Zur schönen Algierin

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1., Kärntner Straße 9, Weihburggasse 1, um 1940
Daten zum Bauwerk
Art des Bauwerks Gebäude
Datum von 1369
Datum bis
Andere Bezeichnung
Frühere Bezeichnung in der Almarein, Zur heiligen Dreifaligkeit, Zur Stadt Nürnberg, Zum goldenen Rauchfaß
Benannt nach einer schönen Frau
Einlagezahl
Architekt Carl Schumann, Reichel
Prominente Bewohner
PageID 20425
GND
WikidataID
Objektbezug
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien, Paul Harrer: Wien, seine Häuser
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Letzte Änderung am 14.10.2022 durch WIEN1.lanm08jan
Bildname Kärntner Straße9.jpg
Bildunterschrift 1., Kärntner Straße 9, Weihburggasse 1, um 1940
  • 1., Weihburggasse 1
  • 1., Kärntner Straße 9
  • Nr.: 905 (Bezirk: Innere Stadt, 1821, bis: 1862)
  • Nr.: 937 (Bezirk: Innere Stadt, 1770, bis: 1795)
  • Nr.: 961 (Bezirk: Innere Stadt, 1795, bis: 1821)


Zur schönen Algierin (1, Weihburggasse 1, Kärntner Straße 9; Konskriptionsnummer 905).

Hier lässt sich bereits 1369 ein Haus nachweisen, das 1380 an Hermann Eslarn verpfändet war und schon 1381 "in der Almarein" (Quellen 3/3, 3860) genannt wurde. Woher sich der Name ableitet, ist unklar. Möglicherweise kommt er vom mittelhochdeutschen Wort "Almarie", das "Schrank" bedeutet. Nach 1522 wurde das Haus eingezogen, da der Besitzer der Sekte der Wiedertäufer angehört hatte und "von hinnen gewichen" war. Durch königliche Gnade wurde es aber seinen Söhnen überlassen. Ende des 16. Jahrhunderts (unter dem Besitzer Thomas Haunstein, Leibarzt Erzherzog Karls II.) trug es den Namen "Zur heiligen Dreifaltigkeit". 1627 erwarb es der Arzt Johann Wilhelm von Mannagetta.

Im 18. Jahrhundert befand sich im Haus die Nürnberger-Warenhandlung "Zur Stadt Nürnberg", hervorgegangen aus dem Kramladen des Mathias Jakob Scharrer "Zum goldenen Rauchfass" (1733). Die Bezeichnung "Zur schönen Algierien" taucht 1758 auf und bezieht sich auf den Umstand, dass in diesem Haus von Oktober 1758 bis 1. Mai 1759 ein Mädchen namens Fatime gewohnt habe, welches mit dem Gesandten Algeriens, Demetrius Marzachi (der damals mit seinem Harem auf kurze Zeit Wien besuchte), hierhergekommen war. Angeblich blieb Fatime nach seiner Abreise zurück. Sie soll ob ihrer Schönheit derartiges Aufsehen erregt haben, dass (zeitgenössischen Berichten zufolge) Verkehrsstörungen entstanden, wenn sie aus dem Fenster blickte. Mit 1. Mai 1759 musste sie über behördlichen Auftrag Wien verlassen. Es hatte sich, wie man feststellte, nicht um eine Afrikanerin gehandelt, sondern um eine abenteuerlustige Einheimische.

1763 ließ die damalige Besitzerin Maria Anna Freifrau von Schmidl (geboren Edler von Mühldorf, Gattin des Hofkammerrates Christoph Freiherr von Schmidl) einen vierstöckigen Neubau errichten, in dem Jakob Michael Theyer, der die Firma am 5. Oktober 1763 erwarb, das bereits erwähnte Verkaufsgeschäft "Zur Stadt Nürnberg" einrichtete (Begründer der Firma Theyer & Hardtmuth). 1802 wurde das Gebäude nochmals neu erbaut, wobei eine an den alten Schildnamen erinnernde Dreifaltigkeitsgruppe in halber Lebensgröße angebracht wurde. In der Nacht vom 11. zum 12. Mai 1809 geriet es durch das Bombardement der Franzosen in Brand, wurde aber wiederhergestellt. Zwischen 1875 und 1885 erwarb es die Wiener Baugesellschaft, unter der 1884 das Haus durch einen Neubau ersetzt wurde (Paul Harrer: Wien, seine Häuser gibt als Baujahr 1886 an).

