Hilde Firtel: Unterschied zwischen den Versionen

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Hilde Firtel, *23.7.1910 in Wien, †2.12.1991 in Frankfurt am Main, war Komponistin
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Hilde Firtel, * 23. Juli 1910 Wien, † 2. Dezember 1991 Frankfurt am Main, Pianistin, Komponistin, Dirigentin, Autorin, Übersetzerin.
  
==Biografie==
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==Biographie==
  
Schon mit 5 Jahren begann Hilde mit dem Klavierunterreicht. Während des Gymnasiums besuchte sie an der Akademie für Musik und darstellende Kunst die Vorschulklassen bei Norbert Kahrer. 1928/29 wechselte sie in die Klavierklasse von [[Franz Schmidt]] und belegte nebenbei Kammerspiel und Patiturspiel. Nachdem sie 1931 die Reifeprüfung in Klavier und Komposition abgelegt hatte, studierte sie Kapellmeisterfach und Komposition.  
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Hilde Firtel wurde im Juli 1910 in eine jüdische Familie des gehobenen Bürgertums geboren und verbrachte ihre Kindheit und Jugend im 4. Bezirk. Ihre musisch interessierten Eltern Rudolf und Roze Firtel förderten schon früh die musikalische Ausbildung ihrer Tochter, die bereits als 5-Jährige Klavierunterricht erhielt.
Ihr Debüt als Dirigentin hatte sie 1933 - anlässlich zu [[Johannes Brahms|Brahms]] 100 Geburtstag - als sie das „Frauen-Symphonie-Orchester“ leitete. Da ihr Vater bald darauf krank wurde und sie eine besserbezahlte Arbeit suchte, wechselte sie vom Dirigieren zum Klavier spielen und tourte mit diversen Varieté- und Revue-Gruppen durch ganz Europa. 1936 arbeitete sie an der Oper Arajia, bis sie 1937 nach Mailand ging, um als Hauslehrerin Deutch und Französisch zu unterrichten. Später wurde sie Sekretärin bei einer Arzneimittelfirma. Als sie als „kommunistische Agentin“ denunziert wurde, floh sie nach Manchester (England) und arbeitete dort wieder in einem Haushalt. Später wurde sie Journalistin und Übersetzerin, bis sie mit der „Legion Mariens“(Bewegung des Laienpostolats) Bekanntschaft schloss. Danach trat sie als Dolmetscherin in die amerikanische Armee ein, um die Lehren der „Legion Mariens“ nach Deutschland zu bringen. Nachdem sie 1952 aus der Armee austrat und ihre Funktion als Gesandte nicht mehr erfüllte, zog sie sich nach Frankreich zurück.
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Hilde Firtel besuchte ein Gymnasium und fing parallel dazu an der [[Universität für Musik und darstellende Kunst Wien|Akademie für Musik und darstellende Kunst]] an, wo sie die Vorschulklassen für Klavier bei Norbert Kahrer besuchte. Von 1926 bis 1934 belegte sie die Fächer Harmonielehre, Kontrapunkt und Komposition, Klavier, Kammermusik und Partiturspiel bei verschiedenen Lehrern. Um 1926 entstanden ihre ersten Kompositionsversuche, die sie ihrem Vater widmete. Nachdem sie 1931 die Reifeprüfungen in Klavier und Komposition abgelegt hatte, studierte sie das Kapellmeisterfach und Komposition.
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Hilde Firtel wandte sich verstärkt dem Dirigieren zu. Obwohl das im zeitgenössischen Kontext für Frauen ein eher ungewöhnliches Betätigungsfeld war, wurden ihre ersten öffentlichen Auftritte als Dirigentin von der Presse durchaus positiv aufgenommen. Im Mai 1933, anlässlich von [[Johannes Brahms]] 100. Geburtstag, dirigierte die 23-Jährige Brahms 2. Symphonie in D-Dur mit dem "Frauen-Symphonie-Orchester" im Großen Musikvereinssaal. Ebenfalls dort fand das Abschlusskonzert ihrer Kapellmeisterausbildung im Juni desselben Jahres statt.
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Aufgrund der zunehmend schwieriger werdenden wirtschaftlichen Lage und einer Erkrankung ihres Vaters war es Hilde Firtel nicht möglich, den eingeschlagenen Pfad fortzusetzen. Um ihre Familie finanziell unterstützen zu können, wechselte sie als Pianistin in den finanziell lukrativeren Bereich des Varieté und tourte mit verschiedenen Revue- und Varieté-Gruppen durch Europa. Um das Jahr 1936/1937 arbeitete sie noch an einer Oper, die den Titel "Arajia" tragen sollte. Es ist unklar, ob das Werk fertiggestellt wurde, es gilt – wie so viele ihrer Kompositionen – als verschollen. Kurz darauf beendet sie ihr kompositorisches Schaffen.
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1937 ging sie nach Mailand, wo sie zunächst als Hauslehrerin Deutsch und Französisch unterrichtete, später als Sekretärin in einer Arzneimittelfabrik arbeitete. Nach dem [[Anschluss]] Österreichs konnte sie nicht mehr nach Wien zurückkehren, musste allerdings auch Italien verlassen, da sie als "kommunistische Agentin" denunziert worden war. Sie kam nach Manchester, wo sie anfangs wiederum in einem Haushalt arbeitete, wenige Jahre später aber als Journalistin und Übersetzerin in der Nachrichtenübermittlung tätig wurde.
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Während ihrer Zeit in England kam sie mit der "Legio Mariae" in Kontakt, einer katholischen Laienorganisation, die 1921 in Dublin gegründet worden war. Hilde Firtel, die vermutlich bereits 1937 in Mailand zum Katholizismus konvertiert war, setzte sich in den folgenden Jahren intensiv für diese Organisation ein. Als Dolmetscherin in der amerikanischen Armee angestellt, wurde sie 1944 in Deutschland stationiert, wo sie die "Legio Mariae" in Deutschland aufbaute. 1952 trat sie aus der amerikanischen Armee aus, 1957 legte sie alle Funktionen in der "Legio Mariae" zurück.
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In den 1950er und 1960er Jahren war sie primär als Schriftstellerin aktiv. Neben autobiographisch geprägten Werken wie "Musik des Schweigens" oder "Gesandtin ohne Diplomatenpass" verfasste sie vor allem Bücher religiösen Inhalts, darunter viele Biographien von Heiligen, und übersetzte theologische Literatur ins Deutsche.
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Die meisten ihrer Kompositionen gelten heute als verschollen, einige Stücke hält das Archiv Frauen und Musik in Frankfurt am Main.
  
