Jesuiten: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Wien Geschichte Wiki
Wechseln zu:Navigation, Suche
Zeile 2: Zeile 2:
 
|Quelle=Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
 
|Quelle=Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
 
}}
 
}}
Jesuiten (eigentlich Gesellschaft Jesu, lateinisch Societas lesu, abgekürzt SJ), katholischer Männerorden, gegründet durch [[Ignatius von Loyola]], durch Papst Paul III. 1540 bestätigt. Seine Hauptziele (Formula Instituti): Förderung des christlichen Lebens und der Lehre, Dienst am Wort Gottes durch Predigt und Katechese, religiöse Vertiefung durch Exerzitien, Werke der Nächstenliebe (besonders in Spitälern und Gefängnissen), Unterrichtung der Jugend in der Lehre Christi, Beichte und Seelenführung. Daraus ergab sich der Einsatz im Abendland und in der Mission außerhalb Europas. Um eine völlige Verfügbarkeit zu erreichen, schuf Ignatius eine neue Form des Ordenslebens (kein Chorgebet, keine bestimmte Ordenskleidung, keine Bindung an bestimmte Aufgaben); daher vielfältigste Wirkungsbereiche (Schulen, Kongregationen, Volksmissionen, wissenschaftliche Arbeit, Schriftstellerische Tätigkeit, Theater [[[Jesuitentheater]]]). Besondere Merkmale sind die straffe Organisation mit unbedingtem Gehorsam im Hinblick auf die Aufgaben des Ordens unter dem Motto „Omnia ad maiorem Dei gloriam" (O.A.M.D.G. = Alles zur größeren Ehre Gottes). Dem Ordensgeneral in Rom unterstehen die Leiter der Ordensprovinzen (Provinziale), diesen die Rektoren (Kollegien = Ausbildungshäuser) und Superioren (Residenzen). Die sorgfältige theologische und philosophische Ausbildung und geistliche Schulung der Mitglieder gehören zu den Stärken des Ordens. Die ersten Provinzen der Jesuiten entstanden in Portugal (1546), Spanien (1547), Indien (1549), Italien und Sizilien (1551), Frankreich und Brasilien (1552). Die ersten Kollegien im Heiligen Römischen Reich (in Köln 1544, Wien 1551 und Ingolstadt 1556) waren zunächst Rom unmittelbar unterstellt. Ab 1556 gab es eine nieder- und eine oberdeutsche Provinz; von letzterer wurde 1563 eine Österreichische Provinz abgetrennt, von dieser 1623 eine böhmische Provinz. Die verbliebene Österreichische Provinz erstreckte sich über Österreich ob und unter der Enns, Steiermark, Kärnten und Krain sowie über ganz Ungarn (älteste Niederlassungen neben Wien [1551] in Tyrnau 1561 und Graz 1573), wogegen Tirol und Vorarlberg zur oberdeutschen Provinz (älteste Niederlassungen neben Ingolstadt [1556] München 1559 und Innsbruck 1562) gehörten. 1720 gab es weltweit rund 20.000 Jesuiten, die sich auf 37 Provinzen mit 612 Kollegien und 340 Residenzen verteilten. Manche Jesuiten hatten auch politischen Einfluß (Hofprediger und -beichtväter). Im 18. Jahrhundert führten geänderte politische Strömungen in bourbonischen Staaten zur Verfolgung und Ausweisung (zum Beispiel 1759 in Portugal und in Südamerika, 1764 in Frankreich). Mit dem Breve „Dominus ac Redemptor" von 21. Juli 1773 hob Papst Klemens XIV. unter politischem Druck den Orden auf (er bestand nur in Russland und Preußen weiter). Papst Pius VII. stellte am 7. August 1814 die Gesellschaft wieder her.
