Leo Perutz

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Daten zur Person
PersonennameName der Person im Format Nachname, Vorname Perutz, Leo
Abweichende NamensformAlternative Formen des Namens wie z.B. Pseudonyme oder Mädchennamen im Format Nachname, Vorname Perutz, Leopold
TitelAkademische Titel (abgekürzt), Amtstitel, Adelstitel
Geschlecht männlich
Wien Geschichte WikiIdentifier/Persistenter URL zur Seite  7138
GNDGemeindsame Normdatei 118740083
Wikidata Q93450
GeburtsdatumDatum der Geburt 2. November 1882
GeburtsortOrt der Geburt Prag 4076310-9
SterbedatumSterbedatum 25. August 1957
SterbeortSterbeort Bad Ischl 4027718-5
BerufBeruf Schriftsteller, Versicherungsmathematiker
ParteizugehörigkeitAngabe der Partei (bei PolitikerInnen)
EreignisEreignis, mit dem die Person in Verbindung gebracht wird
Nachlass/Vorlass Deutsches Exilarchiv, Frankfurt am Main
Siehe auchVerweist auf andere Objekte im Wiki 
RessourceUrsprüngliche Ressource  Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien, Gedenktage
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BestattungsdatumDatum der Bestattung 
FriedhofFriedhof, auf dem eine Person begraben wurde Bad Ischl
Grabstelle
  • 9., Porzellangasse 37 (Wohnadresse)
Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft

  • ist verheiratet oder verpartnert mit Ida Weil

Leo Perutz, * 2. November 1882 Prag, † 25. August 1957 Bad Ischl (Oberösterreich), Schriftsteller, Versicherungsmathematiker.

Biografie

Kindheit und Jugend

Leo (eigentlich: Leopold) Perutz war das älteste von vier Kindern des jüdischen Textilfabrikanten Benedikt Perutz und dessen Ehefrau Emilie, geborene Österreicher. Er wuchs in einer wohlhabenden assimilierten jüdischen Familie in Prag auf. Leo Perutz besuchte die Deutsche Volksschule des Piaristen-Ordens und anschließend das k. k. deutsche Staatsgymnasium in Prag-Neustadt. Im Schuljahr 1899/1900 wechselte er an das k. k. Staatsgymnasium in Krumau. 1901 übersiedelte die Familie nach Wien, wo sein Vater mit der "Firma Benedikt Perutz" im Ein- und Verkauf von Baumwolle tätig war. Das Unternehmen wurde später von Leo Perutz' Brüdern Paul und Hans weitergeführt. Leo Perutz besuchte das k. k. Erzherzog-Rainer-Real-Gymnasium, verließ die Schule allerdings ohne Maturaabschluss.

Als Einjährig-Freiwilliger war Perutz bis zu seiner krankheitsbedingten Entlassung im Dezember 1904 im Militärdienst. Im Wintersemester 1905/1906 wurde er Gasthörer an der Universität Wien und besuchte unter anderem Lehrveranstaltungen zur Differential- und Integralrechnung, Versicherungsmathematik und Volkswirtschaftslehre. Im Jahr darauf wechselte er an die Technische Hochschule und belegte Lehrveranstaltungen aus den Bereichen Mathematik und Statistik. Ab Oktober 1907 war er als Versicherungsmathematiker bei einem großen Unternehmen in Triest angestellt. Von Herbst 1908 bis 1923 war er Mitarbeiter der Anker-Versicherung in Wien. Perutz veröffentlichte in Fachzeitschriften des Versicherungswesens und verkehrte um 1910 regelmäßig in einer mathematisch-statistischen Vereinigung.

Gemeinsam mit dem Prager Schulfreund Richard Arnold Bermann (späteres Pseudonym: Arnold Höllriegel) war Perutz von 1902 bis 1907 im Wiener literarischen Gymnasiastenzirkel "Freilicht" aktiv und lernte dort unter anderem Ernst Weiß kennen. Aufmerksam verfolgte Perutz das Kulturleben der Wiener Moderne, besuchte Lesungen von Karl Kraus und zahlreiche Konzerte. Zu seinen Freunden zählte Richard Beer-Hofmann, der Perutz bei seinen ersten Veröffentlichungen unterstützte. Auf Novellen und Feuilletons folgte 1915 Perutz' erster Roman "Die dritte Kugel".

Erster Weltkrieg

Während des Ersten Weltkriegs als Landsturm-Infanterist einberufen, wurde Perutz im Juli 1916 an der galizischen Ostfront durch einen Lungenschuss lebensgefährlich verletzt. Nach seiner Genesung wurde er im Kriegspressequartier in Wien als Zensor der Kriegsgefangenenkorrespondez eingesetzt. Während dieser Zeit lernte er Egon Erwin Kisch kennen, fing wieder an zu schreiben und traf sich regelmäßig mit Freunden, zu denen neben Weiß, Bermann, Kisch und dessen Bruder Paul auch Franz Werfel, Anton Kuh und viele andere zählten. Das Café Herrenhof war sein Stammcafé, häufig war er aber auch im Café Museum und im Café Central zu Gast. Im letzten Kriegsjahr, am 19. März 1918, heiratete Perutz die Arzttochter Ida Weil, mit der er drei gemeinsame Kinder, die Töchter Michaela und Lore (Leonore) sowie Sohn Benedict Felix hatte. Ida Perutz starb 1928 wenige Tage nach der Geburt des dritten Kindes. 1935 heiratete er Gretl Humburger (1904–1967).

