Camillo Sitte: Unterschied zwischen den Versionen

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Camillo Sitte, * 17. April 1843 Landstraße 366 (3, Ungargasse 9), † 16. November 1903 Wien 1, Schellinggasse 13 (Dienstwohnung; Gedenktafel mit Porträtrelief von [[Oskar Thiede]] in der Vorhalle, Bronzeporträtskulptur von Hubert Wilfan [1980] auf einem Marmorsockel mit schmiedeeisernem Gitter in der Aula; Zentralfriedhof, ab 1905 Ehrengrab, Gruppe 14 A, Nummer 48 [Bronzerelief von Anton Brenek]), Architekt, Stadtplaner, Gattin (1875 Mechitaristenkirche) Leopoldine Blume, Sohn des Architekten Franz Sitte (* 8. Juli 1818 Weißkirchen, Böhmen, † 26. Juni 1879 Wien; Erbauer des älteren [[Defizientenhaus|Defizientenhauses]], 3, Ungargasse 38). Sitte besuchte das Piaristengymnasium, studierte am Polytechnischen Institut (bei [[Heinrich Ferstel]]) und an der Akademie der bildenden Künste (bei [[Rudolf Eitelberger]], der ihn stark beeinflußte und förderte), hörte aber an der Universität auch kunstgeschichtliche, archäologische und medizinische Vorlesungen (Anatomie bei HyrtI). Er war auch ein begabter Cellist und glühender Verehrer Richard Wagners. Sitte unternahm Studienreisen durch Europa und den Vorderen Orient, war musikalisch äußerst
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Camillo Sitte, * 17. April 1843 Landstraße 366 (3, Ungargasse 9), † 16. November 1903 Wien, Stadtplaner, Architekt.
interessiert (Freundschaft mit [[Hans Richter]], führend am Richard-Wagner-Kreis beteiligt) und vollendete im Lauf der Jahre eine bedeutende Anzahl von Originalaufnahmen architektonischer und kunstgewerblicher Gegenstände für das Österreichische Museum für Kunst und Industrie sowie für die k. k. Zentralkommission. Nach Beendigung seiner Studien unterstützte er seinen Vater beim Ausbau des Ordensgebäudes der Mechitaristen und baute 1871-1873 die [[Mechitaristenkirche]];
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weitere Bauaufträge führte er in Ungarn (Pfarrkirche Temesvar, 1884), Böhmen (Jagdschloß Zbirow, vollendet 1891) und Mähren (Marienkirche, Rathaus und Pfarrhaus in
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==Biographie==
Oderfurth-Privoz bei Mähren-Ostrau, 1894-1899) aus. 1875-1883 war Sitte (über Empfehlung Eitelbergers) Direktor der neu begründeten Staatsgewerbeschule in Salzburg; 1883 wurde er nach Wien zurückberufen, um auch hier eine ähnliche Schule zu begründen (Staatsgewerbeschule 1, Schellinggasse 13, deren Direktor er
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Der Sohn des Architekten [[Franz Sitte]] und seiner Frau Theresia (geborene Schabes) studierte nach dem Besuch des [[Piaristenschulen|Piaristengymnasium]] am [[Technische Universität|Polytechnischen Institut]] bei [[Heinrich Ferstel]] Architektur sowie Kunstgeschichte und Archäologie an der Universität Wien. Darüber hinaus besuchte er naturwissenschaftliche Lehrveranstaltungen und war Schüler des Anatomen [[Joseph Hyrtl]]. Besonderen Einfluss auf Sitte hatte allerdings sein Lehrer [[Rudolf Eitelberger]], der erste Professor im neu etablierten Fach Kunstgeschichte. Sitte unternahm Studienreisen durch Europa und den Vorderen Orient. Er war auch ein begabter Cellist und als glühender Verehrer [[Richard Wagner]]s mit [[Hans Richter]] befreundet.