 
==Literatur==
 
==Literatur==
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*Ilse Korotin (Hg.): biografiA. Lexikon österreichischer Frauen. Band 1. Wien/Köln/Weimar: Böhlau Verlag 2016, S. 824 f.
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*Elke Krasny: Stadt und Frauen. Eine andere Topographie von Wien. Wien: Metroverlag 2008, S. 67
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*Eva Marx / Gerlinde Haas: 210 österreichische Komponistinnen. Vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Ein Lexikon. Wien: Residenz Verlag 2001, S. 136–139
  
*Ilse Korotin (Hg.): biografiA. Lexikon österreichischer Frauen. Band 1. Wien: Böhlau Verlag Wien Köln Weimar. 2016. S.824-825.
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==Links==
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*[http://aleph23-prod-acc.obvsg.at/F/FB33ENXXAHC36N7PY9QYAJ5UMTB57YP6EA1K9LCDGHKNSKF2PB-13904?func=find-b&find_code=WRD&request=firtel%2C+hilde Bücher und Übersetzungen von Hilde Firtel im Gesamtkatalog des Österreichischen Bibliothekenverbundes] [01.12.2017]
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*[http://www.archiv-frau-musik.de/cms/?lang=de_de Archiv Frau und Musik (Startseite)] [01.12.2017]
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*[http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=krz&datum=19310703&query=%22firtel,%22+%22hilde%22&ref=anno-search&seite=9 Die zweite Schlußaufführung der Musikakademie. In: Illustrierte Kronen Zeitung, 03.07.1931, S. 9] [Stand: 01.12.2017]

Version vom 4. Dezember 2017, 11:13 Uhr

Daten zur Person
Personenname Firtel, Hilde
Abweichende Namensform Firtel, Hildegard Louise
Titel
Geschlecht weiblich
PageID 50521
GND
Wikidata
Geburtsdatum 23. Juli 1910
Geburtsort Wien
Sterbedatum 2. Dezember 1991
Sterbeort Frankfurt am Main
Beruf Pianistin, Komponistin, Dirigentin, Autorin, Übersetzerin
Parteizugehörigkeit
Ereignis
Nachlass/Vorlass
Objektbezug
Quelle
Export RDF-Export (Resource Description Framework) RDF
Recherche
Letzte Änderung am 4.12.2017 durch WIEN1.lanm09lue
Begräbnisdatum
Friedhof
Grabstelle
  • 4., Johann-Strauß-Gasse 24 (Wohnadresse)
  • 4., Blechturmgasse 12 (Wohnadresse)
Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft

Hilde Firtel, * 23. Juli 1910 Wien, † 2. Dezember 1991 Frankfurt am Main, Pianistin, Komponistin, Dirigentin, Autorin, Übersetzerin.

