Franz Kafka: Unterschied zwischen den Versionen

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Franz Kafka, * 3. Juli 1883 Prag, † 3. Juni 1924 Kierling (heute Klosterneuburg), Niederösterreich (Sanatorium Dr. Hugo Hoffmann, Kierlinger Straße 187), Dichter, Schriftsteller.
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Franz Kafka, * 3. Juli 1883 Prag, † 3. Juni 1924 Kierling (heute Klosterneuburg), Niederösterreich, Schriftsteller, Jurist, Versicherungsbeamter
  
 
==Biographie==
 
==Biographie==
  
Franz Kafka studierte an der Deutschen Universität Prag Chemie, Germanistik und Jus (Dr. jur. 1906). Ab 1904 schrieb er Kurzgeschichten und Romane, arbeitete jedoch bei einer Prager Versicherungsgesellschaft.
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Franz Kafka war das älteste von sechs Kindern von Hermann und Julie Kafka, die in Prag ein Geschäft für Galanteriewaren führten. Zwei Brüder starben noch im Kleinkindalter; der jüngsten von drei Schwestern, Ottilie oder Ottla, stand Kafka besonders nahe. Innerhalb der Familie, die jüdischen Glaubens war, wurde deutsch gesprochen, mit den Angestellten im Geschäft vor allem tschechisch. Kafkas Freundeskreis aus der Zeit des Jurastudiums an der Universität Prag bestand aus dem späteren Philosophen Felix Weltsch und den angehenden Schriftstellern Oskar Baum, [[Franz Werfel]] und [[Max Brod]], der nach Kafkas Tod der Nachlassverwalter und Herausgeber von dessen Œuvre wurde. Es ist ein Prosawerk von weltliterarischem Rang, das Kafka neben seinem Beruf als Jurist bei der "Arbeiter-Unfall-Versicherungs-Anstalt für das Königreich Böhmen in Prag" schuf, darunter Schlüsseltexte der literarischen Moderne wie die Erzählungen "Das Urteil" und "Die Verwandlung" sowie die posthum veröffentlichten Romanfragmente "Der Prozess" und "Das Schloss". Hinzukommt ein großes Tagebuch- und Briefwerk, das nicht weniger bedeutend ist als die dezidiert literarischen Texte. [[Franz Blei]] und Carl Sternheim fällt das Verdienst zu, die ersten Texte Kafkas in ihrer Zeitschrift "Hyperion" (Heft 1, Januar 1908) abgedruckt zu haben.
  
Gegenüber Wien besaß er (wie seinen Briefen zu entnehmen ist) zeitlebens eine starke Abneigung, besuchte es jedoch mehrfach. Er traf sich mit [[Peter Altenberg]], [[Max Brod (Schriftsteller)|Max Brod]] und [[Franz Werfel]], wohnte im Grabenhotel (1, Dorotheergasse 3; Gedenktafel) und verkehrte im [[Café Central]]. 1920 stieg er auf der Durchreise von Meran (dort hatte er sich aus gesundheitlichen Gründen aufgehalten) nach Prag im Hotel Riva ab (4, Wiedner Gürtel 34).  
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In den knapp 41 Lebensjahren war Franz Kafka, abgesehen von Ausflügen in deutsche Städte, lediglich 45 Tage im Ausland (vgl. Stach 2002, S. IXf.). In Wien und Umgebung hielt sich Kafka unter anderem in den Jahren 1913, 1920 und 1924 auf.
  
