Erster Weltkrieg

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Daten zum Ereignis
Art des Ereignisses
Datum von 1914
Datum bis 1918
Thema
Veranstalter
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Gewalt
PageID 33511
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Letzte Änderung am 9.09.2014 durch WIEN1.lanm09eic
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Die viereinhalb Jahre Krieg zwischen 1914 und 1918 verwandelten Wien. Der triste Hungeralltag seiner Einwohner machte die einst glanzvolle Metropole eines Großreiches, in der der Kaiser eines Imperiums von 53 Millionen Einwohnern residierte, zur „sterbenden Stadt“. Der Zermürbungs- und Erschöpfungskrieg und die Mobilisierung aller Kräfte und Ressourcen für die Front setzten der Stadt Stück für Stück zu. Galoppierende Inflation, Unterernährung, die Abschneidung von Importen, die Priorisierung der Waffenindustrie und das dem Krieg untergeordnete Transportwesen schnürten das normale Leben immer mehr ein. Gegenüber der Mortalitätsrate vor dem Krieg war die Sterblichkeit in den Jahren um über 70.000 Tote gestiegen. Wien befand sich am Ende des Krieges in einer Art Ausnahmezustand. Streiks und Revolutionsbereitschaft resultierten aus der Verzweiflung über die Versorgungssituation. Nach dem Zerfall der Monarchie blieb das hungrige Wien zwar Hauptstadt, aber eines neuen Staates und unter gänzlich anderen Umständen. Bürgermeister und Gemeindeverwaltung versuchten 1914 die Bevölkerung auf Patriotismus und Mobilisierung einzuschwören, mussten kurze Zeit später aber Tod, Not, urbanen Niedergang und politische Polarisierung moderieren. Immerhin erreichten sie trotz revolutionärer Umbrüche Kontinuität in Politik und Verwaltung.

Richard Weiskirchner konnte als ausgewiesener Kenner der österreichischen Politik und Verwaltung gelten, als er im Jänner 1913 zum Wiener Bürgermeister gewählt wurde. Weiskirchner kam aus Karl Luegers kommunalpolitischer Schule, versuchte sich in der Rolle des Kriegsbürgermeisters als pragmatisch agierender Christlichsozialer mit stark deutschnationalem Einschlag zu profilieren. Das Amt des Bürgermeisters der Reichshaupt- und Residenzstadt behielt er bis zum Mai 1919. Mit der Etablierung der erstmals am 28. Juli 1914 zusammentretenden sogenannten „Obmännerkonferenz“, in die er alle Parteien, auch die sozialdemokratische Opposition, einbezog, gelang Weiskirchner ein politischer Coup, der - trotz aller Konflikte in den Jahren 1916 bis 1918 - die ganze Kriegszeit (und über die Republikgründung hinaus) wirkte. Es gehört zu den Paradoxien des Krieges, dass Wien in seiner gesamten Geschichte just zu einem Zeitpunkt einen Einwohner-Höchststand erreichte, als sich hunderttausend Wiener weit weg von ihrer Heimatstadt an der Front befanden. Wien wurde Kasernenstadt für Soldaten aus der ganzen Monarchie, in Wien war die zentrale Verwaltung aller Kriegsanstrengungen massiert. Wien verwandelte sich zur Lazarettstadt; allein bis März 1915 kamen mehr als 260.000 Verletzte in Wien an. Hierher strebten die meisten Flüchtlinge, weil ihnen die Hauptstadt mehr Überlebenschancen bot; nachdem im Spätherbst 1914 250.000 Vertriebene in Wien gelandet waren, stoppte die Regierung den Zuzug. Wien wurde zum Zentrum der Kriegswirtschaft und zog Arbeitskräfte aus der ganzen Monarchie an. All die genannten Personenströme ließen die Bevölkerungszahl auf über 2,4 Millionen klettern. Die galoppierende Teuerung, die auch die Mieten betraf, löste eine Debatte über den Mietzins aus. Keineswegs nur von sozialdemokratischer Seite wurden ein Einfrieren des Mietzinses und eine Festsetzung des Mietzinses durch die Behörde verlangt, um der zunehmenden Verarmung zu begegnen.

Die Planung, Ausgabe und Kontrolle der Brot-, Kartoffel- und diversen anderen Karten war eine der vielen neuen Aufgaben, die der Stadtverwaltung während des Krieges zuwuchs. Um die brennenden Probleme anzugehen und die akuten Anforderungen einigermaßen zu bewältigen, wurde eine Fülle neuer Behörden geschaffen: das Städtische Jugendamt, das Invalidenamt, das Wohnungsamt, das städtische Gesundheitsamt, das Arbeiterfürsorgeamt, die Milchversorgungsstelle, die Abteilung für Ausspeiseaktionen, das Kriegsküchenkommissariat, das Hilfsbüro der Privatangelegenheiten der Einberufenen, die Zentralstelle der Fürsorge für Kriegsflüchtlinge, die Städtische Zentrale für Tuberkulosefürsorge u.a.m. Auch beim staatlichen Unterhaltsbeitrag war die Gemeinde im Rahmen des übertragenen Wirkungsbereiches gefordert. Waren es im Oktober etwa 60.000 Personen, so weitete sich nach und nach der Bezieherkreis um Internierte, Flüchtlinge, Invalide aus. Gegen Kriegsende waren 650.000 Personen registriert, die ihre Sozialhilfen abholten. 1918 wurden an 200.000 registrierte Familien mit 700.000 sogenannten „Mindestbemittelten“ verbilligte Einkaufsscheine ausgegeben, in den sogenannten Kriegsküchen wurden im zweiten Halbjahr 1918 mehr als 45 Millionen Portionen gekocht, um den Bedürftigen zumindest einmal am Tag Nahrung zu geben. Neben der staatlichen und der kommunalen Fürsorge gab es noch unzählige selbständig agierende private Initiativen. Das neue Amtshaus in der Felderstraße vis-à-vis dem Rathaus war schon gefüllt, ehe auf den Gängen eine Glühbirne brannte.

