Lehrerinnenbildung

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Datum von
Datum bis
Objektbezug Wiener Schulen, Lehrerbildung, Lehrerbildungsanstalt, Lehrerinnenbildungsanstalt
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
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Letzte Änderung am 14.02.2022 durch WIEN1.lanm08trj

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Anfänge

Die Lehrerinnenbildung in Wien wurde von der Erzieherin Madame Thérèse Luzac (geb. Chapelain) ins Leben gerufen. Am 29. Mai 1786 kam es zur Gründung des kaiserlich-königlichen Civil-Mädchen-Pensionats durch Joseph II. Ab 1792 erhielten die Mädchen auch theoretischen Unterricht in Pädagogik und Didaktik und besuchten Übungen und Vorlesungen über physische Erziehung. Neben dem Civil-Mädchen-Pensionat in der Josefstadt bestand noch das kaiserlich-königliche Offizierstöchter-Erziehungsinstitut in Hernals sowie die Kloster-Präparandie zu St. Ursula, an der Mädchen im Alter von 16-20 Jahren in einem zweijährigen Kurs zu Erzieherinnen ausgebildet wurden. Noch im Vormärz konnten sich angehende Lehrerinnen praktisch nur im Privatstudium oder in Hausstudien im Kloster auf ihre Tätigkeit vorbereiten. Erst 1840 wurde an der Mädchen-Schule der Ursulinen ein pädagogischer Kurs für weibliche Lehrkräfte eingerichtet.

Vom Reichsvolksschulgesetz bis zum Ende der Monarchie

Die Lehrerinnenbildung erfolgte nach dem Reichsvolksschulgesetz vom 14. Mai 1869 in Lehrerinnenbildungsanstalten (Lehrerbildung, Lehrerinnenbildungsanstalt). Geringfügige Unterschiede zu den Lehrerbildungsanstalten ergaben sich in der Stundentafel (Arithmetik und geometrische Formenlehre anstelle von Mathematik und geometrisches Zeichnen, zusätzlich „Weibliche Handarbeit". Die ersten Anstellungen von Lehrerinnen in öffentlichen Pflichtschulen erfolgten in Wien 1871, in einigen damals nicht zu Wien gehörigen Vororten in Mädchenschulen schon etwas früher. In Wien wurden Lehrerinnen auch für die ersten vier Knabenklassen in Volksschulen zugelassen. Nach Absolvierung der Lehrerinnenbildungsanstalt war für eine Anstellung zwei Jahre praktische Tätigkeit und die Absolvierung der Lehrbefähigungsprüfung erforderlich. Daher begannen Lehrerinnen als Unterlehrerinnen ihre Berufstätigkeit mit schlechter Bezahlung und in subalterner Stellung. Zur Verbesserung ihrer Situation kam es 1870 zur Gründung des "Vereins der Lehrerinnen und Erzieherinnen Österreichs". In dem Verein engagierten sich Persönlichkeiten wie die Lehrerin und Frauenrechtlerin Auguste Fickert. Publizistisch engagierten sich Lehrerinnen mit Fachbeiträgen zur Methodik des weiblichen Handarbeitsunterricht. Auch Mustersammlungen für den Unterricht der Lehramtskandidatinnen wurden von Mitarbeiterinnen des städtischen Pädagogiums zusammengestellt. Das bis dahin geltende Eheverbot für Lehrerinnen wurde in Wien formal 1911 in einer Sitzung des Niederösterreichischen Landtags aufgehoben. In der Praxis gab es schon in den Jahren zuvor vereinzelt verheiratete Lehrerinnen. Im Jahr 1913 waren an allen Mädchenschulen Wiens 42% der Lehrkräfte weiblich, aber nur 4% wurden von Frauen geleitet. Immerhin zog 1911 mit Stephanie Nauheimer die erste Lehrerin in den Bezirksschulrat ein.[1]

Zwischenkriegszeit

Mit der Gründung der Republik und den von Otto Glöckel noch als Unterstaatssekretär für Unterricht 1919/20 eingeleiteten Reformen wurde die Arbeit der Lehrerinnen formal jener der Lehrer gleichgestellt. Das Lehrerinnenzölibat fiel nun vollständig. Im Jahr 1928 standen 40 Direktorinnen 74 männliche Kollegen gegenüber. Bei den Oberlehrerinnen und Oberlehrern betrug das Verhältnis 79 zu 170, in den Hauptschulen war es ausgeglichen. Insgesamt waren 3467 weibliche und 2731 männliche Lehrkräfte angestellt. Besonders Volksschullehrerinnen waren in der Überzahl.[2] Eine tatsächliche Gleichbehandlung bestand also noch nicht. Mit dem Bundesgesetz vom 28. Juni 1933 wurde ganz im Sinn der Ideologie des Dollfuß-Schuschnigg-Regimes der Personalstand an öffentlichen Volks- und Hauptschulen formal aus budgetären Gründen wegen der Weltwirtschaftskrise reduziert. Betroffen von den "außer Dienststellungen waren vor allem Lehrerinnen.[3]