Am 10. April 1924 wurde er in die Klinik Dr. Markus Hajek (9, Lazarettgasse 14) aufgenommen (Diagnose Kehlkopftuberkulose), begab sich von dort jedoch, da er mit Unterbringung und Pflege unzufrieden war, ins Privatsanatorium Dr. Hugo Hoffmann in der Kierlinger Straße 187 (Gedenkraum), wo er im Juni desselben Jahres verstarb.
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Der unmittelbare Anlass des Wienbesuchs 1913 war der im Reichsratsgebäude von 9. bis 13. September tagende "II. Internationale Kongreß für Rettungswesen und Unfallverhütung", an dem Kafka als Delegierter der Prager "Arbeiter-Unfall-Versicherungs-Anstalt" teilnahm. Kafka reiste am 6. September an und wohnte im Hotel [[Matschakerhof]]. Die feierliche Begrüßung des Kongresses fand am 8. September bei einem abendlichen Empfang im [[Wiener Rathaus]] statt. An diesem Tag hatte Kafka bereits Vorträge des "XI. Zionistenkongresses" beigewohnt, der seit 2. September im Gebäude des Wiener Musikvereins abgehalten wurde. Die Kontakte zur Wiener Schriftstellerszene beschränkte Kafka auf ein Minimum; er besuchte [[Albert Ehrenstein]] in dessen Wohnung in Ottakring; danach entstand im Prater das bekannte Gruppenfoto, das Kafka, Ehrenstein, Otto Pick und Lisa Kaznelson in einer Flugzeugkulisse zeigt. Kafkas frustriertes Resümee des Wienaufenthalts, besonders den „Internationalen Kongreß für Rettungswesen und Unfallverhütung“ betreffend, lautete: "Die Tage in Wien möchte ich aus meinem Leben am liebsten ausreißen undzwar von der Wurzel aus, es war ein nutzloses Jagen und etwas Nutzloseres als ein solcher Kongreß läßt sich schwer ausdenken." (Brief an Max Brod vom 16.09.1913; Brod / Kafka 1989, S. 128) Am 14. September reiste Kafka Richtung Triest ab und hängte an die Dienstreise einen Urlaub bzw. Kuraufenthalt in Venedig und in Riva am Gardasee an.
  
Zu Kafkas Werken gehören (postum veröffentlicht) "Der Prozeß" (1925), "Das Schloß" (1926) und "Amerika" (1927) sowie Erzählungen (unter anderem "Der Heizer", 1913; "Die Verwandlung", 1916; "Die Strafkolonie", 1919; "Ein Hungerkünstler", 1924).
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Für Kafkas kompliziertes Liebesleben war ein Wienaufenthalt im Jahr 1920 von großer Bedeutung. Kafka, unheilbar an Lungentuberkulose erkrankt, war von April bis Ende Juni auf Kur in Meran. Seine damalige Verlobte, die Pragerin Julie Wohryzek, hatte Kafka dazu bringen wollen, bei seiner Rückreise über München zu fahren, um dort mit ihr zusammenzutreffen. Kafka aber, seit Monaten in einem intensiven Briefwechsel mit Milena Jelenská (1896–1944) verstrickt, machte stattdessen Zwischenstation in Wien, wo Jelenská seit 1918 mit ihrem Mann Ernst Pollak lebte. Kafka kam am 29. Juni in Wien an und verbrachte vier Tage gemeinsam mit Jelenská, darunter sein 37. Geburtstag. Zurück in Prag, löste er die Verlobung mit Julie Wohryzek.
  
Nach dem Autor wurden 1956 die [[Kafkastraße]] und 1984 der [[Kafkasteg]] im 2. Wiener Gemeindebezirk benannt.  
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Am längsten hielt sich Kafka aus medizinischen Gründen in Wien auf. Nach einigen Tagen im Sanatorium "Wiener Wald" in niederösterreichischen Ortmann Anfang April 1924 ließ sich Kafka in der Klinik für Hals- und Kehlkopfkrankheiten des Wiener Allgemeinen Krankenhauses (Laryngologische Klinik) behandeln. Kafka war dort Patient von 10. bis 19. April und musste währenddessen das Sterben des Zimmernachbarn Josef Schrammel miterleben, der wie Kafka an Kehlkopftuberkulose leidet. Kafka verließ nach Schrammels Tod die Klinik und verbrachte seine letzten Wochen im Sanatorium Dr. Hugo Hoffmann in Kierling bei Klosterneuburg. Seine Gefährtin Dora Diamant und sein Freund Robert Klopstock, ein Medizinstudent aus Prag, pflegten Kafka bis zu seinem Tod am 3. Juni 1924. Zwei Tage später wurde der Leichnam nach Prag überführt, das Begräbnis fand am 11. Juni 1924 statt.
  