Bereits zu Kriegsbeginn zeigten sich die Schwächen des Versorgungssystems, zeichneten sich Engpässe bei Mehl und Fleisch, Kartoffel und Futtermehl, auch bei der Kohlenzufuhr ab. Einerseits wurde die Zulieferung der Güter reduziert. Vor allem Ungarn, woher vor dem Krieg mehr als fünfzig Prozent der Lebensmittel kamen, nahm den Export auf ein Sechstel des Vorkriegsniveaus zurück. Als sich Anfang August 1914 mit Kriegsbeginn Gemüse und Kartoffel verteuerten, verwüsteten Frauen auf dem Yppenplatz Marktstände. Ein Jahr später eskalierte die Situation vielerorts vor Geschäften und auf den Märkten. Täglich stellten sich Hunderttausende (in den Berichten der Polizei 300.000 bis 500.000) unter entsetzlichen Bedingungen an, um ihre Ration Brot zu bekommen, ein Stückchen Fleisch oder ein paar Eier zu erobern. Wer dies nicht tat, lief Gefahr, überhaupt nichts zu bekommen. Die Behörden versuchten das Anstellen zu verbieten, Bürgermeister und Gemeindepolitiker traten dagegen auf – allein es half nichts. Das Anstellen wurde zum Zeichen dieses Krieges. Im Spätherbst 1916 kam eine neue, eine politische Dimension ins Spiel. Jetzt griffen die Belegschaften einzelner Firmen ein, um die Belieferung mit Lebensmitteln zu erzwingen. Sie streikten, zogen mit Forderungen nach Brot und ausreichender Ernährung Richtung Innenstadt. Burschen zogen mit den Polizisten ein Katz- und Mausspiel auf. Schuhgeschäfte wurden gestürmt, Bäckerautos überfallen, Fleischergeschäfte ausgeraubt. Jahr für Jahr wurden die zugeteilten Rationen kleiner und der Hunger größer. Meldungen von der Februarrevolution in Russland wirkten elektrisierend; die Parole „Brot und Frieden“ verfing auch in Wien. Erst recht versetzten die Massenstreiks des Jänner 1918 Kaiser und Regierung in Panik, weckten die Versuchung nach Verhängung des Ausnahmezustandes. Die Front wuchs nun endgültig ins Hinterland hinein. Stadt und Regierung versuchten, der Not und Revolutionsdrohung mit der Ankurbelung von Sozialpolitik (Mieterschutz, Kriegsküchen, Kriegsgärten) und der Organisation der Versorgung (Karten für Brot, Kohle, Petroleum, Kartoffel etc.) entgegenzutreten.

Literatur

  • Im Epizentrum des Zusammenbruchs. Wien im Ersten Weltkrieg. Hrsg. von Alfred Pfoser/ Andreas Weigl. Wien: Metro 2013
  • Andreas Weigl: Mangel Hunger Tod. Die Wiener Bevölkerung und die Folgen des Ersten Weltkrieges. Wien 2014 (Veröffentlichungen des Wiener Stadt- und Landesarchivs. Reihe B. Ausstellungskataloge, Heft 90)
  • Maureen Healy: Vienna and the Fall of the Habsburg Empire. Total War and Everyday Life in World War I. Cambridge: University Press 2004.
  • Christian Mertens: Richard Weiskirchner (1861-1926). Der unbekannte Wiener Bürgermeister. Wien: Verlag für Geschichte und Politik 2006.
  • Felix Czeike: Wien und seine Bürgermeister. Sieben Jahrhunderte Wiener Stadtgeschichte. Wien: Jugend & Volk 1974.
  • Felix Czeike: Liberale, christlichsoziale und sozialdemokratische Kommunalpolitik (1861-1934). Wien: Verlag für Geschichte und Politik 1962.
  • Maren Seliger / Karl Ucakar: Wien. Politische Geschichte 1740-1934. Entwicklung und Bestimmungskräfte grossstädtischer Politik. Teil 2: 1896-1934. Wien: Jugend & Volk 1985.
  • Hans Loewenfeld-Russ: Die Regelung der Volksernährung im Kriege. Wien: Hölder-Pichler-Tempsky 1926 (Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Weltkrieges).
  • Die Gemeinde-Verwaltung der Stadt Wien vom 1. Jänner 1914 bis 30. Juni 1919 unter den Bürgermeistern Dr. Richard Weiskirchner und Jakob Reumann. Hrsg. vom Wiener Magistrat. Wien 1923.
  • Ein Jahr Kriegsfürsorge der Gemeinde Wien. Herausgegeben von der Stadt Wien. Wien 1915.
  • Wiener Kommunal-Kalender und Städtisches Jahrbuch für 1915-1919. Wien 1915-1919.