Fritz von Herzmanovsky-Orlando

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Daten zur Person
Personenname Herzmanovsky-Orlando, Fritz von
Abweichende Namensform Herzmanovsky-Orlando, Friedrich von
Titel Ritter
Geschlecht männlich
PageID 12787
GND
Wikidata
Geburtsdatum 30. April 1877
Geburtsort Wien
Sterbedatum 27. Mai 1954
Sterbeort Schloß Rametz bei Meran
Beruf Schriftsteller, Graphiker, Architekt
Parteizugehörigkeit
Ereignis
Nachlass/Vorlass Brenner-Archiv
Objektbezug
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien, Gedenktage
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Recherche
Letzte Änderung am 21.12.2014 durch DYN.leopolm7
Begräbnisdatum
Friedhof
Grabstelle
  • 4., Schwindgasse 12 (Geburtsadresse)
  • 5., Wehrgasse 22 (Wirkungsadresse)
Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft

Fritz (Friedrich) Ritter von Herzmanovsky-Orlando, * 30. April 1877 Wien 4, Schwindgasse 12 (Elternhaus), † 27. Mai 1954 Schloss Rametz bei Meran, Südtirol, Schriftsteller, Graphiker, Architekt, Gattin (25. Februar 1911) Maria Carmen Schulista (* 17. Jänner 1891 Budapest, † 1. April 1962 Innsbruck).

Besuchte 1887-1896 das Theresianum, schuf bereits in den frühen 1890er Jahren meisterhafte Zeichnungen, Holzschnitte und Radierungen, studierte 1896-1903 Architektur an der Technischen Hochschule Wien; das einzig bekannte Haus Herzmanovsky-Orlandos ist das Miethaus 5, Wehrgasse 22 (erbaut 1910, gemeinsam mit Fritz Keller), das Elemente des sogenannten „Heimatstils" mit Dekor im Stil der Wiener Werkstätte aufweist. Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts lernte Herzmanovsky-Orlando K. Wolfskehl, Oskar A. H. Schmilz, Gustav Meyrink, Alfred Kubin und Anton Maria Pachinger (Sammler und Kulturhistoriker) kennen, deren Geisteshaltung für ihn in den folgenden Jahrzehnten werkbestimmend werden sollte. Er bereiste Holland, England, Korsika, Italien, Dalmatien, Ägypten und Zypern. 1916 beendete er seine Tätigkeit als Architekt und in der Zentralkommission für Denkmalpflege und übersiedelte 1917 (aus gesundheitlichen Gründen) nach Meran, wo es ihm das väterliche Vermögen gestattete, seine literarische und künstlerische Doppelbegabung auszuleben. Hier entstanden neben einem umfassenden graphischen Oeuvre literarische Werke, wie die Roman-Trilogie „Der Gaulschreck im Rosennetz", „Rout am Fliegenden Holländer" und „Das Maskenspiel der Genien" sowie die Novellen „Der Kommandant von Kalymnos" (Privatdruck 1926) oder „Cavaliere Huscher".

Zahlreiche Erzählungen widmen sich dem anekdotischen Umfeld seines Bekanntenkreises („Dem Andenken der großen Naiven Stella Hohenfels", „Don Carlos", „Kleine Geschichten um Gustav Meyrink", „Beethovens letzte Magd" und andere). Formale Überlegungen ließen Herzmanovsky-Orlando (dessen Werk sich insgesamt schwer literarischen Gattungen zuordnen läßt) Prosatexte auch als Dramen gestalten. So fand „Der Kommandant von Kalymnos" eine Neugestaltung als Opernlibretto „Die Krone von Byzanz"; der Novelle „Apoll von Nichts" entspricht das Drama „Exzellenzen ausstopfen - ein Unfug". Weitere Dramen sind „Die Prinzessin von Xythera", „Kaiser Joseph und die Bahnwärterstochter", „'s Wiesenhendl' oder Der abgelehnte Drilling" und „Prinz Hamlet der Osterhase oder ,Selawie' oder Baby Wallenstein".

Freundschaften mit Schauspielern und Tänzerinnen ließen neben Dramen auch Ballette entstehen („Youghiogheni", „Abduhenendas mißratene Töchter" unter anderen), doch blieben diesen wie grundsätzlich sämtlichen Texten mit Ausnahme des „Gaulschrecks" und des „Kommandanten von Kalymnos" ein Erscheinen in der Öffentlichkeit versagt, was neben dem Fragmentcharakter als ästhetische Kategorie eine gewisse Unabgeschlossenheit der meisten Werke bedingte. Der mitunter skizzenhafte Charakter der Schriften bewirkte in den 190er Jahren die Bearbeitung durch Friedrich Torberg, die in massiven Eingriffen „herzmanovskysch" zu dem mutierte, was es im Sprachgebrauch bedeutet: Chiffre für Verkauztes und Grotesk-Komisches (Gesammelte Werke, vier Bände, München 1957-1963). Die ab 1983 edierte kommentierte Ausgabe „Sämtliche Werke" (in zehn Bänden herausgegeben im Auftrag des Forschungsinstituts Brenner-Archiv) präsentiert das originale Oeuvre des umfassend gebildeten Autors, in dem sich Schwerpunkte wie Matriarchats- und Androgynitätsmythos, hauptsächlich aber spielerischer Eklektizismus historischer Phänomene in Kompilationen zahlreicher Exzerpte entlegenster wie abstrusester Quellen fixieren lassen. Nicht historische Abläufe werden nachgezeichnet, sondern ein vielschichtiges Resümee vieler vergangener Jahrhunderte konzentriert sich zum Schlusspunkt einer österreichischen Vergangenheit, die dem Autor 1918 zu Ende schien. Nachlass im Brenner-Archiv (Innsbruck).

