Kaffeehaus

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Kaffeehaus.

1) Kaffee: Das Wort kommt aus dem Arabischen und bezieht sich auf die Landschaft Kaffa in Äthiopien, wo der Kaffeebaum (lateinisch coffea) seit jeher gedieh; man unterscheidet zwischen coffea arabica (Äthiopien), coffea liberalica (Liberia) und coffea stenophylla (Sierra Leone); erstere wird heute in fast allen tropischen und subtropischen Gebieten angepflanzt, besonders in Südbrasilien. Die Früchte des Kaffeebaums (Kaffeebohnen) enthalten ein stimulierend wirkendes Alkaloid (Koffein).

2) Institution: In Stambul (Hauptstadt des Osmanischen Reichs) wurde 1554 das erste Kaffeehaus eröffnet, um 1580 gab es auch eines in Ofen (Buda), das damals unter türkischer Herrschaft stand. Die Verabreichung von Kaffee an Gesandte und Gäste war in der Türkei ein Gebot der Höflichkeit und Teil des diplomatischen Protokolls; in den Rechnungen der kaiserlichen Hofkammer in Wien sind ab 1645 Ausgaben für Kaffee an türkische Gesandtschaften verbucht; auch die kaiserliche Botschafter in Konstantinopel waren damit vertraut. Mitte 17. Jahrhundert. gab es bereits in verschiedenen europäischen Städten Kaffehäuser (Venedig, Marseille, London, Oxford, Paris und über Hamburg in Deutschland). 1685 veröffentlichte der kaiserliche Ingenieurhauptmann Luigi Conte Marsili in Wien die Abhandlung „Bevanda Asiatica" (asiatische Getränke), worin der Kaffee und seine Zubereitungsarten ausführlich behandelt wurden. Daß Georg Franz Koltschitzky nach der zweiten Türkenbelagerung (1683) das erste Wiener Kaffehaus gegründet habe, ist eine (von Karl Teply wissenschaftlich widerlegte) Legende. Vielmehr erhielt am 17. Jänner 1685 der Armenier Johannes Deodat (Diodato) das erste Privileg zum öffentlichen Ausschank von Kaffee; dieses erste Wiener Kaffehaus befand sich im Wohnhaus Deodats, dem Hachenbergischen Haus auf dem Haarmarkt (1, Rotenturmstraße 14, Teil). Die rasche Einbürgerung des Kaffees in Wien war überwiegend armenischen Handelsleuten zu danken; allmählich bildete sich in Wien (analog zu Paris und London) eine Kaffeekultur heraus. Zwischen 1697 und 1700 verlieh Leopold I. vier Kaffeeschankprivilegien; 1714 gab es bereits elf bürgerliche Kaffeesieder (die einen ständigen Kampf mit den bürgerlichen Wasserbrennern führten); am 4. Mai 1714 verlieh Karl VI. den Kaffeesiedern ein Schutzpatent, das Maria Theresia am 5. Jänner 1751 bestätigte. 1737 zählte man 37, 1770 48, 1784 64, 1804 89 und 1819 150 Kaffeehäuser (davon 25 in der Innenstadt). Schon im 18. Jahrhundert gehörten die Kaffehäuser zu den besonderen Spezialitäten Wiens. Das Kaffeehaus mit Sitzkassierin und Billard wurde zur Regel, die Ausstattung (im Gegensatz zu den finsteren, komfortlosen Lokalen der Frühzeit) teilweise sehr aufwendig (beispielsweise Milanis Kaffeehaus am Kohlmarkt mit einer Galerie von 30 Spiegeln oder das Silberne Kaffeehaus in der Plankengasse). Die Kaffehäuser boten im 19. Jahrhundert alles, was man mit „Luxus" gleichsetzte. 1788 begann Martin Wiegand im Café Bellevue mit Kaffeehauskonzerten; in den Kaffehäusern bei der Schlagbrücke und in der Hauptallee wurden sie bald zu einer ständigen Einrichtung (Strauß, Lanner). Das politische und literarische Kaffehaus der josephinischen Ära (1784 begann deshalb die Polizeiüberwachung) wurde im Vormärz durch das Bildungs- und Vergnügungscafé zurückgedrängt (die Zensur war der Entwicklung der politischen Kaffehäuser nicht förderlich). Bis Mitte 19. Jahrhundert war das Kaffehaus vor allem Treffpunkt von Herrenrunden (Spiel- und Rauchsalons, Billard, Zeitungs- und Journallektüre); ab 1840 findet man Frauen unter den Kaffeehausbesuchern, wenngleich das „Damenkaffeehaus" eher abschätzig beurteilt wurde. Im Vormärz entstand das Garten- oder Sommercafé, außerhalb des Linienwalls auch der Typus des Ausflugscafés, das wegen seiner schönen Aussicht oder Lage frequentiert wurde (Dommayer, Tivoli, Hohe Warte). Während der Revolution 1848 und in der Gründerzeit erlebte das Kaffehaus eine Hochblüte (1857 über 140, dazu noch weitere 