Lehrerbildung: Unterschied zwischen den Versionen

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Lehrerbildung. Bis ins 18. Jahrhundert gab es keine staatliche geregelte Ausbildung für Lehrer; oft hielten Kriegsveteranen oder Handwerker den Unterricht. Um 1770 schlug Joseph Messmer, „obrister Schulmeister" zu St. Stephan in Wien, die Errichtung einer [[Normalschule]] für die Heranbildung von Schulmeistern und Katecheten vor; 1771 wurde die Wiener Normalschule im „Curhause bei St. Stephan" (1, Stephansplatz 3-3A) als Stätte der Lehrerbildung eröffnet. Die am 6. Dezember 1774 erlassene „Allgemeine Schulordnung für die deutsche Normal-, Haupt- und Trivialschulen in sämtlichen kaiserlich-königlichen Erblanden" regelte eine drei- bis sechsmonatige Lehrerausbildung, die am 11. August 1805 erlassene „Politische Verfassung der deutschen Schulen" in einem dreimonatigen Kurs die Volksschullehrerausbildung, doch prägten das geringe Standesansehen, die „Bedienstetenstellung" gegenüber dem Pfarrer und die Verpflichtung zum Mesnerdienst das Image. 1848 forderten Wiener Schulgehilfen eine akademische Lehrerausbildung. Aufgrund des Konkordats von 1855 wurde das Schulrecht Teil des Kirchenrechts. Durch das [[Reichsvolksschulgesetz]] vom 1. März 1869 wurden vierjährige [[Lehrerbildungsanstalt]]en und [[Lehrerinnenbildungsanstalt]]en geschaffen (Eintritt mit dem 15. Lebensjahr nach strenger Aufnahmsprüfung, Abschluß mit Reifeprüfung, Ablegung der Lehrbefähigungsprüfung nach zweijähriger Schulpraxis). 1872 wurde die Forderung nach einer zweijährigen Pädagogischen Fachschule erhoben (losgelöst von der Lehrerbildungsanstalt, der Präparandie). Nach dem 1. Weltkrieg ließ [[Otto Glöckel]] „Leitsätze zur Neugestaltung der Lehrerbildung" formulieren (einheitliche Ausbildung für Lehrer aller Schulstufen und Schulgattungen); Voraussetzung war die Reifeprüfung ([[Matura]]). In Wien wurden (gegen den Widerstand der christlichsozialen Opposition) viersemestrige Lehrerbildungskurse am [[Pädagogischen Institut]] der Stadt Wien eingerichtet; es gab jedoch während der 1. Republik keine gesetzliche Änderung der Lehrerbildung, die fünfjährige Lehrerbildungsanstalt blieb bestehen. Das Lehrerbildungsgesetz 1937 sah eine „Lehrerakademie" vor (vie Jahre höhere Allgemeinbildung, zwei Jahre pädagogisch-didaktische Ausbildung), doch kam das Gesetz infolge der politischen Veränderungen nicht mehr zur Durchführung. Nach der Okkupation Österreichs (1938) schalteten sich nationalsozialistischen Parteiinstanzen in den Schulbetrieb ein. Die Lehrerbildungsanstalten wurden nach einem Statut von 1886 weitergeführt; die Entscheidung über die Zulassung der Lehrer wurde in „Ausleselagern" getroffen, die von Beauftragten der Hitler-Jugend geführt wurden. 1950 wurde ein neuer Lehrplan für Lehrerbildungsanstalten beschlossen (Unterricht in einer lebenden Fremdsprache und in Latein). Das Schulgesetzwerk 1962 schuf als Kompromiß zwischen den damaligen großen politischen Gruppierungen (Österreichische Volkspartei, Sozialistische (Sozialdemokratische) Partei Österreichs) die Organisationsform der [[Pädagogischen Akademie]] als zunächst zweijährige, (heute dreijährige), postsekundäre Einrichtung zur Ausbildung von Volksschullehrern. [[Lehrerbildungsanstalt]], [[Lehrerinnenbildung]], [[Lehrerinnenbildungsanstalt]].