+
Jesuiten (eigentlich Gesellschaft Jesu, lateinisch Societas lesu, abgekürzt SJ), katholischer Männerorden, gegründet durch [[Ignatius von Loyola]], durch Papst Paul III. 1540 bestätigt. Seine Hauptziele (Formula Instituti): Förderung des christlichen Lebens und der Lehre, Dienst am Wort Gottes durch Predigt und Katechese, religiöse Vertiefung durch Exerzitien, Werke der Nächstenliebe (besonders in Spitälern und Gefängnissen), Unterrichtung der Jugend in der Lehre Christi, Beichte und Seelenführung. Daraus ergab sich der Einsatz im Abendland und in der Mission außerhalb Europas. Um eine völlige Verfügbarkeit zu erreichen, schuf Ignatius eine neue Form des Ordenslebens (kein Chorgebet, keine bestimmte Ordenskleidung, keine Bindung an bestimmte Aufgaben); daher vielfältigste Wirkungsbereiche (Schulen, Kongregationen, Volksmissionen, wissenschaftliche Arbeit, Schriftstellerische Tätigkeit, Theater [ [[Jesuitentheater]] ]). Besondere Merkmale sind die straffe Organisation mit unbedingtem Gehorsam im Hinblick auf die Aufgaben des Ordens unter dem Motto „Omnia ad maiorem Dei gloriam" (O.A.M.D.G. = Alles zur größeren Ehre Gottes). Dem Ordensgeneral in Rom unterstehen die Leiter der Ordensprovinzen (Provinziale), diesen die Rektoren (Kollegien = Ausbildungshäuser) und Superioren (Residenzen). Die sorgfältige theologische und philosophische Ausbildung und geistliche Schulung der Mitglieder gehören zu den Stärken des Ordens. Die ersten Provinzen der Jesuiten entstanden in Portugal (1546), Spanien (1547), Indien (1549), Italien und Sizilien (1551), Frankreich und Brasilien (1552). Die ersten Kollegien im Heiligen Römischen Reich (in Köln 1544, Wien 1551 und Ingolstadt 1556) waren zunächst Rom unmittelbar unterstellt. Ab 1556 gab es eine nieder- und eine oberdeutsche Provinz; von letzterer wurde 1563 eine Österreichische Provinz abgetrennt, von dieser 1623 eine böhmische Provinz. Die verbliebene Österreichische Provinz erstreckte sich über Österreich ob und unter der Enns, Steiermark, Kärnten und Krain sowie über ganz Ungarn (älteste Niederlassungen neben Wien [1551] in Tyrnau 1561 und Graz 1573), wogegen Tirol und Vorarlberg zur oberdeutschen Provinz (älteste Niederlassungen neben Ingolstadt [1556] München 1559 und Innsbruck 1562) gehörten. 1720 gab es weltweit rund 20.000 Jesuiten, die sich auf 37 Provinzen mit 612 Kollegien und 340 Residenzen verteilten. Manche Jesuiten hatten auch politischen Einfluß (Hofprediger und -beichtväter). Im 18. Jahrhundert führten geänderte politische Strömungen in bourbonischen Staaten zur Verfolgung und Ausweisung (zum Beispiel 1759 in Portugal und in Südamerika, 1764 in Frankreich). Mit dem Breve „Dominus ac Redemptor" von 21. Juli 1773 hob Papst Klemens XIV. unter politischem Druck den Orden auf (er bestand nur in Russland und Preußen weiter). Papst Pius VII. stellte am 7. August 1814 die Gesellschaft wieder her.
 