wurde). Er beschäftigte sich theoretisch und praktisch mit Fragen des Städtebaus (1889 erschien das weltberühmte Buch "Der Städtebau nach seinen künstlerischen Grundsätzen"; dieses Werk gilt als der Anstoß zum modernen Städtebau). Sitte drang jedoch in Wien mit seinen Ansichten nicht durch (hingegen stammen von ihm Bebauungspläne für böhmische und mährische Klein- und Mittelstädte [darunter 1892 Teschen, 1894 Olmütz, 1901 Reichenberg]); erst 1902/1903 hielt Karl Mayreder
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an der Technischen Hochschule Wien Städtebauvorlesungen ab, und erst 1932 wurde an der Technischen Hochschule eine Lehrkanzel für Städtebau geschaffen.
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Nach Beendigung seiner Studien unterstützte der junge Architekt seinen Vater beim Ausbau des Ordensgebäudes der Mechitaristen und baute 1871 bis 1873 die [[Mechitaristenkirche]]; weitere Bauaufträge führte er in Ungarn (Pfarrkirche Temesvar, 1884), Böhmen (Jagdschloss Zbirow, vollendet 1891) und Mähren (Marienkirche, Rathaus und Pfarrhaus in Oderfurth-Privoz bei Mähren-Ostrau, 1894 bis 1899) aus. 1875 heiratete er in der Mechitaristenkirche Leopoldine Blume.
Die revolutionierende Tat von Sitte besteht darin, daß er in der Zeit des stärksten Verfalls der Städtebaukunst die sozialen Gesetzmäßigkeiten und Forderungen, die an den Städtebauer gestellt werden müssen, bereits richtig erkannt hat. Mit Theodor Goecke begründete Sitte die Zeitschrift "Der Städtebau". Zahlreiche richtungweisende wissenschaftliche Veröffentlichungen. Gedenktafel (3, Leberstraße 4 c [Höhrere Technische Lehranstalt], Gartenfront [ursprünglich Straßenfassade]),
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[[Camillo-Sitte-Gasse]].
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Im selben Jahr wurde Camillo Sitte auf Empfehlung Eitelbergers und sehr zur Enttäuschung seines Vaters, der gerne gesehen hätte, das sein Sohn freiberuflich tätig ist, mit der Leitung der neu begründeten Staatsgewerbeschule in Salzburg betraut. Als besonderen Erfolg konnte er hier die international beachtete Eröffnung einer neuen Abteilung für "Photographie und Reproduktionsverfahren" verbuchen, worauf er zum Inspektor der Fortbildungsschulen im Salzburger Kronland aufstieg und 1883 schließlich als Leiter der [[Staatsgewerbeschulen|Staatsgewerbeschule]], Schellinggasse 13, nach Wien zurückkehrte.
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1889 veröffentlichte Sitte sein Hauptwerk "Der Städtebau nach seinen künstlerischen Grundsätzen", womit er zu einem international anerkannten Fachmann für Stadtplanung wurde. Es folgten Planungsaufträge unter anderem für Olmütz, Mährisch-Ostrau und Reichenberg, aber auch Planungen für Venedig oder Konstantinopel griffen auf Sittes Expertise zurück. Selbst in Australien wurde man auf den Architekten aufmerksam. Die Australische Regierung zog sogar in Erwägung, ihn mit der Ausarbeitung von Plänen für Adelaide, Melbourne und Sydney zu beauftragen.
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In Wien blieb ihm dagegen eine ähnlich überzeugende Anerkennung verwehrt. Zwar baute er hier noch einige Mietshäuser und Villen, doch als er sich 1894 um die durch den Tod [[Carl von Hasenauer]]s frei gewordene Professoren-Stelle an der Akademie der bildenden Künste beworben hatte, wurde ihm [[Otto Wagner (Architekt)|Otto Wagner]] vorgezogen. Sittes Idealisierung der mittelalterlichen Stadt, sein Eintreten gegen die Verbauung der Ringstraßenzone und die gründerzeitliche Rasterverbauung verschärften den Konflikt mit Wagner zusätzlich.  
  
