Leopoldstädter Tempel Synagoge der Israelitischen Kultusgemeinde 2, Tempelgasse 3: Unterschied zwischen den Versionen

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Leopoldstädter Tempel (2, Tempelgasse 3-5), erbaut 1853-1858 nach Plänen von [[Ludwig Christian Friedrich Förster|Ludwig Förster]] (Eröffnung 15. Juni 1858). Die größte Synagoge der Leopoldstadt im Stil des historisierenden Klassizismus befand sich freistehend in der Mitte zwischen zwei Höfen. Außen als Ziegelrohbau mit arabischen, maurischen und assyrischen architektonischen Formen gestaltet, bot sie sie in ihrem dreischiffigen Inneren Sitzplätze für über 2.000 Personen. Zu beiden Seiten lagen zwei der [[Israelitischen Kultusgemeinde]] gehörende vierstöckige Verwaltungsgebäude. 1898 wurde die Synagoge von [[Wilhelm Stiassny]] generalrenoviert und der Innenraum stilgerecht neu ausgeschmückt. Am 17. August 1917 wurde die Synagoge durch einen Brand verwüstet, die Restaurierung dauerte bis zum Jahr 1921. In der Liturgie und Gemeindearbeit wirkten bedeutende Rabbiner wie [[Adolf Jellinek]], [[Dr. Adolf Schmiedl]], [[Dr. Max Grünwald]], [[Dr. Moritz Güdemann]] und [[Dr. Israel Taglicht]], sowie Kantoren wie [[Julius Sulzer]] und [[Josef Goldstein]]. Während des Novemberpogroms wurde die Synagoge am frühen Morgen des 10. November 1938 in Brand gesetzt und zerstört. Die Ruinen wurden erst 1951 vollständig abgetragen. Das nördliche Verwaltungsgebäude, in dem sich die von Adolf Jelinek gegründete [[Israelitisch-Theologische Lehranstalt]] “Beth Hamidrasch“ und die Mikweh, das Rituelle Tauchbad befanden, blieb erhalten. Das südliche Verwaltungsgebäude beherbergte die wertvolle Bibliothek der Israelitischen Kultusgemeinde Wien. Während des Novemberpogroms wurden das Inventar der Synagoge und die Bibliothek von SS, SA und Gestapo geschändet. Teile der Bibliothek konnten durch den Professor für Judaistik Prof. Dr. [[Kurt Schubert]] 1943 gerettet und nach 1945 nach Israel verbracht werden. Die Räumlichkeiten des erhalten gebliebenen, nördlichen Verwaltungsgebäudes wurden nach Zerstörung des Tempels und nach der zwangsweisen Räumung der Wohnungen und Büros von der Israelitischen Kultusgemeinde bis 1940 für Umschulungskurse der [[Jugendalijah]], für Aktivitäten der jüdischen Jugendbewegungen und den Schulunterreicht für jüdische Kinder genutzt. In diesem Haus befand sich nach der Liquidation der anderen Heime in den Jahren 1942 bis 1945 das Kinderheim der [[Israelitischen Kultusgemeinde|Israelitische Kultusgemeinde]]. Zahlreiche jüdische Kinder wurden von dort in die Vernichtungslager deportiert und ermordet, nur einige Kinder überlebten. Nach Ende des 2. Weltkrieges wurden ein Rückkehrerheim der [[Israelitischen Kultusgemeinde|Israelitische Kultusgemeinde]] und später im 1.und 2. Stock dieses Hauses die Synagoge der Bewegung [[Agudas Israel]] eingerichtet.
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Leopoldstädter Tempel (2, Tempelgasse 3-5), erbaut 1853-1858 nach Plänen von [[Ludwig Christian Friedrich Förster|Ludwig Förster]] (Eröffnung 15. Juni 1858). Die größte Synagoge der Leopoldstadt im Stil des historisierenden Klassizismus befand sich freistehend in der Mitte zwischen zwei Höfen. Außen als Ziegelrohbau mit arabischen, maurischen und assyrischen architektonischen Formen gestaltet, bot sie sie in ihrem dreischiffigen Inneren Sitzplätze für über 2.000 Personen. Zu beiden Seiten lagen zwei der [[Israelitischen Kultusgemeinde|Israelitische Kultusgemeinde]] gehörende vierstöckige Verwaltungsgebäude. 1898 wurde die Synagoge von [[Wilhelm Stiassny]] generalrenoviert und der Innenraum stilgerecht neu ausgeschmückt. Am 17. August 1917 wurde die Synagoge durch einen Brand verwüstet, die Restaurierung dauerte bis zum Jahr 1921. In der Liturgie und Gemeindearbeit wirkten bedeutende Rabbiner wie [[Adolf Jellinek]], [[Dr. Adolf Schmiedl]], [[Dr. Max Grünwald]], [[Dr. Moritz Güdemann]] und [[Dr. Israel Taglicht]], sowie Kantoren wie [[Julius Sulzer]] und [[Josef Goldstein]]. Während des Novemberpogroms wurde die Synagoge am frühen Morgen des 10. November 1938 in Brand gesetzt und zerstört. Die Ruinen wurden erst 1951 vollständig abgetragen. Das nördliche Verwaltungsgebäude, in dem sich die von Adolf Jelinek gegründete [[Israelitisch-Theologische Lehranstalt]] “Beth Hamidrasch“ und die Mikweh, das Rituelle Tauchbad befanden, blieb erhalten. Das südliche Verwaltungsgebäude beherbergte die wertvolle Bibliothek der Israelitischen Kultusgemeinde Wien. Während des Novemberpogroms wurden das Inventar der Synagoge und die Bibliothek von SS, SA und Gestapo geschändet. Teile der Bibliothek konnten durch den Professor für Judaistik Prof. Dr. [[Kurt Schubert]] 1943 gerettet und nach 1945 nach Israel verbracht werden. Die Räumlichkeiten des erhalten gebliebenen, nördlichen Verwaltungsgebäudes wurden nach Zerstörung des Tempels und nach der zwangsweisen Räumung der Wohnungen und Büros von der Israelitischen Kultusgemeinde bis 1940 für Umschulungskurse der [[Jugendalijah]], für Aktivitäten der jüdischen Jugendbewegungen und den Schulunterreicht für jüdische Kinder genutzt. In diesem Haus befand sich nach der Liquidation der anderen Heime in den Jahren 1942 bis 1945 das Kinderheim der [[Israelitischen Kultusgemeinde|Israelitische Kultusgemeinde]]. Zahlreiche jüdische Kinder wurden von dort in die Vernichtungslager deportiert und ermordet, nur einige Kinder überlebten. Nach Ende des 2. Weltkrieges wurden ein Rückkehrerheim der [[Israelitischen Kultusgemeinde|Israelitische Kultusgemeinde]] und später im 1.und 2. Stock dieses Hauses die Synagoge der Bewegung [[Agudas Israel]] eingerichtet.
 