Da die Grundbücher der Zeit zwischen 1850 und 1927 beim Brand des Justizpalastes verloren gingen, sind die Besitzverhältnisse zwischen den Jahren 1911 und 1927 nicht mehr rekonstruierbar. Am 13. Mai 1927 wurde es mit Beschluss des Exekutionsgerichtes der "Austria Handelsgesellschaft m.b.H." einverleibt, die es am 12. Februar 1937 dem "Gewerkschaftsbund der Österreichischen Arbeiter und Angestellten" verkaufte. Mit Bescheid des Reichskommissärs für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich ging es an die "Vermögensverwaltung der Deutschen Arbeiterfront Ges.m.b.H.", die es 1940 veräußerte.

Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs wurde das Gebäude schwer im Mitleidenschaft gezogen. Nachdem eine Bombe am 8. April 1945 kaum Schaden angerichtet hatte, durchschlug am 12. April 1945 eine weitere Bombe vier Stockwerke des Ostflügels und brachte ihn auf einer Breite von drei Fensterachsen zum Einsturz. Dadurch wurde auch der Ecktrakt Weihburggasse/Kärntnerstraße so stark zerstört, dass nur mehr die nackten Mauern stehen blieben. Das Parterre mit den Geschäftsräumen der Firma "Theyer & Hardtmuth" bleib jedoch dabei unbeschädigt. Bemerkenswert ist, dass ein engmaschiges Eisengitter (mit Glastafeln), das den Stiegenaufgang zum Hochparterre überspannte, den Trümmern standhielt und nur das Glas zu Bruch ging. Dieser an dem Tag letzte Bombeneinschlag, der die Innere Stadt traf, wurde von dem im Luftschutzkeller ausharrenden Peronen nur als verhältnismäßig schwach wahrgenommen und man war erstaunt, als man nach dem Entwarnungssignal bemerkte, dass das eigene Haus getroffen worden war. Noch im Juni 1946 versperrten die Schuttmassen den Ausgang der Weihburggasse zur Kärntner Straße fast komplett (nur ein schmaler Gehsteig auf der anderen Straßenseite war passierbar). Die Aufräumarbeiten wurden im Sommer 1946 durchgeführt, das Gebäude selbst wurde nur notdürftig durch die Errichtung einer Rohziegelmauer an der Ecke der Kärntner Straße gesichert. Im September 1955 klaffte noch immer die in die Front zur Weihburggasse gerissene Lücke, da man wohl den Ausgang des 1954 begonnen Rückstellungsverfahrens abwarten wollte.


Gewerbe und Firmen innerhalb des Hauses im Laufe der Jahre

  • Warenhandlung "Zum goldenen Rauchfass"
  • Warenhandlung "Zur Stadt Nürnberg"
  • Firma "Theyer & Hardtmuth"


Literatur

  • Felix Czeike: Die Kärntner Straße. Wien [u.a.]: Zsolnay 1975 (Wiener Geschichtsbücher, 16), S. 80
  • Gustav Gugitz: Bibliographie zur Geschichte und Stadtkunde von Wien. Hg. vom Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien. Band 3: Allgemeine und besondere Topographie von Wien. Wien: Jugend & Volk 1956, S. 427
  • Paul Harrer-Lucienfeld: Wien, seine Häuser, Menschen und Kultur. Band 5, 1. Teil. Wien ²1955 (Manuskript im WStLA), S. 46-51