Biographie

Hilde Firtel wurde im Juli 1910 in eine jüdische Familie des gehobenen Bürgertums geboren und verbrachte ihre Kindheit und Jugend im 4. Bezirk. Ihre musisch interessierten Eltern Rudolf und Roze Firtel förderten schon früh die musikalische Ausbildung ihrer Tochter, die bereits als 5-Jährige Klavierunterricht erhielt.

Hilde Firtel besuchte ein Gymnasium und fing parallel dazu an der Akademie für Musik und darstellende Kunst an, wo sie die Vorschulklassen für Klavier bei Norbert Kahrer besuchte. Von 1926 bis 1934 belegte sie die Fächer Harmonielehre, Kontrapunkt und Komposition, Klavier, Kammermusik und Partiturspiel bei verschiedenen Lehrern. Um 1926 entstanden ihre ersten Kompositionsversuche, die sie ihrem Vater widmete. Nachdem sie 1931 die Reifeprüfungen in Klavier und Komposition abgelegt hatte, studierte sie das Kapellmeisterfach und Komposition. Hilde Firtel wandte sich verstärkt dem Dirigieren zu. Obwohl das im zeitgenössischen Kontext für Frauen ein eher ungewöhnliches Betätigungsfeld war, wurden ihre ersten öffentlichen Auftritte als Dirigentin von der Presse durchaus positiv aufgenommen. Im Mai 1933, anlässlich von Johannes Brahms 100. Geburtstag, dirigierte die 23-Jährige Brahms 2. Symphonie in D-Dur mit dem "Frauen-Symphonie-Orchester" im Großen Musikvereinssaal. Ebenfalls dort fand das Abschlusskonzert ihrer Kapellmeisterausbildung im Juni desselben Jahres statt.

Aufgrund der zunehmend schwieriger werdenden wirtschaftlichen Lage und einer Erkrankung ihres Vaters war es Hilde Firtel nicht möglich, den eingeschlagenen Pfad fortzusetzen. Um ihre Familie finanziell unterstützen zu können, wechselte sie als Pianistin in den finanziell lukrativeren Bereich des Varieté und tourte mit verschiedenen Revue- und Varieté-Gruppen durch Europa. Um das Jahr 1936/1937 arbeitete sie noch an einer Oper, die den Titel "Arajia" tragen sollte. Es ist unklar, ob das Werk fertiggestellt wurde, es gilt – wie so viele ihrer Kompositionen – als verschollen. Kurz darauf beendet sie ihr kompositorisches Schaffen.

1937 ging sie nach Mailand, wo sie zunächst als Hauslehrerin Deutsch und Französisch unterrichtete, später als Sekretärin in einer Arzneimittelfabrik arbeitete. Nach dem Anschluss Österreichs konnte sie nicht mehr nach Wien zurückkehren, musste allerdings auch Italien verlassen, da sie als "kommunistische Agentin" denunziert worden war. Sie kam nach Manchester, wo sie anfangs wiederum in einem Haushalt arbeitete, wenige Jahre später aber als Journalistin und Übersetzerin in der Nachrichtenübermittlung tätig wurde. Während ihrer Zeit in England kam sie mit der "Legio Mariae" in Kontakt, einer katholischen Laienorganisation, die 1921 in Dublin gegründet worden war. Hilde Firtel, die vermutlich bereits 1937 in Mailand zum Katholizismus konvertiert war, setzte sich in den folgenden Jahren intensiv für diese Organisation ein. Als Dolmetscherin in der amerikanischen Armee angestellt, wurde sie 1944 in Deutschland stationiert, wo sie die "Legio Mariae" in Deutschland aufbaute. 1952 trat sie aus der amerikanischen Armee aus, 1957 legte sie alle Funktionen in der "Legio Mariae" zurück.

In den 1950er und 1960er Jahren war sie primär als Schriftstellerin aktiv. Neben autobiographisch geprägten Werken wie "Musik des Schweigens" oder "Gesandtin ohne Diplomatenpass" verfasste sie vor allem Bücher religiösen Inhalts, darunter viele Biographien von Heiligen, und übersetzte theologische Literatur ins Deutsche.

Die meisten ihrer Kompositionen gelten heute als verschollen, einige Stücke hält das Archiv Frauen und Musik in Frankfurt am Main.

Literatur

  • Ilse Korotin (Hg.): biografiA. Lexikon österreichischer Frauen. Band 1. Wien/Köln/Weimar: Böhlau Verlag 2016, S. 824 f.
  • Elke Krasny: Stadt und Frauen. Eine andere Topographie von Wien. Wien: Metroverlag 2008, S. 67
  • Eva Marx / Gerlinde Haas: 210 österreichische Komponistinnen. Vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Ein Lexikon. Wien: Residenz Verlag 2001, S. 136–139

Links