Das südliche Verwaltungsgebäude wurde 1951 abgetragen. Auf einem Teil des Areals dieses Gebäudes steht ein Wohnhaus, der Dr. [[Desider-Friedmann-Hof]].
 
Das südliche Verwaltungsgebäude wurde 1951 abgetragen. Auf einem Teil des Areals dieses Gebäudes steht ein Wohnhaus, der Dr. [[Desider-Friedmann-Hof]].
 
Auf einem Teil des Areals des Leopoldstädter Tempels befindet sich rückversetzt das [[Psychosoziale Zentrum Esra]]. Das Zentrum bietet psychologische und soziale Hilfe für Opfer des Holocaust, Nachkommen der Opfer des Holocaust und schwer traumatisierten Menschen.
 
Auf einem Teil des Areals des Leopoldstädter Tempels befindet sich rückversetzt das [[Psychosoziale Zentrum Esra]]. Das Zentrum bietet psychologische und soziale Hilfe für Opfer des Holocaust, Nachkommen der Opfer des Holocaust und schwer traumatisierten Menschen.

Version vom 4. Mai 2016, 14:37 Uhr

Daten zum Bauwerk
Art des Bauwerks Sakralbau
Datum von
Datum bis
Andere Bezeichnung Leopoldstädter Tempel
Frühere Bezeichnung
Benannt nach
Einlagezahl 2141
Architekt Ludwig Christian Friedrich Förster
Prominente Bewohner
PageID 22563
GND
WikidataID
Objektbezug
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
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Letzte Änderung am 4.05.2016 durch WIEN1.lanm08jen
  • 2., Tempelgasse 3-5

Frühere Adressierung
  • Nr.: 381 (Bezirk: Leopoldstadt (Vorstadt), 1770, bis: 1795)
  • Nr.: 485 (Bezirk: Leopoldstadt (Vorstadt), 1795, bis: 1821)
  • Nr.: 569 (Bezirk: Leopoldstadt (Vorstadt), 1821, bis: 1862)

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48° 12' 49.90" N, 16° 23' 6.24" E  zur Karte im Wien Kulturgut

