Axel Corti: Unterschied zwischen den Versionen

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Die restriktive Migrationspolitik der Schweiz führte dazu, dass die Familie nach dem Ende der NS-Herrschaft in Europa und damit der direkten Bedrohung  ausgewiesen wurde. Nach einer Zwischenstation in Liechtenstein gelangte sie 1947 nach Italien, wo Axel Corti schließlich einen neuen Reisepass mit seinem heutigen Namen – eigentlich Alfonso von Cassino Corti – erhielt. Ein Jahr darauf beginnt er eine Ausbildung zum Landwirt auf einem Bauernhof, erkrankt jedoch schwer und muss dieses Ziel aufgeben. In Innsbruck besucht er in der Folge 1949 die Abendschule und beginnt eine Sprech- und Schauspielausbildung bei der bekannten Lyrikerin und Schauspielerin Traute Foresti.
 
Die restriktive Migrationspolitik der Schweiz führte dazu, dass die Familie nach dem Ende der NS-Herrschaft in Europa und damit der direkten Bedrohung  ausgewiesen wurde. Nach einer Zwischenstation in Liechtenstein gelangte sie 1947 nach Italien, wo Axel Corti schließlich einen neuen Reisepass mit seinem heutigen Namen – eigentlich Alfonso von Cassino Corti – erhielt. Ein Jahr darauf beginnt er eine Ausbildung zum Landwirt auf einem Bauernhof, erkrankt jedoch schwer und muss dieses Ziel aufgeben. In Innsbruck besucht er in der Folge 1949 die Abendschule und beginnt eine Sprech- und Schauspielausbildung bei der bekannten Lyrikerin und Schauspielerin Traute Foresti.
  
1951 arbeitete er für die von den französischen Befreiungstruppen eingerichteten "Sendergruppe West" für den Rundfunk und als Zeitungsjournalist und ab 1953 für Radio Innsbruck, wo er der Radioglosse "Hömbergs Kaleidophon" seine Stimme verlieh. Von 1955 bis 1960 leitete er schließlich die Literatur- und Hörspielabteilung des ORF-Landesstudios Tirol. Bereits am Beginn seiner Karriere erwarb er sich durch seine kompromisslosen Qualitätsansprüche den Ruf des "Schwierigen", wie sich der damalige Kollege und spätere Hörfunkintendant Ernst Grissemann später erinnern sollte.
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1951 arbeitete er für die von den französischen Befreiungstruppen eingerichteten "Sendergruppe West" für den Rundfunk und als Zeitungsjournalist. Ab 1953 war er für das Radio Innsbruck tätig, wo er der Radioglosse "Hömbergs Kaleidophon" seine Stimme verlieh. Von 1955 bis 1960 leitete er schließlich die Literatur- und Hörspielabteilung des ORF-Landesstudios Tirol. Bereits am Beginn seiner Karriere erwarb er sich durch seine kompromisslosen Qualitätsansprüche den Ruf des "Schwierigen", wie sich der damalige Kollege und spätere Hörfunkintendant Ernst Grissemann später erinnern sollte.
  
 
1960 setzte er Joseph Roths "Beichte eines Mörders" als Hörspiel um und arbeitet zuerst als Regieassistent und kurz darauf bereits als Regisseur und Dramaturg am Burgtheater. Die international als Erfolg wahrgenommene Regiearbeitet begleitete er von 1961 bis 1964 durch seine Vermittlungstätigkeit als Lehrer für Regie am renommierten Max-Reinhardt-Seminar. Im Privaten ergaben sich zur selben Zeit auch bedeutende Änderungen. Im Jahr 1964 heiratete er [[Cecily Corti|Cecily Herberstein]]. Nach zahlreichen Regieerfolgen am Theater und für Fernsehanstalten in Österreich und der BRD ging Corti im selben Jahr als Oberspielleiter an die Städtischen Bühnen Oberhausen und 1966 in derselben Funktion nach Ulm in Deutschland.
 
