Fritz von Herzmanovsky-Orlando

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Daten zur Person
Personenname Herzmanovsky-Orlando, Fritz von
Abweichende Namensform Herzmanovsky-Orlando, Friedrich von
Titel Ritter
Geschlecht männlich
PageID 12787
GND 11870396X
Wikidata Q89599
Geburtsdatum 30. April 1877
Geburtsort Wien
Sterbedatum 27. Mai 1954
Sterbeort Schloß Rametz bei Meran
Beruf Schriftsteller, Graphiker, Architekt
Parteizugehörigkeit
Ereignis
Nachlass/Vorlass Brenner-Archiv
Objektbezug
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien, Gedenktage
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Recherche
Letzte Änderung am 3.11.2023 durch WIEN1.lanm09fri
Begräbnisdatum
Friedhof
Grabstelle
  • 4., Schwindgasse 12 (Geburtsadresse)
  • 5., Wehrgasse 22 (Wirkungsadresse)
Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft

Fritz (Friedrich) Ritter von Herzmanovsky-Orlando (Namens- und Adelsvereinigung durch Erlass des Ministerium des Inneren vom 1. März 1918), * 30. April 1877 Wien 3, Marokkanergasse 3, † 27. Mai 1954 Schloss Rametz bei Meran, Südtirol, Architekt, Grafiker, Schriftsteller.

Biografie

Der Sohn des Mininisterialrats Dr. Emil Ritter von Herzmanovsky und der Luise Edlen von Orlando besuchte 1887 bis 1896 das Theresianum und zeigte bereits in 1890er Jahren künstlerisches Talent in Zeichnungen, Holzschnitten und Radierungen. 1896 bis 1903 studierte er Architektur an der Technischen Hochschule Wien.

Anfang des 20. Jahrhunderts lernte Herzmanovsky-Orlando Karl Wolfskehl, Oskar A. H. Schmitz, Gustav Meyrink, Alfred Kubin und den Linzer Sammler und Kulturhistoriker Anton Maria Pachinger kennen, mit denen ihn lebenslange Freundschaft verband. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs bemühte er sich etwa um die Rückkehr Wolfskehls aus dem neuseeländischen Exil.

Am 25. Februar 1911 heiratete er Carmen (eigentlich Maria Elisabeth Irma) Schulista (* 17. Jänner 1891 Budapest, † 1. April 1962 Innsbruck).

Architektonisches, bildnerisches und literarisches Werk

Zu den architektonischen Werken Herzmanovsky-Orlandos zählen 5, Viktor-Christ-Gasse 9 (1905/1906), 5, Wehrgasse 22 (1910, gemeinsam mit Fritz Keller) und 18, Czartoryskigasse 5 und 7 (1912). Die Architektur der Gebäude ist von schlichter Eleganz. Friedrich Achleitner bezeichnete das Haus Wehrgasse 22 als "für 1910 ungewöhnlich streng, eher eine Vorwegnahme des Purismus der zwanziger Jahre".[1]

1916 beendete Herzmanovsky-Orlando seine Tätigkeit als Architekt und in der Zentralkommission für Denkmalpflege und übersiedelte 1917 aus gesundheitlichen Gründen nach Meran, wo er als Privatier seine Doppelbegabung auslebte. Hier entstanden neben einem umfassenden grafischen Oeuvre mit surrealistischen Zügen literarische Werke wie die Roman-Trilogie "Der Gaulschreck im Rosennetz", "Rout am Fliegenden Holländer" und "Das Maskenspiel der Genien" sowie die Novellen "Der Kommandant von Kalymnos" oder "Cavaliere Huscher".

Zahlreiche Erzählungen widmen sich dem anekdotischen Umfeld seines Bekanntenkreises ("Dem Andenken der großen Naiven Stella Hohenfels", "Don Carlos", "Kleine Geschichten um Gustav Meyrink", "Beethovens letzte Magd" und andere). Formale Überlegungen ließen Herzmanovsky-Orlando, dessen Werk sich insgesamt schwer literarischen Gattungen zuordnen lässt, Prosatexte auch als Dramen gestalten. So fand "Der Kommandant von Kalymnos" eine Neugestaltung als Opernlibretto "Die Krone von Byzanz"; der Novelle "Apoll von Nichts" entspricht das Drama "Exzellenzen ausstopfen − ein Unfug". Weitere Dramen sind "Die Prinzessin von Cythera", "Kaiser Joseph und die Bahnwärterstochter", "'s Wiesenhendl' oder Der abgelehnte Drilling" und "Prinz Hamlet der Osterhase oder 'Selawie' oder Baby Wallenstein". Freundschaften mit Schauspielern und Tänzerinnen ließen neben Dramen auch Ballette entstehen ("Youghiogheni", "Abduhenendas mißratene Töchter" unter anderen).