71 Kaffehäuser, in denen kein echter Bohnenkaffee zubereitet und nicht Billard gespielt werden durfte). In der Ringstraßenära kam es zu einem bedeutsamen Wandel: Ab den 70er Jahren etablierte sich das „Familiencafé"; mit Damensalons und Wintergärten, die zum Inbegriff des nachmittäglichen weiblichen „Kaffeekränzchens" wurden, warb man um das weibliche Publikum, das sich allerdings mehr dem „Konditorei-Café" zuwandte. Als Konkurrenz zur bürgerlichen Wohnwelt erhielten die Kaffeehäuser eine noch prächtigere Ausstattung (um 1850 wurde von der Firma Thonet erstmals der typische „Kaffeehaussessel" erzeugt, der an kleinen Marmortischen stand). Der ursprünglich typische Charakter des Kaffeehauses ging in dieser Zeit allerdings verloren. Das „Ringstraßencafe" errang eine Rolle im gesellschaftlichen Leben; auch große Hotels richteten eigene Kaffeehäuser ein. Daneben erfreuten sich die Café-Konditoreien steigender Beliebtheit (Demel, Gerstner, Lehmann, Sluka [noch in der ersten Republik waren diese Marktführer]); die Konditoreien, verbunden mit böhmischer Back- und Kochkultur, entwickelten sich zum funktionalen Gegenpart der Kaffeehäuser. Im Weltausstellungsjahr 1873 zählte man etwa 200 Kaffeehäuser, in den folgenden Jahrzehnten stieg die Zahl sprunghaft an (schließlich 1.202 Konzessionen, davon 436 für Kaffeeschenker, 766 für Kaffeesieder; von diesen hatten 43 beziehungsweise 129 ihren Standort in der Inneren Stadt). Im Fin de siècle und in der ersten Republik bildete das Kaffeehaus einen gesellschaftlichen Treff- und Mittelpunkt, der den Klubs anderer Länder an die Seite zu stellen ist; das Literaten-, Künstler- und Intellektuellencafé erlangte legendäre Bedeutung (Griensteidl, Central, Herrenhof und andere); die Großen jener Zeit gehörten zu den täglichen Besuchern. Es gehört zur Tradition des Wiener Kaffeehauses, dass Zeitungen aufliegen; dies hatte vor dem ersten Weltkrieg auch deshalb besondere Bedeutung, weil das Angebot an ausländischen Zeitungen im freien Verkauf beschränkt blieb. Außerdem wurde es üblich, Hilfsbücher (wie Adreßbücher, Fahrpläne, Konversationslexika) zur Verfügung zu halten. Viele Kaffeehäuser haben Billards, andere bieten Möglichkeiten zum Schach- und Kartenspiel; manche Kaffeehäuser erfreuten sich bei bestimmten Berufsgruppen (Künstlern, Schauspielern, Literaten, Börsianern, Politikern) so großer Beliebtheit, dass die Lokale durch diese dominiert wurden. Während des ersten Weltkriegs ging die Zahl der Kaffeehäuser zurück, doch konnte die Institution die Krisenzeiten der 20er und 30er Jahre überdauern. 1938 zählte man sogar 1.283 Konzessionen (514 Kaffeeschenker, 769 Kaffeesieder). Nach dem zweiten Weltkrieg wurde das Espresso immer beliebter. Die Struktur der kaffeeschenkenden Gewerbe zeigte einen deutlichen Trend zu neuen Formen. 1955 besaß Wien 934 Kaffeehäuser, 153 Café-Restaurants, 64 Café-Konditoreien und 32 Espressos, zusammen also 1.183 Konzessionen, 1965 nur noch 622 Kaffeehäuser, jedoch 278 Café-Restaurants, 230 Café-Konditoreien und 316 Espressos, zusammen 1.446 Konzessionen. Am 31. Dezember 1993 gab es in Wien Konzessionen für 584 Kaffeehäuser (davon 73 nicht aktiv), 705 Café-Restaurants (76), 182 Café-Konditoreien (19) und 1.083 Espressos (145) sowie 21 Stehcafeschenken (3). Viele Kaffeehäuser hatten (und haben) Vorgärtchen („Schanigärten"). Obwohl das Kaffeehaus eine „Wiener Institution" ist und seit dem 18. Jahrhundert von Schriftstellern und Fremdenführern beschrieben und angepriesen wird, wurde es nur selten besungen (das „Kleine Cafe in Hernals" und „Ich kenn' auf der Wieden ein kleines Café..." sind Ausnahmen). Das Pendant zum Beisl (im Verhältnis zum Restaurant) ist (im Vergleich zum Kaffeehaus) das „Tschecherl" (eigentlich Tschöcherl), ein zwar unansehnliches, aber gemütliches und populäres Café (wogegen man ein ungemütliches, zuweilen sogar im Bannkreis der Unterwelt stehendes Lokal als „Tschoch" bezeichnet), abgesehen vom Nacht-Café, in dem oft verbotene Spiele gespielt werden (vor allem das autochthone Hasardspiel namens „Stoß").