== Literatur ==
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[[Rotraut Hackermüller]], deren Vorlass in der Wienbibliothek im Rathaus aufbewahrt wird, hat die letzten Lebenswochen Kafkas, die er in Niederösterreich und Wien zubrachte, recherchiert, Zeitzeugen interviewt und fotografiert und bedeutende Dokumente ausfindig gemacht, so etwa ein Krankenblatt aus der Laryngologischen Klinik in Wien, auf dem Kafkas Fieberkurve verzeichnet ist und das in der Eröffnungsausstellung des Literaturmuseums der Österreichischen Nationalbibliothek zu sehen war.
*Peter Ernst: Wiener Literaturgedenkstätten. Hg. von Felix Czeike. Wien: J & V-Edition Wien-Verlag 1990
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*Thomas Anz: Franz Kafka. München: Beck 1989
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Nach dem Schriftsteller wurden 1956 die [[Kafkastraße]] und 1984 der [[Kafkasteg]] im 2. Wiener Gemeindebezirk benannt.
*Walter Kleindel: Das große Buch der Österreicher. 4500 Personendarstellungen in Wort und Bild, Namen, Daten, Fakten. Unter Mitarbeit von Hans Veigl. Wien: Kremayr & Scheriau 1987
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*Milan Dubrovic: Veruntreute Geschichte. Die Wiener Salons und Literatencafés. Wien [u.a.]: Zsolnay 1985, Register
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==Quellen==
*Rotraut Hackermüller: Das Leben, das mich stört − eine Dokumentation zu Kafkas letzten Jahren 1917−1924. Wien [u.a.]: Medusa 1984
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Vorlass Rotraut Hackermüller. Wienbibliothek im Rathaus, ZPH 1711, 2.4 und 4.2.6
*Heribert Sturm: Biographisches Lexikon zur Geschichte der böhmischen Länder. München: Oldenbourg 1974−lfd.
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*Helmut Olles [Hg.]: Literaturlexikon 20. Jahrhundert. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1971
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==Werke (Auswahl)==
*Johannes Urzidil: Da geht Kafka. Zürich [u.a.]: Artemis 1965
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*Franz Kafka: Betrachtung. Leipzig: Rowohlt 1913 [erschienen im Dezember 1912]
*Gustav Janouch: Franz Kafka und seine Welt. Wien [u.a.]: Deutsch 1964
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*Franz Kafka: Der Heizer. Ein Fragment. Leipzig: Wolff 1913 (= Der jüngste Tag, 3)
*Hans Giebisch / Gustav Gugitz: Bio-Bibliographisches Literaturlexikon Österreichs von den Anfängen bis zur Gegenwart. Wien: Hollinek 1963
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*Franz Kafka: Die Verwandlung. Leipzig: Wolff 1915 (= Der jüngste Tag, 22/23)
*Österreichisches biographisches Lexikon 1815−1950. Hg. von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften / Wien/Graz: Böhlau 1954−1957
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*Franz Kafka: Das Urteil. Eine Geschichte. Leipzig: Wolff 1916 (= Der jüngste Tag, 34)
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*Franz Kafka: Ein Landarzt. Kleinere Erzählungen. Leipzig: Wolff 1919
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*Franz Kafka: In der Strafkolonie. Leipzig: Wolff 1919
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*Franz Kafka: Ein Hungerkünstler. 4 Geschichten. Berlin: Die Schmiede 1924
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*Franz Kafka: Der Prozeß. Berlin: Die Schmiede 1925
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*Franz Kafka: Das Schloss. Roman. München: Wolff 1926
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*Franz Kafka: Amerika. Roman. München: Wolff 1927
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*Franz Kafka: Briefe an Milena. Hg. und mit einem Nachwort versehen von Willy Haas. Frankfurt am Main: S. Fischer 1952
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*Max Brod / Franz Kafka: Eine Freundschaft. Briefwechsel. Hg. von Malcolm Pasley. Frankfurt am Main: S. Fischer 1989
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==Literatur==
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*Manfred Müller: Franz Kafkas Fieberkurve. In: Das Literaturmuseum. 101 Objekte und Geschichten. Hg. von Bernhard Fetz. Mitarbeit Miriam Rainer. Salzburg / Wien: Jung und Jung 2015, S. 138f.
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*Reiner Stach: Kafka. Die frühen Jahre. Frankfurt am Main: S. Fischer 2014
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*Reiner Stach: Kafka. Die Jahre der Erkenntnis. Frankfurt am Main: S. Fischer 2008
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*Reiner Stach: Kafka. Die Jahre der Entscheidungen. Frankfurt am Main: S. Fischer 2002
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*Franz Kafka. Eine Chronik. Zusammengestellt von Roger Hermes, Waltraud John, Hans-Gerd Koch und Anita Widera. Berlin: Verlag Klaus Wagenbach 1999
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W. G. Sebald: Dr. K.s Badereise nach Riva. In: Ders.: Schwindel. Gefühle. Frankfurt am Main: Eichborn 1990, S. 161–191
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*Rotraut Hackermüller: Das Leben, das mich stört − eine Dokumentation zu Kafkas letzten Jahren 1917−1924. Wien / Berlin: Medusa 1984
 