Die Schwerpunkte in Herzmanovsky-Orlandos Werk sind Matriarchats- und Androgynitätsmythen, hauptsächlich aber spielerischer Eklektizismus historischer Phänomene in Kompilationen zahlreicher Exzerpte entlegenster wie abstrusester Quellen. Nicht historische Abläufe werden nachgezeichnet, sondern ein vielschichtiges Resümee vieler vergangener Jahrhunderte konzentriert sich zum Schlusspunkt einer österreichischen Vergangenheit, die dem Autor 1918 beendet schien. Zwar hatte er sich gegen Ende der Monarchie – unter Vorbehalten – mit Ariosophie beschäftigt, doch gewannen zunehmend surrealistische und anarchistische Tendenzen Raum. Damit verweist sein Werk formal und inhaltlich in die Avantgarde ("Avantgardist malgré lui", Schmidt-Dengler). Markantes Merkmal ist die Bildhaftigkeit des literarischen Werks, in dem sich die Ideenwelt seiner Grafik widerspiegelt.

Editionen

Zu Lebzeiten des Autors blieben sämtlichen Texten mit Ausnahme des "Gaulschrecks" (1928) und des "Kommandanten von Kalymnos" (Privatdruck 1926) ein Erscheinen in der Öffentlichkeit versagt, was neben dem Fragmentcharakter als ästhetische Kategorie eine gewisse Unabgeschlossenheit der meisten Werke bedingte. Friedrich Torbergs Bearbeitung in den 1950er Jahren ließ durch massive quantitative und qualitative Eingriffe "herzmanovskysch" zu dem werden, was es im Sprachgebrauch bis heute bedeutet: Chiffre für Verkauztes und Grotesk-Komisches (Gesammelte Werke, vier Bände, München 1957−1963). Die ab 1983 edierte kommentierte Ausgabe "Sämtlicher Werke" (in zehn Bänden herausgegeben im Auftrag des Forschungsinstituts Brenner-Archiv) und die vierbändige Prosa-Ausgabe präsentieren das originale Oeuvre des umfassend gebildeten Autors.

Haltung des Autors zum Nationalsozialismus

Im Auftrag der Stadt Wien hat eine HistorikerInnen-Kommission die historische Bedeutung jener Persönlichkeiten, nach denen Wiener Straßen benannt sind, von 2011 bis 2013 untersucht sowie eine zeithistorische Kontextualisierung vorgenommen. Laut Abschlussbericht dieser Forschungsgruppe war Fritz von Herzmanovsky‐Orlando ab 1932 Mitglied der NSDAP.[2]
Peter Autengruber, Mitautor des Kommissionsberichts, vermerkte in "Umstrittene Wiener Straßennamen" zudem, dass Herzmanovsky-Orlandos schriftstellerisches Œuvre "von rassistischen und antisemitischen Passagen gereinigt" wurde.[3]

Abgesehen davon, dass sich im Originalwerk weder rassistische noch antisemitische Äußerungen finden, ist der im Bericht angeführte "Beweis" einer Mitgliedschaft nicht mehr als eine Anfrage des Gauschatzmeisters der NSDAP-Auslands-Organisation, ob der Autor, der sich nicht in der Kartei der Auslands-Organisation der NSDAP verzeichnet fände, vielleicht in der Reichskartei aufscheine.[4]

Im penibel geführten Haushaltsbuch der Gattin des Autors sind im Jahr 1943 tatsächlich vier Zahlungen von Mitgliedsbeiträgen an die NSDAP-Ortsgruppe Malcesine verzeichnet. [5] Eine Mitgliedschaft ab 1932 ist aber ebenso zu hinterfragen, wie eine tatsächliche Mitgliedschaft. Die Äußerungen dazu vom Autor selbst sind mit Vorbehalten aufzunehmen. Er suchte sich stets nach allen Seiten abzusichern. Erkennbar ist, dass er sich bedroht fühlte: Die Familie des Autors wurde nicht nur 1912 im "Weimarer historisch-genealogisches Taschenbuch des gesamten Adels jehudäischen Ursprunges" ("Semi-Gotha") angegriffen.