1960 setzte er Joseph Roths "Beichte eines Mörders" als Hörspiel um und arbeitet zuerst als Regieassistent und kurz darauf bereits als Regisseur und Dramaturg am Burgtheater. Die international als Erfolg wahrgenommene Regiearbeitet begleitete er von 1961 bis 1964 durch seine Vermittlungstätigkeit als Lehrer für Regie am renommierten Max-Reinhardt-Seminar. Im Privaten ergaben sich zur selben Zeit auch bedeutende Änderungen. Im Jahr 1964 heiratete er [[Cecily Corti|Cecily Herberstein]]. Nach zahlreichen Regieerfolgen am Theater und für Fernsehanstalten in Österreich und der BRD ging Corti im selben Jahr als Oberspielleiter an die Städtischen Bühnen Oberhausen und 1966 in derselben Funktion nach Ulm in Deutschland.
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Neben dem Fernsehen arbeitete er auch weiter begeistert für das Radio. Seine Ö3 bzw. später Ö1-Kolumne "Der Schalldämpfer", ein zehnminütiges Format über alles Menschliche und Unmenschliche, das er selbst jedes Wochenende von 1967 bis kurz vor seinem Ableben 1993 präsentierte, hatte für viele Österreicherinnen und Österreicher Kultstatus. Die letzte Sendung, welche er drei Tage vor seinem Tod aufgenommen hatte, gilt als sein Vermächtnis.
 
Neben dem Fernsehen arbeitete er auch weiter begeistert für das Radio. Seine Ö3 bzw. später Ö1-Kolumne "Der Schalldämpfer", ein zehnminütiges Format über alles Menschliche und Unmenschliche, das er selbst jedes Wochenende von 1967 bis kurz vor seinem Ableben 1993 präsentierte, hatte für viele Österreicherinnen und Österreicher Kultstatus. Die letzte Sendung, welche er drei Tage vor seinem Tod aufgenommen hatte, gilt als sein Vermächtnis.
  
Aus der Theaterregie entwickelte sich über die Fernseharbeit ab den 1960er Jahren eine sehr markante und eigenständige Filmkarriere. Am Beginn stand 1963 die Verfilmung von [[Fritz von Herzmanovsky-Orlando|Herzmanovsky-Orlandos]] Bühnenstück "Kaiser Joseph und die Bahnwärterstochter ", in dem unter anderen [Hans Moser] seine letzte Rolle spielte. Bekannt ist der Filmemacher Corti aber für seinen ersten großen Erfolg "Der Fall Jägerstätter" aus dem Jahr 1971. Diese Ursprünglich als Fernsehfilm produzierte Geschichte des 1943 vom NS-Regime hingerichteten Kriegsdienstverweigerers Franz Jägerstätter wurde auf Anregung des Cineasten René Clairs unter dem Titel "Die Verweigerung" ins Kino gebracht und schließlich bei den Internationalen Filmfestspielen in Cannes ausgezeichnet. Cortis radikale Durchschneidung des Spielfilms mit realen Interviews von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen gilt bis heute als genrebegründend für das mittlerweile verbreitete Format des Dokumentarspiels.
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Aus der Theaterregie entwickelte sich über die Fernseharbeit ab den 1960er Jahren eine sehr markante und eigenständige Filmkarriere. Am Beginn stand 1963 die Verfilmung von [[Fritz von Herzmanovsky-Orlando|Herzmanovsky-Orlandos]] Bühnenstück "Kaiser Joseph und die Bahnwärterstochter ", in dem unter anderen [[Hans Moser]] seine letzte Rolle spielte. Bekannt ist der Filmemacher Corti aber für seinen ersten großen Erfolg "Der Fall Jägerstätter" aus dem Jahr 1971. Diese Ursprünglich als Fernsehfilm produzierte Geschichte des 1943 vom NS-Regime hingerichteten Kriegsdienstverweigerers [[Franz Jägerstätter]] wurde auf Anregung des Cineasten René Clairs unter dem Titel "Die Verweigerung" ins Kino gebracht und schließlich bei den Internationalen Filmfestspielen in Cannes ausgezeichnet. Cortis radikale Durchschneidung des Spielfilms mit realen Interviews von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen gilt bis heute als genrebegründend für das mittlerweile verbreitete Format des Dokumentarspiels.
  
