Rathaus-Wettbewerb: Unterschied zwischen den Versionen

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[[Friedrich Schmidt]] (1825–¬1891, 1886 geadelt) war zur Zeit des Rathauswettweberbes bereits ein arrivierter Architekt: Er war 1868 Oberbaurat, Professor an der k. k. Akademie der Künste und Dombaumeister zu St. Stephan in Wien. Seine praktische Ausbildung hat er in der Dombauhütte Köln absolviert, dem wichtigsten Zentrum der neugotischen Bewegung in Deutschland (1848 Meisterprüfung Maurer und Steinmetz), an der Berliner Bauakademie absolvierte er eine akademische Ausbildung (Abschluss 1856). Schmidt hatte als Architekt sehr viele Sakralbauten geschaffen, aber auch im säkularen Bereich gearbeitet. In Bezug auf öffentliche Bauten war im Zusammenhang mit dem Rathauswettbewerb der Bau des akademischen Gymnasiums in Wien (1863–1866) bis dahin wohl  sein relevantestes Werk. 1865 legte er einen Konkurrenzentwurf für das Wiener Reichsratsgebäude vor (das heutige Parlamentsgebäude), der sich nicht durchsetzen konnte. Hier war ein riesiger gotischer Bau über kompliziertem Grundriss von einer monumentalen Kuppel bekrönt. Die  Bannerträgerfigur an der Spitze erinnert stark an den späteren „Rathausmann“. Schmidt galt als Experte für gotische Baukunst, der auch im Bereich der Denkmalpflege tätig war (Mitglied der k. k. Zentralkommission 1860).  
 
[[Friedrich Schmidt]] (1825–¬1891, 1886 geadelt) war zur Zeit des Rathauswettweberbes bereits ein arrivierter Architekt: Er war 1868 Oberbaurat, Professor an der k. k. Akademie der Künste und Dombaumeister zu St. Stephan in Wien. Seine praktische Ausbildung hat er in der Dombauhütte Köln absolviert, dem wichtigsten Zentrum der neugotischen Bewegung in Deutschland (1848 Meisterprüfung Maurer und Steinmetz), an der Berliner Bauakademie absolvierte er eine akademische Ausbildung (Abschluss 1856). Schmidt hatte als Architekt sehr viele Sakralbauten geschaffen, aber auch im säkularen Bereich gearbeitet. In Bezug auf öffentliche Bauten war im Zusammenhang mit dem Rathauswettbewerb der Bau des akademischen Gymnasiums in Wien (1863–1866) bis dahin wohl  sein relevantestes Werk. 1865 legte er einen Konkurrenzentwurf für das Wiener Reichsratsgebäude vor (das heutige Parlamentsgebäude), der sich nicht durchsetzen konnte. Hier war ein riesiger gotischer Bau über kompliziertem Grundriss von einer monumentalen Kuppel bekrönt. Die  Bannerträgerfigur an der Spitze erinnert stark an den späteren „Rathausmann“. Schmidt galt als Experte für gotische Baukunst, der auch im Bereich der Denkmalpflege tätig war (Mitglied der k. k. Zentralkommission 1860).  
 
Die Wahl des Baustiles wurde den Architekten in der Ausschreibung zum Rathauswettbewerb freigestellt. Die Wahl jener Stilepoche, die für einen Bau zum Vorbild genommen wurde, war freilich nicht willkürlich. Einerseits hing die Wahl von der Bauaufgabe ab, andererseits war damit mitunter auch eine politische Aussage verbunden. Nahm man im Fall des Reichsratsgebäudes griechische Tempelarchitektur zum Vorbild, um die Wiege der Demokratie zu würdigen, konnte man im Falle des Rathauses die Gotik insofern rechtfertigen, als dass man eine „bürgerliche städtische Autonomie“ im Spätmittelalter vor Augen führen bzw. daran anknüpfen wollte. Andererseits war die (Kathedral-)Gotik mit katholischer Religion verknüpft. Daher stand das liberale Bürgertum dem neugotischen Stil zwiespältig gegenüber. Das Rathausprojekt von Friedrich Schmidt bekam den ersten Preis in erster Linie wegen seiner überragenden architektonischen Qualität, also trotz der Stilwahl Schmidts. Beim Rathausbau wurde allerdings ein Stil verwendet, der nur auf den ersten Blick als gotisch erscheint. Tatsächlich entsprach er in vielem nicht Grundsätzen gotischen Stilempfindens. Schmidt selbst hatte den Stil nicht als gotisch eingestuft. Besser sollte man von einem Hybridstil sprechen. Technisch gesehen setzte man – wie das übrigens auch bei der Vollendung des Kölner Doms im 19. Jahrhundert der Fall war – die alten Stilvorbilder mit modernsten Mitteln um.
 