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Mit Theodor Goecke begründete Sitte die Zeitschrift "Der Städtebau", deren Erscheinen er nicht mehr erlebte. Er starb 1903 in seiner Dienstwohnung in der Staatsgewerbeschule, wo eine Gedenktafel mit Porträtrelief von [[Oskar Thiede]] in der Vorhalle und eine Bronzeporträtskulptur von Hubert Wilfan [1980] auf einem Marmorsockel mit schmiedeeisernem Gitter in der Aula an ihn erinnern. Das Bronzerelief auf seinem Ehrengrab am Wiener Zentralfriedhof gestaltete Anton Brenek.
  
 
== Literatur ==
 
== Literatur ==
* Neue österreichische Biographie. 1815–1918. Wien [u.a.]: Amalthea-Verlag 1923-1935. Band 6,1928, S. 132 ff.
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* Ulrich Thieme / Felix Becker [Hg.]: Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. 37 Bände. Leipzig: Engelmann 1907-1950
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* Michael Mönninger: Leben und Werk Camillo Sittes. In: Klaus Semsroth / Michael Mönninger / Christine C. Collins [Hg.]: Camillo Sitte. Schriften zu Kunstkritik und Kunstgewerbe. Wien [u. a.]: Böhlau 2008 (= Camillo Sitte Gesamtausgabe, Band 1), S. 27 ff
* Constantin von Wurzbach: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich. Enthaltend die Lebensskizzen der denkwürdigen Personen, welche 1750 bis 1850 im Kaiserstaate und in seinen Kronländern gelebt haben. 60 Bände. Wien: Verlag der typografisch-literarisch-artistischen Anstalt 1856-1891. Register 1923
 
 
* Rudolf Wurzer: Camillo Sittes Hauptwerk "Der Städtebau nach seinen künstlerischen Grundsätzen". In: Die Alte Stadt. Vierteljahreszeitschrift für Stadtgeschichte, Stadtsoziologie und Denkmalpflege, Band 1 (1992), S. 1-15
 
* Rudolf Wurzer: Camillo Sittes Hauptwerk "Der Städtebau nach seinen künstlerischen Grundsätzen". In: Die Alte Stadt. Vierteljahreszeitschrift für Stadtgeschichte, Stadtsoziologie und Denkmalpflege, Band 1 (1992), S. 1-15
* Rudolf Wurzer: Camillo Sitte. In: Handwörterbuch der Raumforschung und Raumordnung. Hannover 1966, S. 1774 ff. (?)
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* Robert S. Budig / Gertrude Enderle-Burcel / Peter Enderle: Ehrengräber am Wiener Zentralfriedhof. Wien: Compress Verlag 1995, S. 39
* Rudolf Wurzer: Franz, Camillo und Siegfried Sitte. Ein langer Weg von der Architektur zur Stadtplanung. In: Berichte zur Raumforschung und Raumplanung Heft 3-5 (1989), S. 9-34
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* Daniel Wieczorek: Camillo Sittes "Städtebau" in neuer Sicht. In: Berichte zur Raumforschung und Raumplanung Heft 3−5 (1989), S. 35 ff.
* Daniel Wieczorek: Camillo Sittes "Städtebau" in neuer Sicht. In: Berichte zur Raumforschung und Raumplanung Heft 3-5 (1989), S. 35 ff.
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* Rudolf Wurzer: Franz, Camillo und Siegfried Sitte. Ein langer Weg von der Architektur zur Stadtplanung. In: Berichte zur Raumforschung und Raumplanung Heft 3−5 (1989), S. 9-34
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* Renate Wagner-Rieger: Wiens Architektur im 19. Jahrhundert. Wien: Österreichischer Bundesverlag 1970
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* Ottokar Uhl: Moderne Architektur in Wien von Otto Wagner bis heute. Wien [u.a.]: Schroll 1966, S. 16, S. 122
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* Rudolf Wurzer: Camillo Sitte. In: Handwörterbuch der Raumforschung und Raumordnung. Hannover 1966, S. 1774 ff.  
 