Siehe [[Jesuitengebäude]].
 
Siehe [[Jesuitengebäude]].
  

Version vom 7. Oktober 2013, 10:43 Uhr

Daten zum Eintrag
Datum von 1551 JL
Datum bis
Objektbezug
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
Export RDF-Export (Resource Description Framework) RDF
Recherche
Letzte Änderung am 7.10.2013 durch WIEN1.lanm08tau
  • Gesellschaft Jesu (1540 JL)

Die Karte wird geladen …

48° 12' 38.33" N, 16° 22' 4.81" E  zur Karte im Wien Kulturgut

Jesuiten (eigentlich Gesellschaft Jesu, lateinisch Societas lesu, abgekürzt SJ), katholischer Männerorden, gegründet durch Ignatius von Loyola, durch Papst Paul III. 1540 bestätigt. Seine Hauptziele (Formula Instituti): Förderung des christlichen Lebens und der Lehre, Dienst am Wort Gottes durch Predigt und Katechese, religiöse Vertiefung durch Exerzitien, Werke der Nächstenliebe (besonders in Spitälern und Gefängnissen), Unterrichtung der Jugend in der Lehre Christi, Beichte und Seelenführung. Daraus ergab sich der Einsatz im Abendland und in der Mission außerhalb Europas. Um eine völlige Verfügbarkeit zu erreichen, schuf Ignatius eine neue Form des Ordenslebens (kein Chorgebet, keine bestimmte Ordenskleidung, keine Bindung an bestimmte Aufgaben); daher vielfältigste Wirkungsbereiche (Schulen, Kongregationen, Volksmissionen, wissenschaftliche Arbeit, Schriftstellerische Tätigkeit, Theater [ Jesuitentheater ]). Besondere Merkmale sind die straffe Organisation mit unbedingtem Gehorsam im Hinblick auf die Aufgaben des Ordens unter dem Motto „Omnia ad maiorem Dei gloriam" (O.A.M.D.G. = Alles zur größeren Ehre Gottes). Dem Ordensgeneral in Rom unterstehen die Leiter der Ordensprovinzen (Provinziale), diesen die Rektoren (Kollegien = Ausbildungshäuser) und Superioren (Residenzen). Die sorgfältige theologische und philosophische Ausbildung und geistliche Schulung der Mitglieder gehören zu den Stärken des Ordens. Die ersten Provinzen der Jesuiten entstanden in Portugal (1546), Spanien (1547), Indien (1549), Italien und Sizilien (1551), Frankreich und Brasilien (1552). Die ersten Kollegien im Heiligen Römischen Reich (in Köln 1544, Wien 1551 und Ingolstadt 1556) waren zunächst Rom unmittelbar unterstellt. Ab 1556 gab es eine nieder- und eine oberdeutsche Provinz; von letzterer wurde 1563 eine Österreichische Provinz abgetrennt, von dieser 1623 eine böhmische Provinz. Die verbliebene Österreichische Provinz erstreckte sich über Österreich ob und unter der Enns, Steiermark, Kärnten und Krain sowie über ganz Ungarn (älteste Niederlassungen neben Wien [1551] in Tyrnau 1561 und Graz 1573), wogegen Tirol und Vorarlberg zur oberdeutschen Provinz (älteste Niederlassungen neben Ingolstadt [1556] München 1559 und Innsbruck 1562) gehörten. 1720 gab es weltweit rund 20.000 Jesuiten, die sich auf 37 Provinzen mit 612 Kollegien und 340 Residenzen verteilten. Manche Jesuiten hatten auch politischen Einfluß (Hofprediger und -beichtväter). Im 18. Jahrhundert führten geänderte politische Strömungen in bourbonischen Staaten zur Verfolgung und Ausweisung (zum Beispiel 1759 in Portugal und in Südamerika, 1764 in Frankreich). Mit dem Breve „Dominus ac Redemptor" von 21. Juli 1773 hob Papst Klemens XIV. unter politischem Druck den Orden auf (er bestand nur in Russland und Preußen weiter). Papst Pius VII. stellte am 7. August 1814 die Gesellschaft wieder her. Siehe Jesuitengebäude.


Literatur

  • Max Heimbucher: Die Orden und Kongregationen der katholischen Kirche 2. Paderborn: F. Schöningh 1934, S. 130-340
  • Bernhard Duhr: Geschichte der Jesuiten in den Ländern deutscher Zunge. 4 Bände. Freiburg/Br. 1907
  • Helmut Kroll: Beiträge zur Geschichte der Aufhebung der Gesellschaft Jesu in Wien und Niederösterreich., Diss. Universität Wien. Wien 1964
  • Österreich zur Zeit Kaiser Josephs II. Mitregent Kaiserin Maria Theresias, Kaiser und Landesfürst. Katalog zur Niederösterreichischen Landesausstellung, Stift Melk, 29. März - 2. November 1980]. Wien: Amt der Niederösterreichischen Landesregierung 1980 (Katalog des Niederösterreichischen Landesmuseums, N.F. 95), S. 170