Die Wahl des Baustiles wurde den Architekten in der Ausschreibung zum Rathauswettbewerb freigestellt. Die Wahl jener Stilepoche, die für einen Bau zum Vorbild genommen wurde, war freilich nicht willkürlich. Einerseits hing die Wahl von der Bauaufgabe ab, andererseits war damit mitunter auch eine politische Aussage verbunden. Nahm man im Fall des Reichsratsgebäudes griechische Tempelarchitektur zum Vorbild, um die Wiege der Demokratie zu würdigen, konnte man im Falle des Rathauses die Gotik insofern rechtfertigen, als dass man eine „bürgerliche städtische Autonomie“ im Spätmittelalter vor Augen führen bzw. daran anknüpfen wollte. Andererseits war die (Kathedral-)Gotik mit katholischer Religion verknüpft. Daher stand das liberale Bürgertum dem neugotischen Stil zwiespältig gegenüber. Das Rathausprojekt von Friedrich Schmidt bekam den ersten Preis in erster Linie wegen seiner überragenden architektonischen Qualität, also trotz der Stilwahl Schmidts. Beim Rathausbau wurde allerdings ein Stil verwendet, der nur auf den ersten Blick als gotisch erscheint. Tatsächlich entsprach er in vielem nicht Grundsätzen gotischen Stilempfindens. Schmidt selbst hatte den Stil nicht als gotisch eingestuft. Besser sollte man von einem Hybridstil sprechen. Technisch gesehen setzte man – wie das übrigens auch bei der Vollendung des Kölner Doms im 19. Jahrhundert der Fall war – die alten Stilvorbilder mit modernsten Mitteln um.
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[[Datei:1 2 Schmidt.jpg|390px|thumb|right|Grundriß erster Stock, Projekt Friedrich Schmidt]]
  
 
===2. Preis: Ambroise Baudry: „Ojala“===
 
===2. Preis: Ambroise Baudry: „Ojala“===
 
Amboise Baudry (1838–1906) hat von allen ausländischen Einreichungen mit seinem Projekt die beste Platzierung erreicht. Der Wettbewerb für das Wiener Rathaus ist insbesondere in Frankreich auf großes Interesse gestoßen. Mit Unterstützung des österreichischen Generalkonsuls in Paris und des österreichischen Botschafters in Brüssel war in der Architekturzeitschrift „Le Moniteur des Architectes“ eine französische Übersetzung der Ausschreibung erschienen.  
 
Amboise Baudry (1838–1906) hat von allen ausländischen Einreichungen mit seinem Projekt die beste Platzierung erreicht. Der Wettbewerb für das Wiener Rathaus ist insbesondere in Frankreich auf großes Interesse gestoßen. Mit Unterstützung des österreichischen Generalkonsuls in Paris und des österreichischen Botschafters in Brüssel war in der Architekturzeitschrift „Le Moniteur des Architectes“ eine französische Übersetzung der Ausschreibung erschienen.  
 
Baudry war nicht nur Architekt, sondern auch Maler mit einem starken Interesse für Archäologie. 1867 gestaltete er den rumänischen Teil auf der Pariser Weltausstellung. Am Wiener Wettbewerbsprojekt arbeitete er von April bis August 1869. Im Mai 1870 präsentierte er es im Pariser Salon. Dem Wiener Projekt wurde eine gute Grunddisposition bescheinigt, die effiziente Publikumsströme und Kommunikationswege mit einschloss. Allerdings fehlte dem an französischen Renaissanceformen orientierten Entwurf ein großer Innenhof, da die Repräsentationsräume die Anlage von Längs- und Quertrakt notwendig machte. Was ebenfalls als Manko betrachtet wurde, war der für ein Rathaus als zu klein empfundene Turm. Es gab an der Ringstraßenfront kein Hauptportal, sondern zwei symmetrisch angeordnete Portale.
 