Zwischenkriegszeit

Nach Kriegsende äußerte sich Perutz in mehreren Zeitungsartikeln kritisch gegenüber der Militärjustiz und publizierte, allerdings anonym, die Broschüre "Die Feldgerichte und das Volksgericht" (Februar 1919). Sein am 13. Dezember 1918 in der Wiener Arbeiter-Zeitung veröffentlichter Text "Eine Musterung für den Galgen" wurde von Karl Kraus in "Die letzten Tage der Menschheit" rezipiert.

In der Zwischenkriegszeit veröffentliche Perutz zahlreiche Publikationen, die zum Teil mehrfach aufgelegt und in mehrere Sprachen übersetzt wurden. Er avancierte zu einem der populärsten deutschsprachigen Erzähler. Nach dem durchschlagenden Erfolg mit "Der Meister des Jüngsten Tages" gab er 1923 seinen Beruf als Versicherungsmathematiker auf und lebte vom Schreiben und von Erträgen aus dem väterlichen Unternehmen, das von seinen Brüdern weitergeführt wurde. Dennoch hatte er immer wieder mit ökonomischen Schwierigkeiten zu kämpfen. 1928 erschien sein größter Verkaufserfolg, der Roman "Wohin rollst Du, Äpfelchen?".

Nationalsozialismus und Exil

Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland 1933 wurde Leo Perutz vom reichsdeutschen Büchermarkt verdrängt, seine Neuerscheinungen wurden in Deutschland nicht mehr ausgeliefert. Im Sommer 1938 floh er mit seiner Familie nach Palästina und ließ sich in Tel Aviv nieder. Perutz versuchte weiterhin schriftstellerisch tätig zu sein, doch blieb die literarische Anerkennung im Exilland weitestgehend aus. Über Vermittlung seiner Freunde Annie und Hugo Lifczis wurden einige seiner Bücher in den 1940er Jahren in Südamerika neu aufgelegt, an frühere Erfolge konnte er aber – auch nach 1945 – nicht mehr anknüpfen. Nach Kriegsende nahm er seine Arbeit als Versicherungsmathematiker wieder auf.

Wenngleich Perutz nach dem Krieg seine Kontakte nach Wien und durchaus auch zu politisch belasteten Kollegen wieder aufnahm, blieb er in Israel wohnhaft und kehrte nicht dauerhaft nach Österreich zurück. Ab etwa 1950 verbrachte er regelmäßig die Sommer- und Herbstmonate in der alten Heimat, urlaubte im Salzkammergut und pflegte Freundschaften und Netzwerke. 1952 erwarb er die österreichische Staatsbürgerschaft. Er verstarb, wenige Monate vor seinem 75. Geburtstag, während eines Urlaubsaufenthaltes in Bad Ischl.

Bereits zu Lebzeiten des Künstlers waren einige seiner Werke verfilmt worden. Später folgten Hörspielbearbeitungen und Dramatisierungen. Viele seiner Werke wurden neu aufgelegt. Seit 2010 werden mit dem Leo-Perutz-Preis die besten Kriminalroman-Neuerscheinungen im deutschen Sprachraum ausgezeichnet.

Quellen

Werke (Auswahl)

  • Leo Perutz: Die dritte Kugel. München: Albert Langen 1915
  • Leo Perutz / Paul Frank: Das Mangobaumwunder. Eine unglaubwürdige Geschichte. München: Albert Langen 1916
  • Leo Perutz: Zwischen neun und neun. München: Albert Langen 1918
  • Leo Perutz (Mitverfasser): Die Feldgerichte und das Volksgericht. Wien: Verlag der Wiener Volksbuchhandlung Brand 1919 (anonyme Schrift gegen die Militärjustiz im Ersten Weltkrieg)
  • Leo Perutz: Das Gasthaus zur Kartätsche. Eine Geschichte aus dem alten Österreich. München: Musarion-Verlag 1920
  • Leo Perutz: Der Marques de Bolibar. München: Albert Langen 1920
  • Leo Perutz: Die Geburt des Antichrist. Wien: Rikola-Verlag 1921
  • Leo Perutz: Der Meister des Jüngsten Tages. München: Albert Langen 1923
  • Leo Perutz: Turlupin. München: Albert Langen 1924
  • Leo Perutz / Paul Frank: Der Kosak und die Nachtigall. 1927
  • Leo Perutz: Wohin rollst du, Äpfelchen?. Berlin: Ullsstein 1928
  • Leo Perutz: Herr, erbarme Dich meiner. Novellen. Wien: Phaidon-Verlag 1930
  • Leo Perutz: St. Petri-Schnee. Wien: Zsolnay 1933
  • Leo Perutz: Der schwedische Reiter. Wien: Zsolnay 1936
  • Leo Perutz: Nachts unter der steinernen Brücke. Ein Roman aus dem alten Prag. Frankfurt am Main: Frankfurter Verlagsanstalt 1953
  • Leo Perutz: Der Judas des Leonardo. Wien: Zsolnay 1959 (posthum veröffentlicht).
  • Leo Perutz: Mainacht in Wien. Wien: Zsolnay 1996 (Fragmente aus dem Nachlass)