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Lehrerbildung. Bis ins 18. Jahrhundert gab es keine staatliche geregelte Ausbildung für Lehrer; oft hielten Kriegsveteranen oder Handwerker den Unterricht. Um 1770 schlug Joseph Messmer, „obrister Schulmeister" zu St. Stephan in Wien, die Errichtung einer [[Normalschule]] für die Heranbildung von Schulmeistern und Katecheten vor; 1771 wurde die Wiener Normalschule im „Curhause bei St. Stephan" (1, Stephansplatz 3-3A) als Stätte der Lehrerbildung eröffnet. Die am 6. Dezember 1774 erlassene „Allgemeine Schulordnung für die deutsche Normal-, Haupt- und Trivialschulen in sämtlichen kaiserlich-königlichen Erblanden" regelte eine drei- bis sechsmonatige Lehrerausbildung, die am 11. August 1805 erlassene „Politische Verfassung der deutschen Schulen" in einem dreimonatigen Kurs die Volksschullehrerausbildung, doch prägten das geringe Standesansehen, die „Bedienstetenstellung" gegenüber dem Pfarrer und die Verpflichtung zum Mesnerdienst das Image. 1848 forderten Wiener Schulgehilfen eine akademische Lehrerausbildung. Aufgrund des Konkordats von 1855 wurde das Schulrecht Teil des Kirchenrechts. Durch das [[Reichsvolksschulgesetz]] vom 1. März 1869 wurden vierjährige [[Lehrerbildungsanstalt]]en und [[Lehrerinnenbildungsanstalt]]en geschaffen (Eintritt mit dem 15. Lebensjahr nach strenger Aufnahmsprüfung, Abschluß mit Reifeprüfung, Ablegung der Lehrbefähigungsprüfung nach zweijähriger Schulpraxis). 1872 wurde die Forderung nach einer zweijährigen Pädagogischen Fachschule erhoben (losgelöst von der Lehrerbildungsanstalt, der Präparandie). Nach dem 1. Weltkrieg ließ [[Otto Glöckel]] „Leitsätze zur Neugestaltung der Lehrerbildung" formulieren (einheitliche Ausbildung für Lehrer aller Schulstufen und Schulgattungen); Voraussetzung war die Reifeprüfung ([[Matura]]). In Wien wurden (gegen den Widerstand der christlichsozialen Opposition) viersemestrige Lehrerbildungskurse am [[Pädagogisches Institut der Stadt Wien|Pädagogischen Institut der Stadt Wien]] eingerichtet; es gab jedoch während der 1. Republik keine gesetzliche Änderung der Lehrerbildung, die fünfjährige Lehrerbildungsanstalt blieb bestehen. Das Lehrerbildungsgesetz 1937 sah eine „Lehrerakademie" vor (vie Jahre höhere Allgemeinbildung, zwei Jahre pädagogisch-didaktische Ausbildung), doch kam das Gesetz infolge der politischen Veränderungen nicht mehr zur Durchführung. Nach der Okkupation Österreichs (1938) schalteten sich nationalsozialistischen Parteiinstanzen in den Schulbetrieb ein. Die Lehrerbildungsanstalten wurden nach einem Statut von 1886 weitergeführt; die Entscheidung über die Zulassung der Lehrer wurde in „Ausleselagern" getroffen, die von Beauftragten der Hitler-Jugend geführt wurden. 1950 wurde ein neuer Lehrplan für Lehrerbildungsanstalten beschlossen (Unterricht in einer lebenden Fremdsprache und in Latein). Das Schulgesetzwerk 1962 schuf als Kompromiß zwischen den damaligen großen politischen Gruppierungen (Österreichische Volkspartei, Sozialistische (Sozialdemokratische) Partei Österreichs) die Organisationsform der [[Pädagogische Akademie|Pädagogischen Akademie]] als zunächst zweijährige, (heute dreijährige), postsekundäre Einrichtung zur Ausbildung von Volksschullehrern. Siehe auch [[Lehrerbildungsanstalt]], [[Lehrerinnenbildung]], [[Lehrerinnenbildungsanstalt]].
  