1933 war in einer Leipziger Zeitung unter der Schlagzeile "Ausländer bewuchern Gastwirte" ein auf den als jüdisch interpretierten Namen Herzmanovsky bezogener Artikel erschienen. Die Schutzbehauptung des Autors, er "stehe seit Jahren im Kampfe für die nationalsozialistische Bewegung […]"[6], sollte vermutlich die Miethäuser in Leipzig schützen, auf deren Einnahmen der Autor – der während der Kriegsjahre keinen Zugriff auf seine Schweizer Bankkonten hatte – existenziell angewiesen war.

Die uneheliche Geburt seiner Frau und die entsprechende Lücke im Ariernachweis werden wohl ebenso ein Makel gewesen sein. Der Briefverkehr verzeichnet mehrmals eine Vorladung Carmens im Dezember 1943 bei der Ortskommandantur Malcesine aufgrund einer Denunziation.

Ab 1939 bemühte er sich um die honduranische Staatsbürgerschaft. 1940 war er nach Malcesine auf italienisches Staatsgebiet ausgewichen, von wo er erst 1949 nach Meran zurückkehrte.

Am 4. Dezember 1943 wurden zwei der drei Leipziger Häuser durch Bomben vollständig zerstört. Auch die Villa der Familie in Rindbach bei Ebensee wurde geplündert. Nach Einquartierung einer achtköpfigen Familie aus Wuppertal 1943 zogen Hans Kammler[7] und das SS-Kommando des Lagers Ebensee ein, nach Kriegsende die amerikanische Besatzung. Nach dem Krieg versuchte der Autor allerlei Geschäfte, saß mehrfach Betrügern auf und hatte damit ebenso wenig Erfolg wie mit der Vermarktung seines Werkes.

Tragen die persönlichen Briefe des Autors Züge von Opportunismus, aus dem Bestreben, seine Frau und sich zu schützen und um Anerkennung als Schriftsteller zu erhalten, so ist ihm doch letztere sein Leben lang verwehrt geblieben, was gewiss nicht an der Qualität des Werks liegt, eher an den Kriterien von Kunst seiner Zeit.

Der Nachlass von Fritz von Herzmanovsky-Orlando befindet sich im Brenner-Archiv (Innsbruck) und in der Handschriftensammlung der Österreichischen Nationalbibliothek (Wien).

1970 wurde die Herzmanovsky-Orlando-Gasse in der Großfeldsiedlung nach dem Künstler benannt.

Werke

  • Fritz von Herzmanovsky-Orlando: Gesammelte Werke. Hrsg. und bearbeitet von Friedrich Torberg. München: Langen-Müller Verlag 1957−1963
  • Fritz von Herzmanovsky-Orlando: Sämtliche Werke in 10 Bänden. Hrsg. im Auftrag des Brenner-Archivs Innsbruck. Wien / Salzburg: Residenz Verlag 1983−1994
  • Fritz von Herzmanovsky-Orlando. Prosa. Ausgewählte Werke in vier Bänden. Hrsg. von Klaralinda Ma-Kircher. St. Pölten [u. a.]: Residenz Verlag 2004−2013