Die rigorose Auseinandersetzung mit der österreichischen Zeitgeschichte und die Frage nach der Herkunft von Hass, Intoleranz und Rassismus auf einer sehr individuellen an der Perspektive konkreter Menschen orientierten Ebene filmischer Handlungsanalysen mit stets deutlichen Gegenwartsbezügen dominierte Sein weiteres Werk. Seit 1972 vermittelte er diesen Zugang auch an die kommende Generation von Filmschaffenden an der Wiener Filmakademie. Zu seinen bedeutendsten Produktionen zählen "Ein junger Mann aus dem Innviertel Adolf Hitler" (1973), "Die beiden Freundinnen"(1978), "An uns glaubt Gott nicht mehr" (1982), die Verfilmung von Gernot Wolfgrubers "Herrenjahre" (1984) sowie im gleichen Jahr "Eine blaßblaue Frauenschrift" nach einer Werfel-Novelle. Vor allem die Literaturverfilmungen fanden weltweit ein sehr positives Echo. Der Durchbruch erfolgte jedoch erst 1986 mit "Welcome to Vienna", dem dritten Teil seiner Trilogie "Wohin und zurück", welcher vor allem in Frankreich mit großer Begeisterung aufgenommen wurde. Die darin erzählte Geschichte eines vom NS-Regime beraubten und vertriebenen Wieners jüdischer Herkunft, der als Mitglied der Befreiungstruppen 1945 in seine ehemalige Heimatstadt zurückkehrte, wurde international sehr positiv rezensiert.  
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Die rigorose Auseinandersetzung mit der österreichischen Zeitgeschichte und die Frage nach der Herkunft von Hass, Intoleranz und Rassismus auf einer sehr individuellen an der Perspektive konkreter Menschen orientierten Ebene filmischer Handlungsanalysen mit stets deutlichen Gegenwartsbezügen dominierte Sein weiteres Werk. Seit 1972 vermittelte er diesen Zugang auch an die kommende Generation von Filmschaffenden an der Wiener Filmakademie. Zu seinen bedeutendsten Produktionen zählen "Ein junger Mann aus dem Innviertel. Adolf Hitler" (1973), "Die beiden Freundinnen"(1978), "An uns glaubt Gott nicht mehr" (1982), die Verfilmung von Gernot Wolfgrubers "Herrenjahre" (1984) sowie im gleichen Jahr "Eine blaßblaue Frauenschrift" nach einer Werfel-Novelle. Vor allem die Literaturverfilmungen fanden weltweit ein sehr positives Echo. Der Durchbruch erfolgte jedoch erst 1986 mit "Welcome to Vienna", dem dritten Teil seiner Trilogie "Wohin und zurück", welcher vor allem in Frankreich mit großer Begeisterung aufgenommen wurde. Die darin erzählte Geschichte eines vom NS-Regime beraubten und vertriebenen Wieners jüdischer Herkunft, der als Mitglied der Befreiungstruppen 1945 in seine ehemalige Heimatstadt zurückkehrte, wurde international sehr positiv rezensiert.  
  
Neben dem eigentlichen filmischen Schaffen entwarf Corti auch Werbeclips z.B. für Humanic und gestaltete aktiv staatliche Förderpolitik mit. So half er aktiv in den 1980er Jahren, ein eigenes Filmförderungsgesetz für Österreich auf den Weg zu bringen. Auch führte er Regie bei zwei Folgen der bekannten Krimi-Serie "Tatort".
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Neben dem eigentlichen filmischen Schaffen entwarf Corti auch Werbeclips z.B. für Humanic und gestaltete aktiv staatliche Förderpolitik mit. So half er in den 1980er Jahren, ein eigenes Filmförderungsgesetz für Österreich auf den Weg zu bringen. Auch führte er Regie bei zwei Folgen der bekannten Krimi-Serie "Tatort".
  
