der Schwendergasse).

Schwender, der schon früher in der Bierhalle ein Varieté eingerichtet hatte, übertrug dieses nun in sein Theater. Die Darbietungen begannen erst nach Schluss der anderen Theater. Harmoniesaal und Annexe wurden nach 22 Uhr mit dem gesamten anderen Etablissement verbunden. Den eigentlichen Theaterbetrieb pachtete der damals sehr bekannte Agent C. A. Sachse. Das Theater wurde häufig als Versuchsbühne benutzt. Viele hervorragende Künstler haben dort gespielt. Die letzte Direktorin war Frau Cuerniawski-Löwe. Am 26. April 1897 schloss das Theater seine Pforten für immer. Es war in Blau und Silber gehalten und zeigte an den Seitenwänden vier prächtige Bilder: Krones als Jugend, Ferdinand Raimund als Aschenmann, Nestroy als Sansquartier und Scholz als Eulenspiegel. Es hatte eine Galerie und vier Logen. In den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts erlebte das Etablissement seine Blütezeit. Berühmt und von der Bürgerschaft gerne besucht waren Schwenders "Hausbälle" im Amorsaal, ebenso stark frequentiert waren die von ihm erfundenen "Lumpenbälle" und außerordentlich populär auch die Heringsschmäuse am Aschermittwoch. Auf langen Tafeln standen Tausende von Tellern mit garnierten Heringen, überragt von Schaugerichten und kulinarischen Prachtstücken (beispielsweise "Hummerduell", "Forellenmenuett", "Orpheus auf dem Delphin" [einem Riesenlachs] und so weiter).

Das Vordringen der Demimonde, die Konkurrenz der Blumensäle, des Musikvereinssaals und andere Lokalitäten beeinträchtigten jedoch das Unternehmen. Schwender starb vor dem Konkurs am 2. Dezember 1866. Der Betrieb wurde am 26. April 1897 geschlossen und der Gebäudekomplex am 1. April 1898 demoliert. An seine Stelle kamen der "Schwenderhof (15, Mariahilfer Straße 189-191) und weitere Miethäuser.

Literatur

  • Friedrich Reischl: Wien zur Biedermeierzeit. Volksleben in Wiens Vorstädten nach zeitgenössischen Schilderungen. Wien: Gerlach 1921, S. 48 ff.
  • Edgar Weyrich: Rudolfsheim und Fünfhaus. Ein Heimatbuch. Wien: Selbstverlag 1922, S. 11 ff., 41
  • Christine Klusacek / Kurt Stimmer: Rudolfsheim-Fünfhaus. Zwischen Wienfluß und Schmelz. Wien: Mohl 1978, S. 116 ff., 129 f.
  • Felix Czeike: XV. Rudolfsheim-Fünfhaus. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1980 (Wiener Bezirkskulturführer, 15), S. 33 f.
  • Sigmund Wilheim: Wiener Wandelbilder. Wien [u.a.]: Rosenbaum 1912, S. 151 ff., 217 ff.
  • Max Singer / Philipp Fahrbach: Alt-Wiener Erinnerungen. 1933, S. 156 f.
  • Gustav Gugitz: Bibliographie zur Geschichte und Stadtkunde von Wien. Hg. vom Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien. Band 4: Profane Topographie nach den 21 Bezirken (2. - 21. Bezirk). Wien: Jugend & Volk 1958, S. 376