Literatur

  • Clemens K. Stepina [Hg.]: Stationen. Texte zu Leben und Werk von Leo Perutz. St. Wolfgang: Edition Art Science 2008 (Schnittstellen, 3)
  • Hans-Harald Müller: Leo Perutz. Biographie. Wien: Zsolnay 2007
  • Alexander Peer [Hg.]: "Herr, erbarme dich meiner!" Leo Perutz. Leben und Werk. St. Wolfgang: Edition Art & Science 2007 (Materialien, 1)
  • Tom Kindt / Jan Christoph Meister [Hg.]: Leo Perutz’ Romane. Von der Struktur zur Bedeutung. Mit einem Erstabdruck der Novelle "Von den traurigen Abenteuern des Herrn Guidotto". Tübingen: Niemeyer 2007 (Untersuchungen zur deutschen Literaturgeschichte, 132)
  • Alexander Klotz: Drogen und modifizierte Wirklichkeit bei Leo Perutz. In: Quarber Merkur 99-100 (2004), S. 85-124
  • Ulrike Siebauer: Leo Perutz – "Ich kenne alles. Alles, nur nicht mich". Eine Biographie. Gerlingen: Bleicher 2000
  • Die Presse, 20.08.1993
  • Murray G. Hall / Gerhard Renner: Handbuch der Nachlässe und Sammlungen österreichischer Autoren. Wien [ u.a.]: Böhlau 1992 (Literatur in der Geschichte, Geschichte in der Literatur, 23)
  • Der Standard, Beilage, 03./04.03.1990
  • Wiener Zeitung, 30.11.1990 (Literaturbeilage)
  • Kurier, 23.11.1990
  • Rolf Geißler: Zur Lesart des magischen Prag (Perutz, Meyrink, Kafka). In: Literatur für Leser 3–4 (1989), S. 159–178
  • Hans-Harald Müller [Hg.]: Leo Perutz 1882-1957. Eine Ausstellung der Deutschen Bibliothek, Frankfurt am Main. Wien / Darmstadt: Zsolnay 1989 (Sonderveröffentlichungen der Deutschen Bibliothek, 17)
  • Die Zeit, 15.01.1988, S. 39
  • Wien aktuell, 07.05.1987
  • Reinhard Lüth: Leo Perutz und das Wiener Fin de Siècle. In: Quarber Merkur 70 (1988), S. 3-14
  • Verónica Jaffé Carbonell: Leo Perutz. Ein Autor deutschsprachiger phantastischer Literatur zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Diss. Univ. München 1986
  • Die Vertreibung des Geistigen aus Österreich. Zur Kulturpolitik des Nationalsozialismus. [Zusammenstellung der Ausstellung: Hochschule für Angewandte Kunst in Wien. Katalog: Gabriele Koller ... Für den Inhalt verantwortlich: Oswald Oberhuber]. Wien: Zentralsparkasse 1982
  • Eduard Frank: Leo Perutz – Der Visionär des jüngsten Tages. In: Quarber Merkur 52 (1980), S. 16–24
  • Werner Röder / Herbert A. Strauss: Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933 / International biographical dictionary of Central European émigrés 1933-1945. Hg. vom Institut für Zeitgeschichte München und von der Research Foundation for Jewish Immigration. München [u.a.]: Saur 1980-1999
  • Masato Murayama: Leo Perutz. Die historischen Romane. Diss. Univ. Wien 1979
  • Heribert Sturm: Biographisches Lexikon zur Geschichte der böhmischen Länder. München: Oldenbourg 1974 - lfd.
  • Harry Zohn: Österreichische Juden in der Literatur. Ein bio-bibliographisches Lexikon. Tel Aviv: Olamenu 1969
  • Rathaus-Korrespondenz, 31.10.1957
  • Das Jahrbuch der Wiener Gesellschaft. Biographische Beiträge zur Wiener Zeitgeschichte. Hg. von Franz Planer. Wien: F. Planer 1929 (falscher Geburtsort)
  • Künste im Exil: Leo Perutz [Stand: 04.04.2022]
  • Neue Deutsche Biographie: Perutz, Leo(pold) [Stand: 04.04.2022]
  • Adalbert Stifter Verein: Leo(pold) Perutz [Stand: 04.04.2022]


Leo Perutz im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.