NS-Zeit

In der NS-Zeit trafen die Entscheidung über die Zulassung der Lehrerinnen die Obergauführerin des Bundes deutscher Mädel (BDM). Zur Beurteilung kamen nach einem Erlass des Ministeriums für innere und kulturelle Angelegenheiten vom 15. April 1939 neben ideologischer Haltung die körperliche, sportliche und musikalische Eignung und erst an letzter Stelle die "geistige Eignung".

Zweite Republik

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges und der Beseitigung der gröbsten Kriegsschäden setzte eine lebhaft Debatte zur Lehrerinnenbildung ein. Für die Ausbildung von Volksschullehrerinnen sprach sich die ÖVP für Lehrerakademien mit einem vierjährigen Pädagogium und einem zweijährigen Oberpädagogium aus, die SPÖ für Pädagogische Institute mit Hochschulcharakter. Ab 1. Februar 1950 sah der Lehrplan für Lehrerinnenbildungsanstalten den Unterricht in einer lebenden Fremdsprache und Latein vor.

Im Zug des Schulgesetzwerkes 1962 kam es zur Einführung von Pädagogischen Akademien als zweijährige postsekundäre schulische Einrichtung zur Ausbildung von Pflichtschullehrerinnen, zunächst für Volksschulen, dann ab 1971 für alle Pflichtschulen. Der Studienbetrieb in Form von Schulversuchen wurde in Wien 1966 aufgenommen, regulär 1968. 1976 wurden auch die Ausbildungsgänge für Haupt-, Sonderschulen und polytechnische Lehrgänge institutionalisiert. 1982 wurde die Ausbildung von Volksschullehrerinnen auf sechs Semester ausgedehnt.

Die ungleiche Lehrerbildung für Pflicht- und Höhere Schulen wurde 2007 durch die Gründung Pädagogischer Hochschulen beendet. Die Pädagogische Hochschule Wien wurde in Favoriten angesiedelt. Sie für die Aus-, Fort- und Weiterbildung von Lehrpersonen sowie weiteren pädagogischen Berufsgruppen zuständig. Die angebotenen Studien schließen mit dem „Bachelor of Education“ und „Master of Education“. Zum Angebot gehört auch ein Hochschullehrgang zum Thema Freizeitpädagogik für die Arbeit im Freizeitteil in ganztägigen Schulformen.

Literatur

  • Renate Flich: Der Fall Auguste Fickert - eine Lehrerin macht Schlagzeilen, in: Wiener Geschichtsblätter 45 (1990), S. 1-24.
  • Rosina Kaplan: Die Volksschule, in: Bund österreichischer Frauenvereine [Hg.]: Frauenbewegung, Frauenbildung und Frauenarbeit in Österreich, S. 113-119.
  • Maria Kronreif, Frauenemanzipation und Lehrerin. ungedr.phil.Diss. Univ. Salzburg
  • Renate Seebauer: Lehrerbildung in Porträts. Von der Normalschule bis zur Gegenwart. Wien [u.a.]: LIT 2011, S. 73-78
  • Renate Seebauer: Lehrerinnen - Gleichbehandlung, Aktivitäten, Ideen. Zur Sozialgeschichte einer Berufsgruppe mit besonderer Berücksichtigung der Wiener Verhältnisse. Wien [u.a.] LIT 2014

Einzelnachweise:

  1. Renate Seebauer: Lehrerinnen - Gleichbehandlung, Aktivitäten, Ideen. Zur Sozialgeschichte einer Berufsgruppe mit besonderer Berücksichtigung der Wiener Verhältnisse. Wien [u.a.] LIT 2014, S. 90, 116 f.
  2. Rosina Kaplan: Die Volksschule, in: Bund österreichischer Frauenvereine [Hg.]: Frauenbewegung, Frauenbildung und Frauenarbeit in Österreich, S. 119.
  3. Maria Kronreif, Frauenemanzipation und Lehrerin. ungedr.phil.Diss. Univ. Salzburg, S. 201.