Baudry war nicht nur Architekt, sondern auch Maler mit einem starken Interesse für Archäologie. 1867 gestaltete er den rumänischen Teil auf der Pariser Weltausstellung. Am Wiener Wettbewerbsprojekt arbeitete er von April bis August 1869. Im Mai 1870 präsentierte er es im Pariser Salon. Dem Wiener Projekt wurde eine gute Grunddisposition bescheinigt, die effiziente Publikumsströme und Kommunikationswege mit einschloss. Allerdings fehlte dem an französischen Renaissanceformen orientierten Entwurf ein großer Innenhof, da die Repräsentationsräume die Anlage von Längs- und Quertrakt notwendig machte. Was ebenfalls als Manko betrachtet wurde, war der für ein Rathaus als zu klein empfundene Turm. Es gab an der Ringstraßenfront kein Hauptportal, sondern zwei symmetrisch angeordnete Portale.

Version vom 26. August 2014, 16:27 Uhr

Siegerentwurf von Friedrich Schmidt für den Rathauswettbewerb (1868/69)
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Letzte Änderung am 26.08.2014 durch WIEN1.lanm08swa
Bildname Rathaus Schmidt.jpg
Bildunterschrift Siegerentwurf von Friedrich Schmidt für den Rathauswettbewerb (1868/69)

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Die Ausweitung der Kompetenzen der Stadtverwaltung, das andauernde Bevölkerungswachstum und das flächenmäßige Wachstum Wiens führten zu einem erhöhten Platzbedarf der Verwaltungsorgane. Wiewohl das damalige Rathaus in der Wipplingerstraße immer wieder um- und ausgebaut wurde, waren die Platznöte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts untragbar geworden. Dazu kam freilich auch der repräsentative Aspekt. Im Zuge der Schleifung der Befestigungen und der Anlage der Ringstraße ab 1857 wurden die Pläne für den Bau eines neuen Rathauses konkreter. Eine wesentliche Frage war die des Bauplatzes. Ein vom Stadterweiterungsfonds angebotenes Areal hinter der Börse wurde abgelehnt. 1863 wurde der Gemeinde ein Bauplatz am Parkring gegenüber dem heutigen Stadtpark, eingeschlossen von Johannesgasse und Weihburggasse. Die Gemeinde musste sich im Gegenzug dazu verpflichten, bis 1869 mit der Errichtung des „Stadthauses“ zu beginnen. Da sich der Bau lange verzögerte, wurde die Baulücke Communalloch genannt.

Die Ausschreibung

Bis 1868 wurde ein Raumprogramm erstellt. Die Wettbewerbsausschreibung zur Errichtung eines Rathauses wurde am 22. Mai 1868 vom Gemeinderat verabschiedet und im Anschluss veröffentlicht. Das Programm lässt erkennen, dass für den Bau zahlreiche Repräsentationsräume vorgesehen waren. Bis am 1. September 1869 waren Wettbewerbspläne beim Präsidium des Gemeinderates anonymisiert (Mit einem Motto versehen, einzureichen. Insgesamt langten bei hoher internationaler Beteiligung 64 Entwürfe ein. Es wurden von einem Schiedsgericht die besten 12 Entwürfe prämiert. Als Sieger ging das Projekt Friedrich Schmidts aus dem Wettbewerb hervor. Der Gemeinderat wurde am 12. Oktober 1869 vom Ergebnis informiert. Auf Initiative des neuen Bürgermeisters Cajetan Felder wurde der Bauplatz beim Stadtpark gegen ein wesentlich größeres und besser gelegenes Areal getauscht. Das Siegerprojekt wurde 1872 bis 1883 mit geringen Änderungen umgesetzt (siehe Rathaus).