Bekannt sind auch seine späteren Fernsehauftritte als kritischer Gastgeber der ORF-Diskussionssendung "Club 2". An seiner proeuropäischen Haltung ließ er auch vor der Kamera keinen Zweifel und zeigte sie deutlich, als er 1992 die erste deutsch-französische Diskussionssendung des kurz zuvor gegründeten Gemeinschaftssenders ARTE leitete.
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Bekannt sind auch seine späteren Fernsehauftritte als kritischer Gast und Gastgeber der ORF-Diskussionssendung "Club 2". An seiner proeuropäischen Haltung ließ er vor der Kamera keinen Zweifel und zeigte dies auch deutlich, als er z.B. 1992 die erste deutsch-französische Diskussionssendung des kurz zuvor gegründeten Gemeinschaftssenders ARTE leitete.
  
Seine letzte große Filmproduktion, der "Radetzkymarsch" nach Joseph Roth, überlebte er leider nicht. Axel Corti verstarb am 29. Dezember 1993. Sein Kameramann Gernot Roll drehte den Film fertig, der schließlich 1995 posthum veröffentlicht wurde. Die Produktion begleitete Corti zu Lebzeiten noch im Rahmen des "Schalldämpfers" mit einer Art öffentlichem Tagebuch des Filmemachens und hinterließ so als Chiffre für sein ganzes Œuvre mehr als nur ein Werk, sprich ein Zeit-Bild.
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Den Abschluß seiner letzten großen Filmproduktion, den "Radetzkymarsch" nach Joseph Roth, überlebte er leider nicht. Axel Corti verstarb am 29. Dezember 1993. Sein Kameramann Gernot Roll drehte den Film fertig, der schließlich 1995 posthum veröffentlicht wurde. Die Produktion begleitete Corti zu Lebzeiten noch im Rahmen des "Schalldämpfers" mit einer Art öffentlichem Tagebuch des Filmemachens und hinterließ so als Chiffre für sein ganzes Œuvre mehr als nur ein Werk, sprich ein Zeit-Bild.
  
 
==Werke (Auswahl)==
 
==Werke (Auswahl)==

Version vom 30. Mai 2017, 15:28 Uhr

Daten zur Person
Personenname Corti, Axel
Abweichende Namensform Fuhrmans, Leopold Karl Anatole Axel; Cassino Corti, Alfonso von
Titel Prof.
Geschlecht männlich
PageID 31054
GND 119437554
Wikidata
Geburtsdatum 7. Mai 1933
Geburtsort Paris / Boulogne-Billancourt
Sterbedatum 29. Dezember 1993
Sterbeort Oberndorf bei Salzburg
Beruf Schriftsteller, Regisseur, Filmschaffender, Publizist
Parteizugehörigkeit
Ereignis
Nachlass/Vorlass
Objektbezug
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien, Gedenktage-GW
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Recherche
Letzte Änderung am 30.05.2017 durch WIEN1.lanm09kog
Begräbnisdatum 31. Dezember 1993
Friedhof Friedhof Arnsdorf
Grabstelle

Es wurden noch keine Adressen zu dieser Person erfasst!

Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft
  • Goldene Kamera
  • Karl-Renner-Preis für Publizistik
  • Prix Italia (Verleihung: 1985)
  • Rudolf-Henz-Preis (Verleihung: 1986)
  • Dritter Preis der Internationalen Filmfestspiele in Locarno (Verleihung: 1987)
  • Großer Österreichischer Staatspreis für Filmkunst

Axel Corti, * 7. Mai 1933 Paris, † 29. Dezember 1993 Oberndorf bei Salzburg, Regisseur, Filmschaffender, Schriftsteller, Publizist, Gattin Cecily Herberstein.

Biographie

Axel Corti wurde am 5. Mai 1933 als Sohn des italienisch-österreichischen Kaufmanns und Geschäftsreisenden Carl Edgar Fuhrmans und der aus der Schwarzwaldregion in Deutschland kommenden Ingeborg Kutzner unter dem Namen Leopold Karl Anatole Axel Fuhrmans in Paris / Boulogne-Billancourt geboren. Nach Paris ist die Familie aus geschäftlichen Gründen bereits 1928 gezogen. Der Vater war Geschäftspartner der französischen Staatsbahnen und handelte mit Lokomotiven. Corti sollte in Paris auch seine ersten zehn Lebensjahre verbringen. Er erinnerte sich später gerne an die Kinderjahre im väterlichen Umfeld und die glückliche Nähe zur Eisenbahn. Auch die Analyse seines späteren filmischen Schaffens hebt die Dampflok als wiederkehrendes visuelles Thema seiner Werke hervor.