*Max Brod: Franz Kafka. Eine Biographie. Berlin: S. Fischer 1954
 
*Max Brod: Franz Kafka. Eine Biographie. Berlin: S. Fischer 1954
*Max Brod: Franz Kafkas Glauben und Lehre: Kafka und Tolstoi. Eine Studie. München: Desch 1948
 
  
 
==Links==
 
==Links==
 
* [http://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Kafka Wikipedia: Franz Kafka]
 
* [http://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Kafka Wikipedia: Franz Kafka]
 
* [http://franz-kafka-bibliographie.de Franz Kafka Bibliographie]
 
* [http://franz-kafka-bibliographie.de Franz Kafka Bibliographie]
* [http://www.franzkafka.de/franzkafka/home/ S. Fischer Verlage: F. Kafka]
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* [https://www.franzkafka.de S. Fischer Verlage: F. Kafka]

Version vom 8. August 2023, 13:24 Uhr

Daten zur Person
Personenname Kafka, Franz
Abweichende Namensform
Titel Dr. jur.
Geschlecht männlich
PageID 22875
GND 118559230
Wikidata Q905
Geburtsdatum 3. Juli 1883
Geburtsort Prag
Sterbedatum 3. Juni 1924
Sterbeort Kierling, Niederösterreich
Beruf Dichter, Schriftsteller
Parteizugehörigkeit
Ereignis
Nachlass/Vorlass
Objektbezug
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien, Gedenktage, Gedenktage-GW
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Letzte Änderung am 8.08.2023 durch WIEN1.lanm09hug
Begräbnisdatum 11. Juni 1924
Friedhof Neuer jüdischer Friedhof Prag-Straschnitz
Grabstelle

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Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft

Franz Kafka, * 3. Juli 1883 Prag, † 3. Juni 1924 Kierling (heute Klosterneuburg), Niederösterreich, Schriftsteller, Jurist, Versicherungsbeamter

Biographie

Franz Kafka war das älteste von sechs Kindern von Hermann und Julie Kafka, die in Prag ein Geschäft für Galanteriewaren führten. Zwei Brüder starben noch im Kleinkindalter; der jüngsten von drei Schwestern, Ottilie oder Ottla, stand Kafka besonders nahe. Innerhalb der Familie, die jüdischen Glaubens war, wurde deutsch gesprochen, mit den Angestellten im Geschäft vor allem tschechisch. Kafkas Freundeskreis aus der Zeit des Jurastudiums an der Universität Prag bestand aus dem späteren Philosophen Felix Weltsch und den angehenden Schriftstellern Oskar Baum, Franz Werfel und Max Brod, der nach Kafkas Tod der Nachlassverwalter und Herausgeber von dessen Œuvre wurde. Es ist ein Prosawerk von weltliterarischem Rang, das Kafka neben seinem Beruf als Jurist bei der "Arbeiter-Unfall-Versicherungs-Anstalt für das Königreich Böhmen in Prag" schuf, darunter Schlüsseltexte der literarischen Moderne wie die Erzählungen "Das Urteil" und "Die Verwandlung" sowie die posthum veröffentlichten Romanfragmente "Der Prozess" und "Das Schloss". Hinzukommt ein großes Tagebuch- und Briefwerk, das nicht weniger bedeutend ist als die dezidiert literarischen Texte. Franz Blei und Carl Sternheim fällt das Verdienst zu, die ersten Texte Kafkas in ihrer Zeitschrift "Hyperion" (Heft 1, Januar 1908) abgedruckt zu haben.