Laut Abschlussbericht der im Auftrag der Universität Wien und der Stadt Wien eingesetzten Forschungsgruppe zur Untersuchung und Kontextualisierung der Benennung der Wiener Straßennamen seit 1860 war Fritz von Herzmanovsky‐Orlando ab 1932 Mitglied der NSDAP. Sein schriftstellerisches Œuvre wurde von rassistischen und antisemitischen Passagen gereinigt.

Herzmanovsky-Orlando-Gasse

Literatur

  • Hans Giebisch / Gustav Gugitz: Bio-Bibliographisches Literaturlexikon Österreichs von den Anfängen bis zur Gegenwart. Wien: Hollinek 1963
  • Walter Kleindel: Das große Buch der Österreicher. 4500 Personendarstellungen in Wort und Bild, Namen, Daten, Fakten. Unter Mitarbeit von Hans Veigl. Wien: Kremayr & Scheriau 1987
  • Murray G. Hall / Gerhard Renner: Handbuch der Nachlässe und Sammlungen österreichischer Autoren. Wien [ u.a.]: Böhlau 1992 (Literatur in der Geschichte, Geschichte in der Literatur, 23)
  • Neue österreichische Biographie ab 1815. Große Österreicher. Wien [u.a.]: Amalthea-Verlag 1957-1987. Band 18,1972 (Herbert Eisenreich)
  • Isabella Ackerl / Friedrich Weissensteiner: Österreichisches Personenlexikon der Ersten und Zweiten Republik, Wien: Ueberreuter 1992
  • Wilhelm Schmidt-Dengler: Groteske und geordnete Wirklichkeit. Anmerkungen zur Prosa Herzmanovsky-Orlandos. Wien: Institut für Österreichkunde 1970 (Österreich in Geschichte und Literatur, 14), S. 191-201
  • Hubert Reitterer: Österreichische Geschichte im Werk von Fritz von Herzmanovsky. Wien: Institut für Österreichkunde 1986 (Österreich in Geschichte und Literatur, 30), S. 275 ff.
  • Milan Dubrovic: Veruntreute Geschichte. Die Wiener Salons und Literatencafés. Wien [u.a.]: Zsolnay 1985, S. 192 ff.
  • Parnass. Das Kunstmagazin 12 (1982)
  • Klaralinda Kircher: Fritz von Herzmanovsky-Orlandos „Kaiser Joseph II. und die Bahnwärterstochter". Versuch einer historisch-kritischen Edition. Diss. Univ. Wien. Wien 1979
  • Barbara Bronnen: Fritz von Herzmanovsky. Original und Bearbeitung. Diss. Univ. München. München 1965
  • Monika von Gagnern: Ideologie und Phantasmagorie Fritz von Herzmanovskys. Diss. Univ. München. München 1972
  • Susanna Höpfel-Goldberg: Fritz von Herzmanovsky-Orlandos Roman „Maskenspiel der Genien". Studien zu den Grundlagen einer Edition. Diss. Univ. Innsbruck. Innsbruck 1979
  • Ilse Chlan: Fritz von Herzmanovskys „Der Kommandant von Kalymnos" und „Die Krone von Byzanz". Versuch einer Edition. Diss. Univ. Wien. Wien 1982
  • Astrid Wallner: Allotria in artibus. Antike Mythologie bei Fritz von Herzmanovsky-Orlando. Diss. Univ. Wien. Wien 1990
  • Die Welt, 30.09.1986
  • Otto F. Beer: Der schwarzgelbe Surrealist. In: Bühne 10 (1991), S. 67 ff., 70 f.
  • Manfred Kopriva / Ernst Hilger [Hg.]: Fritz von Herzmanovsky Orlando. 8 Bände. Salzburg: Galerie Altnöder 1984-1997
  • Wendelin Schmidt-Dengler: Kristallhafte Vorgänge. Zu Herzmanovsky-Orlandos „Cavaliere Huscher". In: Wort in der Zeit 9 (1964), S. 38 ff.
  • Helmut Olles [Hg.]: Literaturlexikon 20. Jahrhundert. Band 2: Goytisolo, Juan - Nebel, Gerhard. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1971
  • Peter Autengruber, Lexikon der Wiener Straßennamen. Bedeutung, Herkunft, frühere Bezeichnungen. Wien: Pichler Verlag 2014, 9. Auflage, S. 132
  • Peter Autengruber / Birgit Nemec / Oliver Rathkolb / Florian Wenninger: Umstrittene Wiener Straßennamen. Ein kritisches Lesebuch. Wien: Pichler Verlag 2014, S. 182 f.
  • Peter Autengruber / Birgit Nemec / Oliver Rathkolb / Florian Wenninger: Forschungsprojektendbericht "Straßennamen Wiens seit 1860 als 'Politische Erinnerungsorte'". Wien 2013