Mit dem Übergreifen des NS-Terrors auf Frankreich im Zuge des zweiten Weltkriegs endete diese durchaus als glücklich zu beschreibende Kindheit. Die Familie versuchte an der Oberfläche eine gewisse Form der Normalität beizubehalten, jedoch durch die Involvierung des Vaters in die Résistance war es nach mehrmaligen Ortswechseln ab 1939 schließlich notwendig 1943 in die sichere Schweiz zu emigrieren. Dies gelang für die Mutter und Kinder, der Vater jedoch erhielt kein Asyl, musste in Frankreich bleiben und verstarb 1945 noch vor Kriegsende.

Die restriktive Migrationspolitik der Schweiz führte dazu, dass die Familie nach dem Ende der NS-Herrschaft in Europa und damit der direkten Bedrohung ausgewiesen wurde. Nach einer Zwischenstation in Liechtenstein gelangte sie 1947 nach Italien, wo Axel Corti schließlich einen neuen Reisepass mit seinem heutigen Namen – eigentlich Alfonso von Cassino Corti – erhielt. Ein Jahr darauf beginnt er eine Ausbildung zum Landwirt auf einem Bauernhof, erkrankt jedoch schwer und muss dieses Ziel aufgeben. In Innsbruck besucht er in der Folge 1949 die Abendschule und beginnt eine Sprech- und Schauspielausbildung bei der bekannten Lyrikerin und Schauspielerin Traute Foresti.

1951 arbeitete er für die von den französischen Befreiungstruppen eingerichteten "Sendergruppe West" für den Rundfunk und als Zeitungsjournalist. Ab 1953 war er für das Radio Innsbruck tätig, wo er der Radioglosse "Hömbergs Kaleidophon" seine Stimme verlieh. Von 1955 bis 1960 leitete er schließlich die Literatur- und Hörspielabteilung des ORF-Landesstudios Tirol. Bereits am Beginn seiner Karriere erwarb er sich durch seine kompromisslosen Qualitätsansprüche den Ruf des "Schwierigen", wie sich der damalige Kollege und spätere Hörfunkintendant Ernst Grissemann später erinnern sollte.

1960 setzte er Joseph Roths "Beichte eines Mörders" als Hörspiel um und arbeitet zuerst als Regieassistent und kurz darauf bereits als Regisseur und Dramaturg am Burgtheater. Die international als Erfolg wahrgenommene Regiearbeitet begleitete er von 1961 bis 1964 durch seine Vermittlungstätigkeit als Lehrer für Regie am renommierten Max-Reinhardt-Seminar. Im Privaten ergaben sich zur selben Zeit auch bedeutende Änderungen. Im Jahr 1964 heiratete er Cecily Herberstein. Nach zahlreichen Regieerfolgen am Theater und für Fernsehanstalten in Österreich und der BRD ging Corti im selben Jahr als Oberspielleiter an die Städtischen Bühnen Oberhausen und 1966 in derselben Funktion nach Ulm in Deutschland.

Die Rundfunkreform von 1967 brachte auch für Axel Corti in Österreich neue Perspektiven. Deren Initiator und ORF-Generalintendant Gerd Bacher holte ihn als Fernseh-Show-Gestalter nach Wien. Ziel war es, im zuvor eher beschaulichen österreichischen Fernsehen das Pop-Zeitalter einzuläuten. Corti griff die Vorgabe auf, lieferte schnell geschnittene Sequenzen, drehte mit zeitgemäßen Gästen, wie den "Bee Gees" und lieferte mit der Reihe "Gogo-Scope" ein völlig neues Format ab, das unzeitgemäß die ästhetische Zukunft des Videoclips der 1980er Jahre erahnen ließ. Er gelangte aber auch rasch an die Grenzen der zeitgenössischen Moralvorstellungen. Wegen als zu "freizügig" wahrgenommener Darstellungen in dem von ihm produzierten Magazin "Bric à Brac" wurde er wegen des Vorwurfs der Pornografie vor den Staatsanwalt geladen.