Die Projekte

1. Preis: Friedrich Schmidt: „Saxa loquuntur“

Friedrich Schmidt (1825–¬1891, 1886 geadelt) war zur Zeit des Rathauswettweberbes bereits ein arrivierter Architekt: Er war 1868 Oberbaurat, Professor an der k. k. Akademie der Künste und Dombaumeister zu St. Stephan in Wien. Seine praktische Ausbildung hat er in der Dombauhütte Köln absolviert, dem wichtigsten Zentrum der neugotischen Bewegung in Deutschland (1848 Meisterprüfung Maurer und Steinmetz), an der Berliner Bauakademie absolvierte er eine akademische Ausbildung (Abschluss 1856). Schmidt hatte als Architekt sehr viele Sakralbauten geschaffen, aber auch im säkularen Bereich gearbeitet. In Bezug auf öffentliche Bauten war im Zusammenhang mit dem Rathauswettbewerb der Bau des akademischen Gymnasiums in Wien (1863–1866) bis dahin wohl sein relevantestes Werk. 1865 legte er einen Konkurrenzentwurf für das Wiener Reichsratsgebäude vor (das heutige Parlamentsgebäude), der sich nicht durchsetzen konnte. Hier war ein riesiger gotischer Bau über kompliziertem Grundriss von einer monumentalen Kuppel bekrönt. Die Bannerträgerfigur an der Spitze erinnert stark an den späteren „Rathausmann“. Schmidt galt als Experte für gotische Baukunst, der auch im Bereich der Denkmalpflege tätig war (Mitglied der k. k. Zentralkommission 1860). Die Wahl des Baustiles wurde den Architekten in der Ausschreibung zum Rathauswettbewerb freigestellt. Die Wahl jener Stilepoche, die für einen Bau zum Vorbild genommen wurde, war freilich nicht willkürlich. Einerseits hing die Wahl von der Bauaufgabe ab, andererseits war damit mitunter auch eine politische Aussage verbunden. Nahm man im Fall des Reichsratsgebäudes griechische Tempelarchitektur zum Vorbild, um die Wiege der Demokratie zu würdigen, konnte man im Falle des Rathauses die Gotik insofern rechtfertigen, als dass man eine „bürgerliche städtische Autonomie“ im Spätmittelalter vor Augen führen bzw. daran anknüpfen wollte. Andererseits war die (Kathedral-)Gotik mit katholischer Religion verknüpft. Daher stand das liberale Bürgertum dem neugotischen Stil zwiespältig gegenüber. Das Rathausprojekt von Friedrich Schmidt bekam den ersten Preis in erster Linie wegen seiner überragenden architektonischen Qualität, also trotz der Stilwahl Schmidts. Beim Rathausbau wurde allerdings ein Stil verwendet, der nur auf den ersten Blick als gotisch erscheint. Tatsächlich entsprach er in vielem nicht Grundsätzen gotischen Stilempfindens. Schmidt selbst hatte den Stil nicht als gotisch eingestuft. Besser sollte man von einem Hybridstil sprechen. Technisch gesehen setzte man – wie das übrigens auch bei der Vollendung des Kölner Doms im 19. Jahrhundert der Fall war – die alten Stilvorbilder mit modernsten Mitteln um.

Grundriß erster Stock, Projekt Friedrich Schmidt

2. Preis: Ambroise Baudry: „Ojala“

Amboise Baudry (1838–1906) hat von allen ausländischen Einreichungen mit seinem Projekt die beste Platzierung erreicht. Der Wettbewerb für das Wiener Rathaus ist insbesondere in Frankreich auf großes Interesse gestoßen. Mit Unterstützung des österreichischen Generalkonsuls in Paris und des österreichischen Botschafters in Brüssel war in der Architekturzeitschrift „Le Moniteur des Architectes“ eine französische Übersetzung der Ausschreibung erschienen. Baudry war nicht nur Architekt, sondern auch Maler mit einem starken Interesse für Archäologie. 1867 gestaltete er den rumänischen Teil auf der Pariser Weltausstellung. Am Wiener Wettbewerbsprojekt arbeitete er von April bis August 1869. Im Mai 1870 präsentierte er es im Pariser Salon. Dem Wiener Projekt wurde eine gute Grunddisposition bescheinigt, die effiziente Publikumsströme und Kommunikationswege mit einschloss. Allerdings fehlte dem an französischen Renaissanceformen orientierten Entwurf ein großer Innenhof, da die Repräsentationsräume die Anlage von Längs- und Quertrakt notwendig machte. Was ebenfalls als Manko betrachtet wurde, war der für ein Rathaus als zu klein empfundene Turm. Es gab an der Ringstraßenfront kein Hauptportal, sondern zwei symmetrisch angeordnete Portale.