* Renate Schweitzer: Camillo Sittes Beitrag zur Entwicklung des modernen Städtebaues. In: Berichte zur Raumforschung und Raumplanung Heft 1 (1965), S. 46-53
 
* Renate Schweitzer: Camillo Sittes Beitrag zur Entwicklung des modernen Städtebaues. In: Berichte zur Raumforschung und Raumplanung Heft 1 (1965), S. 46-53
* Heinrich Sitte: Camillo Sitte. In: Neue österreichische Biographie. 1815–1918. Wien [u.a.]: Amalthea-Verlag 1923-1935. Band 6,1929
 
* Ottokar Uhl: Moderne Architektur in Wien von Otto Wagner bis heute. Wien [u.a.]: Schroll 1966, S. 16, S. 122
 
 
* Justus Schmidt / Hans Tietze: Dehio Wien. Wien: A. Schroll 1954 (Bundesdenkmalamt: Die Kunstdenkmäler Österreichs), S. 132
 
* Justus Schmidt / Hans Tietze: Dehio Wien. Wien: A. Schroll 1954 (Bundesdenkmalamt: Die Kunstdenkmäler Österreichs), S. 132
 +
* Heinrich Sitte: Camillo Sitte. In: Neue österreichische Biographie. 1815−1918. Wien [u.a.]: Amalthea Verlag 1923−1935. Band 6, 1929
 +
* Neue österreichische Biographie. 1815−1918. Band 6. Wien [u.a.]: Amalthea Verlag 1928, S. 132 ff.
 
* Paul Kortz: Wien am Anfang des 20. Jahrhunderts. Ein Führer in technischer und künstlerischer Richtung. Hg. vom Oesterreichischen Ingenieur und Architekten-Verein. Band 1. Wien: Gerlach & Wiedling 1905, S. 171 ff.
 
* Paul Kortz: Wien am Anfang des 20. Jahrhunderts. Ein Führer in technischer und künstlerischer Richtung. Hg. vom Oesterreichischen Ingenieur und Architekten-Verein. Band 1. Wien: Gerlach & Wiedling 1905, S. 171 ff.
 
* Paul Kortz: Wien am Anfang des 20. Jahrhunderts. Ein Führer in technischer und künstlerischer Richtung. Hg. vom Oesterreichischen Ingenieur und Architekten-Verein. Band 2. Wien: Gerlach & Wiedling 1906, S. 475
 
* Paul Kortz: Wien am Anfang des 20. Jahrhunderts. Ein Führer in technischer und künstlerischer Richtung. Hg. vom Oesterreichischen Ingenieur und Architekten-Verein. Band 2. Wien: Gerlach & Wiedling 1906, S. 475
* Renate Wagner-Rieger: Wiens Architektur im 19. Jahrhundert. Wien: Österr. Bundesverlag 1970, Reg.
+
* Bruno Maldoner: Die Intelligenz der Hand. Erinnerung an den Architekten, Schuldirektor, Maler und Bildhauer Camillo Sitte. In: Wiener Zeitung, Extra, 19.11.1993, S. 4
* Robert S. Budig / Gertrude Enderle-Burcel / Peter Enderle: Ehrengräber am Wiener Zentralfriedhof. Wien: Compress Verlag 1995, S. 39
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* Rathaus-Korrespondenz. Wien: Presse- und Informationsdienst, 13.11.1989
* Wiener Zeitung, 19.11.1993
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* Rathaus-Korrespondenz. Wien: Presse- und Informationsdienst 1945 - lfd., 13.11.1989
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== Weblinks ==
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* [http://www.literature.at/viewer.alo?objid=11783&viewmode=fullscreen&scale=3.33&rotate=&page=41 Constant von Wurzbach: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich, Band 35, Wien: k.k. Hof- und Staatsdruckerei 1877: Camillo Sitte]
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* [http://www.camillo-sitte-lehranstalt.at/02_allgemein/02_camillo.html Camillo Sitte-Lehranstalt: Wer war Camillo Sitte?]
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* [http://www.architektenlexikon.at/de/603.htm Architekturzentrum Wien: Camillo Sitte]