Neben dem Fernsehen arbeitete er auch weiter begeistert für das Radio. Seine Ö3 bzw. später Ö1-Kolumne "Der Schalldämpfer", ein zehnminütiges Format über alles Menschliche und Unmenschliche, das er selbst jedes Wochenende von 1967 bis kurz vor seinem Ableben 1993 präsentierte, hatte für viele Österreicherinnen und Österreicher Kultstatus. Die letzte Sendung, welche er drei Tage vor seinem Tod aufgenommen hatte, gilt als sein Vermächtnis.

Aus der Theaterregie entwickelte sich über die Fernseharbeit ab den 1960er Jahren eine sehr markante und eigenständige Filmkarriere. Am Beginn stand 1963 die Verfilmung von Herzmanovsky-Orlandos Bühnenstück "Kaiser Joseph und die Bahnwärterstochter ", in dem unter anderen Hans Moser seine letzte Rolle spielte. Bekannt ist der Filmemacher Corti aber für seinen ersten großen Erfolg "Der Fall Jägerstätter" aus dem Jahr 1971. Diese Ursprünglich als Fernsehfilm produzierte Geschichte des 1943 vom NS-Regime hingerichteten Kriegsdienstverweigerers Franz Jägerstätter wurde auf Anregung des Cineasten René Clairs unter dem Titel "Die Verweigerung" ins Kino gebracht und schließlich bei den Internationalen Filmfestspielen in Cannes ausgezeichnet. Cortis radikale Durchschneidung des Spielfilms mit realen Interviews von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen gilt bis heute als genrebegründend für das mittlerweile verbreitete Format des Dokumentarspiels.

Die rigorose Auseinandersetzung mit der österreichischen Zeitgeschichte und die Frage nach der Herkunft von Hass, Intoleranz und Rassismus auf einer sehr individuellen an der Perspektive konkreter Menschen orientierten Ebene filmischer Handlungsanalysen mit stets deutlichen Gegenwartsbezügen dominierte Sein weiteres Werk. Seit 1972 vermittelte er diesen Zugang auch an die kommende Generation von Filmschaffenden an der Wiener Filmakademie. Zu seinen bedeutendsten Produktionen zählen "Ein junger Mann aus dem Innviertel. Adolf Hitler" (1973), "Die beiden Freundinnen"(1978), "An uns glaubt Gott nicht mehr" (1982), die Verfilmung von Gernot Wolfgrubers "Herrenjahre" (1984) sowie im gleichen Jahr "Eine blaßblaue Frauenschrift" nach einer Werfel-Novelle. Vor allem die Literaturverfilmungen fanden weltweit ein sehr positives Echo. Der Durchbruch erfolgte jedoch erst 1986 mit "Welcome to Vienna", dem dritten Teil seiner Trilogie "Wohin und zurück", welcher vor allem in Frankreich mit großer Begeisterung aufgenommen wurde. Die darin erzählte Geschichte eines vom NS-Regime beraubten und vertriebenen Wieners jüdischer Herkunft, der als Mitglied der Befreiungstruppen 1945 in seine ehemalige Heimatstadt zurückkehrte, wurde international sehr positiv rezensiert.

Neben dem eigentlichen filmischen Schaffen entwarf Corti auch Werbeclips z.B. für Humanic und gestaltete aktiv staatliche Förderpolitik mit. So half er in den 1980er Jahren, ein eigenes Filmförderungsgesetz für Österreich auf den Weg zu bringen. Auch führte er Regie bei zwei Folgen der bekannten Krimi-Serie "Tatort".

Bekannt sind auch seine späteren Fernsehauftritte als kritischer Gast und Gastgeber der ORF-Diskussionssendung "Club 2". An seiner proeuropäischen Haltung ließ er vor der Kamera keinen Zweifel und zeigte dies auch deutlich, als er z.B. 1992 die erste deutsch-französische Diskussionssendung des kurz zuvor gegründeten Gemeinschaftssenders ARTE leitete.