Leopoldstädter Tempel (2, Tempelgasse 3-5), erbaut 1853-1858 nach Plänen von Ludwig Förster (Eröffnung 15. Juni 1858). Die größte Synagoge der Leopoldstadt im Stil des historisierenden Klassizismus befand sich freistehend in der Mitte zwischen zwei Höfen. Außen als Ziegelrohbau mit arabischen, maurischen und assyrischen architektonischen Formen gestaltet, bot sie sie in ihrem dreischiffigen Inneren Sitzplätze für über 2.000 Personen. Zu beiden Seiten lagen zwei der Israelitische Kultusgemeinde gehörende vierstöckige Verwaltungsgebäude. 1898 wurde die Synagoge von Wilhelm Stiassny generalrenoviert und der Innenraum stilgerecht neu ausgeschmückt. Am 17. August 1917 wurde die Synagoge durch einen Brand verwüstet, die Restaurierung dauerte bis zum Jahr 1921. In der Liturgie und Gemeindearbeit wirkten bedeutende Rabbiner wie Adolf Jellinek, Dr. Adolf Schmiedl, Dr. Max Grünwald, Dr. Moritz Güdemann und Dr. Israel Taglicht, sowie Kantoren wie Julius Sulzer und Josef Goldstein. Während des Novemberpogroms wurde die Synagoge am frühen Morgen des 10. November 1938 in Brand gesetzt und zerstört. Die Ruinen wurden erst 1951 vollständig abgetragen. Das nördliche Verwaltungsgebäude, in dem sich die von Adolf Jelinek gegründete Israelitisch-Theologische Lehranstalt “Beth Hamidrasch“ und die Mikweh, das Rituelle Tauchbad befanden, blieb erhalten. Das südliche Verwaltungsgebäude beherbergte die wertvolle Bibliothek der Israelitischen Kultusgemeinde Wien. Während des Novemberpogroms wurden das Inventar der Synagoge und die Bibliothek von SS, SA und Gestapo geschändet. Teile der Bibliothek konnten durch den Professor für Judaistik Prof. Dr. Kurt Schubert 1943 gerettet und nach 1945 nach Israel verbracht werden. Die Räumlichkeiten des erhalten gebliebenen, nördlichen Verwaltungsgebäudes wurden nach Zerstörung des Tempels und nach der zwangsweisen Räumung der Wohnungen und Büros von der Israelitischen Kultusgemeinde bis 1940 für Umschulungskurse der Jugendalijah, für Aktivitäten der jüdischen Jugendbewegungen und den Schulunterreicht für jüdische Kinder genutzt. In diesem Haus befand sich nach der Liquidation der anderen Heime in den Jahren 1942 bis 1945 das Kinderheim der Israelitische Kultusgemeinde. Zahlreiche jüdische Kinder wurden von dort in die Vernichtungslager deportiert und ermordet, nur einige Kinder überlebten. Nach Ende des 2. Weltkrieges wurden ein Rückkehrerheim der Israelitische Kultusgemeinde und später im 1.und 2. Stock dieses Hauses die Synagoge der Bewegung Agudas Israel eingerichtet. Das südliche Verwaltungsgebäude wurde 1951 abgetragen. Auf einem Teil des Areals dieses Gebäudes steht ein Wohnhaus, der Dr. Desider-Friedmann-Hof. Auf einem Teil des Areals des Leopoldstädter Tempels befindet sich rückversetzt das Psychosoziale Zentrum Esra. Das Zentrum bietet psychologische und soziale Hilfe für Opfer des Holocaust, Nachkommen der Opfer des Holocaust und schwer traumatisierten Menschen. Vier Säulen, entworfen vom Architekten Martin Kohlbauer, erinnern vor dem gegenwärtig freien Platz an die ehemaligen Minarette der Synagoge.

Literatur

  • Pierre Genee: Wiener Synagogen. Wien: Löcker 2014, S. 69-72
  • Bob Martens / Herbert Peter: Die zerstörten Synagogen Wiens. Virtuelle Spaziergänge. Budapest: Mandelbaum Verlag 2009, S. 21-30
  • Paul Kortz: Wien am Anfang des 20. Jahrhunderts. Ein Führer in technischer und künstlerischer Richtung. Hg. vom Oesterreichischen Ingenieur und Architekten-Verein. Wien: Gerlach & Wiedling 1906. Band 2, 1906, S. 89
  • Allgemeine Bauzeitung. Hg. von Ludwig, Heinrich und Emil Förster. Wien: Förster [u.a.]. 1859
  • Elisheva Shirion: Gedenkbuch der Synagogen und Jüdischen Gemeinden Österreichs. Hg. Vom Synagogen Memorial, Jerusalem. Wien: Berger-Horn 2012 (Synagogen Gedenkbücher Deutschland und Deutschsprachige Gebiete, 5 Österreich), S. 53-55
  • Yad Vashem 030/36
  • Central Archives of the History of the Jewish People (CAHP) A/W 1573,1