Aktuelle Version vom 19. Oktober 2023, 12:02 Uhr

Camillo Sitte (1843-1903)
Daten zur Person
Personenname Sitte, Camillo
Abweichende Namensform
Titel
Geschlecht männlich
PageID 20546
GND 118797441
Wikidata Q93987
Geburtsdatum 17. April 1843
Geburtsort Wien
Sterbedatum 16. November 1903
Sterbeort Wien
Beruf Architekt, Stadtplaner, Maler
Parteizugehörigkeit
Ereignis
Nachlass/Vorlass
Objektbezug
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien, Gedenktage, Gedenktage-GW
Export RDF-Export (Resource Description Framework) RDF
Recherche
Letzte Änderung am 19.10.2023 durch WIEN1.lanm09fri
Begräbnisdatum 1. April 1905
Friedhof Zentralfriedhof
Grabstelle Gruppe 14 A, Nummer 48
Ehrengrab Ehrengrab
Bildname Camillo_Sitte.jpg
Bildunterschrift Camillo Sitte (1843-1903)
  • 3., Ungargasse 9 (Geburtsadresse)
  • 1., Schellinggasse 13 (Sterbeadresse)
Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft
  • Direktor der Staatsgewerbeschule Salzburg (1875 bis 1883)
  • Direktor der Staatsgewerbeschule Wien (1883)

Camillo Sitte, * 17. April 1843 Landstraße 366 (3, Ungargasse 9), † 16. November 1903 Wien, Stadtplaner, Architekt.

Biographie

Der Sohn des Architekten Franz Sitte und seiner Frau Theresia (geborene Schabes) studierte nach dem Besuch des Piaristengymnasium am Polytechnischen Institut bei Heinrich Ferstel Architektur sowie Kunstgeschichte und Archäologie an der Universität Wien. Darüber hinaus besuchte er naturwissenschaftliche Lehrveranstaltungen und war Schüler des Anatomen Joseph Hyrtl. Besonderen Einfluss auf Sitte hatte allerdings sein Lehrer Rudolf Eitelberger, der erste Professor im neu etablierten Fach Kunstgeschichte. Sitte unternahm Studienreisen durch Europa und den Vorderen Orient. Er war auch ein begabter Cellist und als glühender Verehrer Richard Wagners mit Hans Richter befreundet.

Nach Beendigung seiner Studien unterstützte der junge Architekt seinen Vater beim Ausbau des Ordensgebäudes der Mechitaristen und baute 1871 bis 1873 die Mechitaristenkirche; weitere Bauaufträge führte er in Ungarn (Pfarrkirche Temesvar, 1884), Böhmen (Jagdschloss Zbirow, vollendet 1891) und Mähren (Marienkirche, Rathaus und Pfarrhaus in Oderfurth-Privoz bei Mähren-Ostrau, 1894 bis 1899) aus. 1875 heiratete er in der Mechitaristenkirche Leopoldine Blume.

Im selben Jahr wurde Camillo Sitte auf Empfehlung Eitelbergers und sehr zur Enttäuschung seines Vaters, der gerne gesehen hätte, das sein Sohn freiberuflich tätig ist, mit der Leitung der neu begründeten Staatsgewerbeschule in Salzburg betraut. Als besonderen Erfolg konnte er hier die international beachtete Eröffnung einer neuen Abteilung für "Photographie und Reproduktionsverfahren" verbuchen, worauf er zum Inspektor der Fortbildungsschulen im Salzburger Kronland aufstieg und 1883 schließlich als Leiter der Staatsgewerbeschule, Schellinggasse 13, nach Wien zurückkehrte. 1889 veröffentlichte Sitte sein Hauptwerk "Der Städtebau nach seinen künstlerischen Grundsätzen", womit er zu einem international anerkannten Fachmann für Stadtplanung wurde. Es folgten Planungsaufträge unter anderem für Olmütz, Mährisch-Ostrau und Reichenberg, aber auch Planungen für Venedig oder Konstantinopel griffen auf Sittes Expertise zurück. Selbst in Australien wurde man auf den Architekten aufmerksam. Die Australische Regierung zog sogar in Erwägung, ihn mit der Ausarbeitung von Plänen für Adelaide, Melbourne und Sydney zu beauftragen. In Wien blieb ihm dagegen eine ähnlich überzeugende Anerkennung verwehrt. Zwar baute er hier noch einige Mietshäuser und Villen, doch als er sich 1894 um die durch den Tod Carl von Hasenauers frei gewordene Professoren-Stelle an der Akademie der bildenden Künste beworben hatte, wurde ihm Otto Wagner vorgezogen. Sittes Idealisierung der mittelalterlichen Stadt, sein Eintreten gegen die Verbauung der Ringstraßenzone und die gründerzeitliche Rasterverbauung verschärften den Konflikt mit Wagner zusätzlich.