 
== Literatur ==
 
== Literatur ==
* Hans Fischl: Schulreform und Demokratie in Österreich 1918-50 (o. J.)
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* Hans Fischl: Schulreform, Demokratie und Österreich. 1918 - 1950. Wien: Verlag Jungbrunnen 1950
* Rudolf Gönner: Die österreichische Lehrerbildung von der Normalschule bis zur Pädagogischen Akademie. 1967
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* Rudolf Gönner: Die österreichische Lehrerbildung von der Normalschule bis zur Pädagogischen Akademie. Wien: Österreichischer Bundesverlag für Unterricht, Wissenschaft und Kunst 1967
* R. Seebauer: Zwischen Reformbestrebungen und Konservativismus. Zur Geschichte der Lehrerbildung in Wien. In:
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* Renate Seebauer: Zwischen Reformbestrebungen und Konservativismus. Zur Geschichte der Lehrerbildung in Wien. In:
Wiener Geschichtsblätter 48, 1993
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Wiener Geschichtsblätter 48 (1993)

Version vom 29. Juli 2014, 11:40 Uhr

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Letzte Änderung am 29.07.2014 durch WIEN1.lanm09mer

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Lehrerbildung. Bis ins 18. Jahrhundert gab es keine staatliche geregelte Ausbildung für Lehrer; oft hielten Kriegsveteranen oder Handwerker den Unterricht. Um 1770 schlug Joseph Messmer, „obrister Schulmeister" zu St. Stephan in Wien, die Errichtung einer Normalschule für die Heranbildung von Schulmeistern und Katecheten vor; 1771 wurde die Wiener Normalschule im „Curhause bei St. Stephan" (1, Stephansplatz 3-3A) als Stätte der Lehrerbildung eröffnet. Die am 6. Dezember 1774 erlassene „Allgemeine Schulordnung für die deutsche Normal-, Haupt- und Trivialschulen in sämtlichen kaiserlich-königlichen Erblanden" regelte eine drei- bis sechsmonatige Lehrerausbildung, die am 11. August 1805 erlassene „Politische Verfassung der deutschen Schulen" in einem dreimonatigen Kurs die Volksschullehrerausbildung, doch prägten das geringe Standesansehen, die „Bedienstetenstellung" gegenüber dem Pfarrer und die Verpflichtung zum Mesnerdienst das Image. 1848 forderten Wiener Schulgehilfen eine akademische Lehrerausbildung. Aufgrund des Konkordats von 1855 wurde das Schulrecht Teil des Kirchenrechts. Durch das Reichsvolksschulgesetz vom 1. März 1869 wurden vierjährige Lehrerbildungsanstalten und Lehrerinnenbildungsanstalten geschaffen (Eintritt mit dem 15. Lebensjahr nach strenger Aufnahmsprüfung, Abschluß mit Reifeprüfung, Ablegung der Lehrbefähigungsprüfung nach zweijähriger Schulpraxis). 1872 wurde die Forderung nach einer zweijährigen Pädagogischen Fachschule erhoben (losgelöst von der Lehrerbildungsanstalt, der Präparandie). Nach dem 1. Weltkrieg ließ Otto Glöckel „Leitsätze zur Neugestaltung der Lehrerbildung" formulieren (einheitliche Ausbildung für Lehrer aller Schulstufen und Schulgattungen); Voraussetzung war die Reifeprüfung (Matura). In Wien wurden (gegen den Widerstand der christlichsozialen Opposition) viersemestrige Lehrerbildungskurse am Pädagogischen Institut der Stadt Wien eingerichtet; es gab jedoch während der 1. Republik keine gesetzliche Änderung der Lehrerbildung, die fünfjährige Lehrerbildungsanstalt blieb bestehen. Das Lehrerbildungsgesetz 1937 sah eine „Lehrerakademie" vor (vie Jahre höhere Allgemeinbildung, zwei Jahre pädagogisch-didaktische Ausbildung), doch kam das Gesetz infolge der politischen Veränderungen nicht mehr zur Durchführung. Nach der Okkupation Österreichs (1938) schalteten sich nationalsozialistischen Parteiinstanzen in den Schulbetrieb ein. Die Lehrerbildungsanstalten wurden nach einem Statut von 1886 weitergeführt; die Entscheidung über die Zulassung der Lehrer wurde in „Ausleselagern" getroffen, die von Beauftragten der Hitler-Jugend geführt wurden. 1950 wurde ein neuer Lehrplan für Lehrerbildungsanstalten beschlossen (Unterricht in einer lebenden Fremdsprache und in Latein). Das Schulgesetzwerk 1962 schuf als Kompromiß zwischen den damaligen großen politischen Gruppierungen (Österreichische Volkspartei, Sozialistische (Sozialdemokratische) Partei Österreichs) die Organisationsform der Pädagogischen Akademie als zunächst zweijährige, (heute dreijährige), postsekundäre Einrichtung zur Ausbildung von Volksschullehrern. Siehe auch Lehrerbildungsanstalt, Lehrerinnenbildung, Lehrerinnenbildungsanstalt.

Literatur

  • Hans Fischl: Schulreform, Demokratie und Österreich. 1918 - 1950. Wien: Verlag Jungbrunnen 1950
  • Rudolf Gönner: Die österreichische Lehrerbildung von der Normalschule bis zur Pädagogischen Akademie. Wien: Österreichischer Bundesverlag für Unterricht, Wissenschaft und Kunst 1967
  • Renate Seebauer: Zwischen Reformbestrebungen und Konservativismus. Zur Geschichte der Lehrerbildung in Wien. In:

Wiener Geschichtsblätter 48 (1993)