3) Spezialitäten (Auswahl):

  • Biedermeier (Großer Brauner mit Biedermeierlikör)
  • Einspänner (schwarzer Kaffee im Glas mit Schlagobers)
  • Fiaker (verlängerter Kaffee mit Rum und Schlagobers)
  • Franziskaner (Melange, sehr licht mit Schlagobers und Schokostreusel)
  • Kaisermelange (Kaffee mit Eidotter, Honig und Schlagobers)
  • Kapuziner (schwarzer Kaffee mit Schuß Milch oder „Schlag")
  • Konsul (mit ein wenig kaltem Wasser gestreckter Mokka)
  • Maria Theresia („der"!; Mokka mit Orangenlikör [und Schlagobers])
  • Melange (Mischung von Milch und Kaffee zu gleichen Teilen; Variationen „mehr licht" [Schale Gold], „mehr dunkel" [Schale Braun], „mit Schlagobers")
  • Schwarzer (purer Mokka ohne Milch, groß oder klein; Einspänner)
  • Türkischer (fein gemahlener Kaffee, mit Zucker in Kupferkännchen aufgekocht und in kleinen Schalen serviert).


Literatur

  • Karl Teply: Die Einführung des Kaffees in Wien. Georg Franz Koltschitzky, Johannes Diodato, Isaak de Luca. Wien [u.a.]: Verein für Geschichte der Stadt Wien 1980 (Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte, 6)
  • Karl Teply: Die erste armenische Kolonie in Wien. In: Wiener Geschichtsblätter 28 (1973), S. 105 ff.
  • Karl Teply: Johannes Diodato. Der Patriarch der ersten Armenier in Wien. In: Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien 28 (1972), S. 31 ff.
  • Karl Teply: Georg Franz Kolschitzky und Georg Thomas Michaelowitz. Abschied von eingewurzelten Legenden. In: Marktgemeinde Perchtoldsdorf (Hg.): Museum Perchtoldsdorf (1973), S. 179 ff.
  • Gustav Gugitz: Das Wiener Kaffeehaus. Ein Stück Kultur- und Lokalgeschichte. 1940
  • L. V. Ecker: 250 Jahre Wiener Kaffeehaus. 1683-1933. 1933
  • Hans Weigel / Christian Brandstätter / Werner J. Schweiger: Das Wiener Kaffeehaus. 1978, 150 f.
  • Roman Sandgruber: Bittersüße Genüsse. Kultur- und Sozialgeschichte der Genußmittel. 1986, besonders S. 60 ff.
  • Otto Friedländer: Letzter Glanz der Märchenstadt. 1969, S. 323 ff.
  • 275 Jahre Wiener Kaffeehaus (Festschrift zur Ausstellung im Wiener Rathaus 6.-16. Juni 1959)
  • Herta Singer: Im Wiener Kaffeehaus. 1959
  • Fritz Riha: Das alte Wiener Caféhaus. 1967
  • Milan Dubrovic: Veruntreute Geschichte. Die Wiener Salons und Literatencafés. Wien [u.a.]: Zsolnay 1985
  • Das Wiener Kaffeehaus. Von den Anfängen bis zur Zwischenkriegszeit. In: Katalog zur Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien 66
  • Hans Veigl: Wiener Kaffeehausführer. 1989, S. 118 ff. (Kaffeespezialitäten und Größenmaße)
  • Bartel F. Sinhuber: Zu Gast im alten Wien. 1989
  • Gerhard H. Oberzill:_ Ins Kaffeehaus! Geschichte einer Wiener Institution. 1983
  • Gustav Gugitz: Bibliographie zur Geschichte und Stadtkunde von Wien. Hg. vom Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien. Band 3: Allgemeine und besondere Topographie von Wien. Wien: Jugend & Volk 1956, S. 328 (Corti), S. 328 f. (Daum), S. 346 (Griensteidl), S. 374 (Kramer), S. 384 (Leibenfrost), S. 395 (Milani), S. 400 (Nikola), S. 418 (Fenstergucker; Scheidl), S. 432 (Taroni)