Mit Theodor Goecke begründete Sitte die Zeitschrift "Der Städtebau", deren Erscheinen er nicht mehr erlebte. Er starb 1903 in seiner Dienstwohnung in der Staatsgewerbeschule, wo eine Gedenktafel mit Porträtrelief von Oskar Thiede in der Vorhalle und eine Bronzeporträtskulptur von Hubert Wilfan [1980] auf einem Marmorsockel mit schmiedeeisernem Gitter in der Aula an ihn erinnern. Das Bronzerelief auf seinem Ehrengrab am Wiener Zentralfriedhof gestaltete Anton Brenek.

Literatur

  • Michael Mönninger: Leben und Werk Camillo Sittes. In: Klaus Semsroth / Michael Mönninger / Christine C. Collins [Hg.]: Camillo Sitte. Schriften zu Kunstkritik und Kunstgewerbe. Wien [u. a.]: Böhlau 2008 (= Camillo Sitte Gesamtausgabe, Band 1), S. 27 ff
  • Rudolf Wurzer: Camillo Sittes Hauptwerk "Der Städtebau nach seinen künstlerischen Grundsätzen". In: Die Alte Stadt. Vierteljahreszeitschrift für Stadtgeschichte, Stadtsoziologie und Denkmalpflege, Band 1 (1992), S. 1-15
  • Robert S. Budig / Gertrude Enderle-Burcel / Peter Enderle: Ehrengräber am Wiener Zentralfriedhof. Wien: Compress Verlag 1995, S. 39
  • Daniel Wieczorek: Camillo Sittes "Städtebau" in neuer Sicht. In: Berichte zur Raumforschung und Raumplanung Heft 3−5 (1989), S. 35 ff.
  • Rudolf Wurzer: Franz, Camillo und Siegfried Sitte. Ein langer Weg von der Architektur zur Stadtplanung. In: Berichte zur Raumforschung und Raumplanung Heft 3−5 (1989), S. 9-34
  • Renate Wagner-Rieger: Wiens Architektur im 19. Jahrhundert. Wien: Österreichischer Bundesverlag 1970
  • Ottokar Uhl: Moderne Architektur in Wien von Otto Wagner bis heute. Wien [u.a.]: Schroll 1966, S. 16, S. 122
  • Rudolf Wurzer: Camillo Sitte. In: Handwörterbuch der Raumforschung und Raumordnung. Hannover 1966, S. 1774 ff.
  • Renate Schweitzer: Camillo Sittes Beitrag zur Entwicklung des modernen Städtebaues. In: Berichte zur Raumforschung und Raumplanung Heft 1 (1965), S. 46-53
  • Justus Schmidt / Hans Tietze: Dehio Wien. Wien: A. Schroll 1954 (Bundesdenkmalamt: Die Kunstdenkmäler Österreichs), S. 132
  • Heinrich Sitte: Camillo Sitte. In: Neue österreichische Biographie. 1815−1918. Wien [u.a.]: Amalthea Verlag 1923−1935. Band 6, 1929
  • Neue österreichische Biographie. 1815−1918. Band 6. Wien [u.a.]: Amalthea Verlag 1928, S. 132 ff.
  • Paul Kortz: Wien am Anfang des 20. Jahrhunderts. Ein Führer in technischer und künstlerischer Richtung. Hg. vom Oesterreichischen Ingenieur und Architekten-Verein. Band 1. Wien: Gerlach & Wiedling 1905, S. 171 ff.
  • Paul Kortz: Wien am Anfang des 20. Jahrhunderts. Ein Führer in technischer und künstlerischer Richtung. Hg. vom Oesterreichischen Ingenieur und Architekten-Verein. Band 2. Wien: Gerlach & Wiedling 1906, S. 475
  • Bruno Maldoner: Die Intelligenz der Hand. Erinnerung an den Architekten, Schuldirektor, Maler und Bildhauer Camillo Sitte. In: Wiener Zeitung, Extra, 19.11.1993, S. 4
  • Rathaus-Korrespondenz. Wien: Presse- und Informationsdienst, 13.11.1989

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