Den Abschluß seiner letzten großen Filmproduktion, den "Radetzkymarsch" nach Joseph Roth, überlebte er leider nicht. Axel Corti verstarb am 29. Dezember 1993. Sein Kameramann Gernot Roll drehte den Film fertig, der schließlich 1995 posthum veröffentlicht wurde. Die Produktion begleitete Corti zu Lebzeiten noch im Rahmen des "Schalldämpfers" mit einer Art öffentlichem Tagebuch des Filmemachens und hinterließ so als Chiffre für sein ganzes Œuvre mehr als nur ein Werk, sprich ein Zeit-Bild.

Werke (Auswahl)

  • Kaiser Joseph und die Bahnwärterstochter. BRD: Filmco/NDR 1963
  • Der Fall Jägerstätter. Österreich/BRD: Neue Thalia-Film/ZDF/ORF 1971
  • Ein junger Mann aus dem Innviertel – Adolf Hitler. Österreich/BRD: West-Film Wien/ORF/ZDF 1973
  • Der Wildschütz. BRD: ZDF 1973
  • Totstellen - Der Sohn eines Landarbeiters wird Bauarbeiter und baut sich ein Haus. Österreich/BRD: Schönbrunn-Film/WDR/ORF 1975
  • Jakob der Letzte. Österreich/BRD: Schönbrunn-Film/ZDF/ORF 1976
  • Der junge Dr. Freud. Österreich/BRD: Schönbrunn-Film/ZDF/ORF 1976
  • Tatort. Wohnheim Westendstraße. TV-Krimiserie. BR: 09.05.1976
  • Die beiden Freundinnen. BRD: FWF Film/ZDF 1978
  • Tatort. Herzjagd. TV-Krimiserie. WDR: 14.12.1980
  • Das eine Glück und das andere. Österreich: Schönbrunn-Film/ORF 1980
  • Wie der Mond über Feuer und Blut. Das erste Regierungsjahr Maria Theresias. Österreich: Schönbrunn-Film/ORF 1981
  • Wohin und zurück 1. An uns glaubt Gott nicht mehr. Ferry oder Wie es war. Österreich/Schweiz/BRD: Teamfilm/SRG/ZDF/ORF 1982
  • Herrenjahre. Österreich/BRD: Thalia-Film/ZDF/ORF 1983
  • Eine blaßblaue Frauenschrift. Österreich: Thalia-Film/ORF/RAI 1984
  • Wohin und zurück 2. Santa Fe. Österreich/Schweiz/BRD: Teamfilm/SRG/ZDF/ORF 1986
  • Wohin und zurück 3. Welcome in Vienna. Österreich/Schweiz/BRD: Teamfilm/SRG/ZDF/ORF 1986
  • La putain du roi. Großbritannien/Österreich/Frankreich/Italien: AFC/Cinecittà Studios 1990
  • Radetzkymarsch. BRD/Österreich: Satel Film/ORF 1995

Literatur

  • Bert Rebhandl: Axel Corti 1933–1993. In: Der Standard. 04.10.2007 [Stand:29.05.2017]
  • Robert Neumüller / Ingrid Schramm / Wolfgang Stickler [Hg.]: Axel Corti. Filme, Texte und Wegbegleiter. Ein Porträt. Weitra: Publication PN1 – Bibliothek der Provinz 2003
  • Todestag von Axel Corti. In: Der Standard. 26.12.2003 [Stand:29.05.2017]
  • Axel Corti. In: Ö1-Onlinemagazin. 17.12.2003 [Stand: 29.05.2017]
  • Axel Corti. In: IMDb [Stand: 29.05.2017]
  • Doris Metz: Kritiken. In: Süddeutsche Zeitung. 10.12.1994
  • Isabella Ackerl / Friedrich Weissensteiner: Österreichisches Personenlexikon der Ersten und Zweiten Republik. Wien: Ueberreuter 1992