Literatur

  • Peter Autengruber, Lexikon der Wiener Straßennamen. Bedeutung, Herkunft, frühere Bezeichnungen. Wien: Pichler Verlag 2014, 9. Auflage, S. 132
  • Peter Autengruber / Birgit Nemec / Oliver Rathkolb / Florian Wenninger: Umstrittene Wiener Straßennamen. Ein kritisches Lesebuch. Wien: Pichler Verlag 2014, S. 182 f.
  • Peter Autengruber / Birgit Nemec / Oliver Rathkolb / Florian Wenninger: Forschungsprojektendbericht "Straßennamen Wiens seit 1860 als 'Politische Erinnerungsorte'". Wien 2013
  • Manfred Kopriva [Hg.]: Forscher im Zwischenreich. Der Zeichner Fritz von Herzmanovsky-Orlando. St. Pölten [u. a.]: Residenz Verlag 2012
  • Bernhard Fetz / Klaralinda Ma / Wendelin Schmidt-Dengler [Hg.]: Phantastik auf Abwegen. Fritz von Herzmanovsky-Orlando im Kontext. Essays, Bilder, Hommagen. Wien-Bozen: Folio Verlag 2004 (Transfer 58. Österreichisches Literaturarchiv – Forschung 7)
  • Klaralinda Ma-Kircher: Fritz von Herzmanovsky-Orlando, "Kaiser Joseph und die Bahnwärterstocher" und "Die Prinzessin von Cythera". In: Bernhard Fetz / Klaus Kastberger [Hg.]: Der literarische Einfall. Über das Entstehen von Texten. Wien: Zsolnay, 1998. (Profile. Magazin des österreichischen Literaturarchivs 1/1998)
  • Klaralinda Ma-Kircher: "… eine geradezu unerhörte Geschichte". Anmerkungen zu einer "anderen Geschichte" bei Fritz von Herzmanovsky-Orlando. In: Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien 52/53, 1996/97, S. 179−194
  • Murray G. Hall / Gerhard Renner [Hg.]: Handbuch der Nachlässe und Sammlungen österreichischer Autoren. Wien [u. a.]: Böhlau 1992 (Literatur in der Geschichte, Geschichte in der Literatur, 23)
  • Otto F. Beer: Der schwarzgelbe Surrealist. In: Bühne 10 (1991), S. 67 ff., 70 f.
  • Astrid Wallner: Allotria in artibus. Antike Mythologie bei Fritz von Herzmanovsky-Orlando. Diss. Univ. Wien. Wien 1990
  • Manfred Kopriva / Ernst Hilger [Hg.]: Fritz von Herzmanovsky Orlando. 8 Bände. Salzburg: Galerie Altnöder 1984−1997
  • Hubert Reitterer: Österreichische Geschichte im Werk von Fritz von Herzmanovsky. Wien: Institut für Österreichkunde 1986 (Österreich in Geschichte und Literatur, 30), S. 275 ff
  • Ilse Chlan: Fritz von Herzmanovskys "Der Kommandant von Kalymnos" und "Die Krone von Byzanz". Versuch einer Edition. Diss. Univ. Wien. Wien 1982
  • Susanna Höpfel-Goldberg: Fritz von Herzmanovsky-Orlandos Roman "Maskenspiel der Genien". Studien zu den Grundlagen einer Edition. Diss. Univ. Innsbruck. Innsbruck 1979
  • Klaralinda Kircher: Fritz von Herzmanovsky-Orlandos "Kaiser Joseph II. und die Bahnwärterstochter". Versuch einer historisch-kritischen Edition. Diss. Univ. Wien. Wien 1979
  • Monika von Gagern: Ideologie und Phantasmagorie Fritz von Herzmanovskys. Diss. Univ. München. München 1972
  • Helmut Olles [Hg.]: Literaturlexikon 20. Jahrhundert. Band 2: Goytisolo, Juan−Nebel, Gerhard. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1971
  • Wilhelm Schmidt-Dengler: Groteske und geordnete Wirklichkeit. Anmerkungen zur Prosa Herzmanovsky-Orlandos. Wien: Institut für Österreichkunde 1970 (Österreich in Geschichte und Literatur, 14), S. 191−201
  • Alfred Barthofer: Das Groteske bei Fritz von Herzmanovsky-Orlando. Diss. Univ. Wien. Wien 1965
  • Barbara Bronnen: Fritz von Herzmanovsky. Original und Bearbeitung. Diss. Univ. München. München 1965
  • Wendelin Schmidt-Dengler: Kristallhafte Vorgänge. Zu Herzmanovsky-Orlandos "Cavaliere Huscher". In: Wort in der Zeit 9 (1964), S. 38 ff.

Einzelnachweise

  1. Friedrich Achleitner, Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert, Band 3/1, Salzburg-Wien 1990, S. 176
  2. Peter Autengruber / Birgit Nemec / Oliver Rathkolb / Florian Wenninger: Forschungsprojektendbericht "Straßennamen Wiens seit 1860 als 'Politische Erinnerungsorte'". Wien 2013, S. 260
  3. BArch, PK E0174, zitiert nach Peter Autengruber, in: Peter Autengruber / Birgit Nemec / Oliver Rathkolb / Florian Wenninger: Umstrittene Wiener Straßennamen. Ein kritisches Lesebuch. Wien: Pichler Verlag 2014, S. 183
  4. BArch, PK E0174, zitiert nach Peter Autengruber, in: Peter Autengruber / Birgit Nemec / Oliver Rathkolb / Florian Wenninger: Umstrittene Wiener Straßennamen. Ein kritisches Lesebuch. Wien: Pichler Verlag 2014, S. 183
  5. Nachlass Herzmanovsky-Orlando, Brenner-Archiv Innsbruck.
  6. Brief des Autors an die Staatsanwaltschaft Leipzig vom 29.3.1933, Brenner-Archiv Innsbruck. − Als Indizien für das Nicht-Vorliegen einer Registrierung können die wiederholten und erfolglosen Bemühungen seines Verwalters Rudolf Frohberg um Klärung in Sachen NSDAP-Mitgliedschaft gewertet werden.
  7. Karl Fiebinger an den Bürgermeister von Ebensee Hermann Heißl vom 1. 8. 1944, Brenner-Archiv Innsbruck.

Weblinks