In den knapp 41 Lebensjahren war Franz Kafka, abgesehen von Ausflügen in deutsche Städte, lediglich 45 Tage im Ausland (vgl. Stach 2002, S. IXf.). In Wien und Umgebung hielt sich Kafka unter anderem in den Jahren 1913, 1920 und 1924 auf.

Der unmittelbare Anlass des Wienbesuchs 1913 war der im Reichsratsgebäude von 9. bis 13. September tagende "II. Internationale Kongreß für Rettungswesen und Unfallverhütung", an dem Kafka als Delegierter der Prager "Arbeiter-Unfall-Versicherungs-Anstalt" teilnahm. Kafka reiste am 6. September an und wohnte im Hotel Matschakerhof. Die feierliche Begrüßung des Kongresses fand am 8. September bei einem abendlichen Empfang im Wiener Rathaus statt. An diesem Tag hatte Kafka bereits Vorträge des "XI. Zionistenkongresses" beigewohnt, der seit 2. September im Gebäude des Wiener Musikvereins abgehalten wurde. Die Kontakte zur Wiener Schriftstellerszene beschränkte Kafka auf ein Minimum; er besuchte Albert Ehrenstein in dessen Wohnung in Ottakring; danach entstand im Prater das bekannte Gruppenfoto, das Kafka, Ehrenstein, Otto Pick und Lisa Kaznelson in einer Flugzeugkulisse zeigt. Kafkas frustriertes Resümee des Wienaufenthalts, besonders den „Internationalen Kongreß für Rettungswesen und Unfallverhütung“ betreffend, lautete: "Die Tage in Wien möchte ich aus meinem Leben am liebsten ausreißen undzwar von der Wurzel aus, es war ein nutzloses Jagen und etwas Nutzloseres als ein solcher Kongreß läßt sich schwer ausdenken." (Brief an Max Brod vom 16.09.1913; Brod / Kafka 1989, S. 128) Am 14. September reiste Kafka Richtung Triest ab und hängte an die Dienstreise einen Urlaub bzw. Kuraufenthalt in Venedig und in Riva am Gardasee an.

Für Kafkas kompliziertes Liebesleben war ein Wienaufenthalt im Jahr 1920 von großer Bedeutung. Kafka, unheilbar an Lungentuberkulose erkrankt, war von April bis Ende Juni auf Kur in Meran. Seine damalige Verlobte, die Pragerin Julie Wohryzek, hatte Kafka dazu bringen wollen, bei seiner Rückreise über München zu fahren, um dort mit ihr zusammenzutreffen. Kafka aber, seit Monaten in einem intensiven Briefwechsel mit Milena Jelenská (1896–1944) verstrickt, machte stattdessen Zwischenstation in Wien, wo Jelenská seit 1918 mit ihrem Mann Ernst Pollak lebte. Kafka kam am 29. Juni in Wien an und verbrachte vier Tage gemeinsam mit Jelenská, darunter sein 37. Geburtstag. Zurück in Prag, löste er die Verlobung mit Julie Wohryzek.

Am längsten hielt sich Kafka aus medizinischen Gründen in Wien auf. Nach einigen Tagen im Sanatorium "Wiener Wald" in niederösterreichischen Ortmann Anfang April 1924 ließ sich Kafka in der Klinik für Hals- und Kehlkopfkrankheiten des Wiener Allgemeinen Krankenhauses (Laryngologische Klinik) behandeln. Kafka war dort Patient von 10. bis 19. April und musste währenddessen das Sterben des Zimmernachbarn Josef Schrammel miterleben, der wie Kafka an Kehlkopftuberkulose leidet. Kafka verließ nach Schrammels Tod die Klinik und verbrachte seine letzten Wochen im Sanatorium Dr. Hugo Hoffmann in Kierling bei Klosterneuburg. Seine Gefährtin Dora Diamant und sein Freund Robert Klopstock, ein Medizinstudent aus Prag, pflegten Kafka bis zu seinem Tod am 3. Juni 1924. Zwei Tage später wurde der Leichnam nach Prag überführt, das Begräbnis fand am 11. Juni 1924 statt.

Rotraut Hackermüller, deren Vorlass in der Wienbibliothek im Rathaus aufbewahrt wird, hat die letzten Lebenswochen Kafkas, die er in Niederösterreich und Wien zubrachte, recherchiert, Zeitzeugen interviewt und fotografiert und bedeutende Dokumente ausfindig gemacht, so etwa ein Krankenblatt aus der Laryngologischen Klinik in Wien, auf dem Kafkas Fieberkurve verzeichnet ist und das in der Eröffnungsausstellung des Literaturmuseums der Österreichischen Nationalbibliothek zu sehen war.

Nach dem Schriftsteller wurden 1956 die Kafkastraße und 1984 der Kafkasteg im 2. Wiener Gemeindebezirk benannt.

Quellen

Vorlass Rotraut Hackermüller. Wienbibliothek im Rathaus, ZPH 1711, 2.4 und 4.2.6

Werke (Auswahl)

  • Franz Kafka: Betrachtung. Leipzig: Rowohlt 1913 [erschienen im Dezember 1912]
  • Franz Kafka: Der Heizer. Ein Fragment. Leipzig: Wolff 1913 (= Der jüngste Tag, 3)
  • Franz Kafka: Die Verwandlung. Leipzig: Wolff 1915 (= Der jüngste Tag, 22/23)
  • Franz Kafka: Das Urteil. Eine Geschichte. Leipzig: Wolff 1916 (= Der jüngste Tag, 34)
  • Franz Kafka: Ein Landarzt. Kleinere Erzählungen. Leipzig: Wolff 1919
  • Franz Kafka: In der Strafkolonie. Leipzig: Wolff 1919
  • Franz Kafka: Ein Hungerkünstler. 4 Geschichten. Berlin: Die Schmiede 1924
  • Franz Kafka: Der Prozeß. Berlin: Die Schmiede 1925
  • Franz Kafka: Das Schloss. Roman. München: Wolff 1926
  • Franz Kafka: Amerika. Roman. München: Wolff 1927
  • Franz Kafka: Briefe an Milena. Hg. und mit einem Nachwort versehen von Willy Haas. Frankfurt am Main: S. Fischer 1952
  • Max Brod / Franz Kafka: Eine Freundschaft. Briefwechsel. Hg. von Malcolm Pasley. Frankfurt am Main: S. Fischer 1989

Literatur

  • Manfred Müller: Franz Kafkas Fieberkurve. In: Das Literaturmuseum. 101 Objekte und Geschichten. Hg. von Bernhard Fetz. Mitarbeit Miriam Rainer. Salzburg / Wien: Jung und Jung 2015, S. 138f.
  • Reiner Stach: Kafka. Die frühen Jahre. Frankfurt am Main: S. Fischer 2014
  • Reiner Stach: Kafka. Die Jahre der Erkenntnis. Frankfurt am Main: S. Fischer 2008
  • Reiner Stach: Kafka. Die Jahre der Entscheidungen. Frankfurt am Main: S. Fischer 2002
  • Franz Kafka. Eine Chronik. Zusammengestellt von Roger Hermes, Waltraud John, Hans-Gerd Koch und Anita Widera. Berlin: Verlag Klaus Wagenbach 1999

W. G. Sebald: Dr. K.s Badereise nach Riva. In: Ders.: Schwindel. Gefühle. Frankfurt am Main: Eichborn 1990, S. 161–191

  • Rotraut Hackermüller: Das Leben, das mich stört − eine Dokumentation zu Kafkas letzten Jahren 1917−1924. Wien / Berlin: Medusa 1984
  • Max Brod: Franz Kafka. Eine Biographie. Berlin: S. Fischer 1954

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