Vereinssynagoge des Israelitischen Tempelvereins Simmering

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Rekonstruierte Außenansicht des Simmeringer Tempels.
Daten zum Bauwerk
Art des Bauwerks Synagoge
Datum von 1899
Datum bis 1938
Andere Bezeichnung
Frühere Bezeichnung
Benannt nach
Einlagezahl 1290
Architekt Jakob Gartner
Prominente Bewohner
PageID 22584
GND
WikidataID
Objektbezug Jüdische Geschichte
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
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Letzte Änderung am 7.11.2023 durch WIEN1.lanm09fri
Bildname Simmeringer Tempel Außen.jpg
Bildunterschrift Rekonstruierte Außenansicht des Simmeringer Tempels.
  • 11., Braunhubergasse 7

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48° 10' 15.25" N, 16° 25' 1.03" E  zur Karte im Wien Kulturgut

Die vom Israelitischen Tempelverein Simmering in Auftrag gegebene Vereinssynagoge in Wien 11, Braunhubergasse 7 bildete im Zeitraum von 1899 bis 1938 das gesellschaftliche, religiöse und kulturelle Zentrum der Jüdinnen und Juden des 11. Wiener Bezirks. Die Synagoge wurde am 24. August 1899 eingeweiht und während des Novemberpogroms am 10. November 1938 zerstört.[1]

Dem Israelitischen Tempelverein Simmering war folgender Verein angeschlossen:

  • I. Israelitischer Frauen-Wohltätigkeitsverein für den XI. Bezirk Simmering

Vereinsgeschichte des Israelitischen Tempelvereins Simmering

Der Israelitische Tempelverein Simmering[2] wurde im Jahr 1891 gegründet.[3] Der Verein hatte den Zweck der Erbauung und Erhaltung einer neuen, großen Synagoge für die Juden Simmerings, nachdem das Bethaus in Wien 11, Simmeringer Hauptstraße 111 zu klein geworden war. Nach Fertigstellung der Synagoge in der Braunhubergasse 7 konzentrierten sich die Aktivitäten des Israelitischen Tempelvereins Simmering auf die Wohltätigkeit in Form von Feiern und Festlichkeiten.[4]
Die Stelle des letzten Obmanns des Vereins bekleidete Naftali Peringer, 1938 wohnhaft Wien 11, Simmeringer Hauptstraße 113.[5] Die Auflösung des Israelitischen Tempelvereins Simmering, die Löschung aus dem Vereinsregister und dessen Eingliederung in die Israelitische Kultusgemeinde unter Aufhebung der Rechtspersönlichkeit erfolgte durch den Stillhaltekommissar für Vereine, Organisationen und Verbände im Verlauf des Jahres 1940. Das Vermögen des Vereins wurde unter Abzug einer Aufbauumlage und Verwaltungsgebühr und unter Entzug der Liegenschaft in die Israelitische Kultusgemeinde eingewiesen.[6]

Vereinsgeschichte des I. Israelitischen Frauen-Wohltätigkeitsvereins für den XI. Bezirk Simmering

Die Gründung des Vereins wurde unter dem Namen I. Simmeringer Israelitischer Frauen-Wohltätigkeitsverein für den XI. Bezirk Simmering im Jahr 1900 von der Niederösterreichischen Statthalterei genehmigt. Proponentin war Margarete Weihs, wohnhaft Wien 11, Simmeringer Hauptstraße 39. Der Vereinszweck war laut Statuten von 1900 "die materielle Aushilfe von armen Witwen und Waisen und armen Wöchnerinnen oder sonst durch Krankheit erwerbsunfähig oder sonst hilfsbedürftiger Frauen. Der Verein kann seine Wohltätigkeit auch anderwärtig ausdehnen" (§ 2). Nur Bewohnerinnen und Bewohner des 11. Bezirks sollten in den Genuss der Leistungen des Vereins kommen (§ 3). Es gab ordentliche Mitglieder und Ehrenmitglieder (§ 7 und § 9). Die Einnahmen setzten sich aus Jahresmitgliedsbeiträgen, Schenkungen, Erbschaften und Geldsammlungen bei Veranstaltungen zusammen (§ 5). Die Auflösung des Ersten Israelitischen Frauen-Wohltätigkeitsvereins für den XI. Bezirk Simmering, die Löschung aus dem Vereinsregister und die Einziehung des Vereinsvermögens zugunsten des Stillhaltekommissars und zu 50% zugunsten der NSDAP Wien erfolgte durch den Stillhaltekommissar für Vereine, Organisationen und Verbände im Verlauf des Jahres 1939. Die Stelle der letzten Obfrau bekleidete Mathilde Berger.[7]

Rekonstruierte Innenansicht des Simmeringer Tempels


Baugeschichte der Vereinssynagoge des Israelitischen Tempelvereins Simmering

Für den Bau der Vereinssynagoge des Israelitischen Tempelvereins Simmering wurde ein "Tempelbau-Komitee für den XI. Bezirk" gegründet und ein Eckgrundstück in Wien 11, Braunhubergasse 7, Ecke Hugogasse erworben.[8] Laut Messungen aus dem Jahr 1938 hatte das Grundstück eine Grundfläche im Ausmaß von 765m2.[9] Als Architekt konnte Jakob Gartner gewonnen werden. Die feierliche Grundsteinlegung fand am 2. Dezember 1898 zu Ehren des 50. Regierungsjubiläums von Kaiser Franz Joseph I. statt. Die Einweihungsfeier am 24. August 1899 war unter dem Beisein zahlreicher Persönlichkeiten des öffentlichen, politischen, kulturellen und religiösen Lebens das große Ereignis für die Juden Simmerings.[10]
Die Einreichpläne von Jakob Gartner sahen einen quadratischen, nach drei Seiten hin freistehenden, zweigeschossigen Bau mit 249 Sitzen für Männer und 133 Sitzen für Frauen vor. Die Bauzeit betrug nur zwei Jahre von 1898 bis 1899. Die Synagoge war in einen Vorgarten eingefügt und daher von der Straßenfront zurückgesetzt. An der Nordseite der Synagoge grenzte sie an das Nachbarhaus. An der Hugogasse befand sich als Zubau ein Wintertempel und an der Braunhubergasse die Wohnung des Tempeldieners.[11] Man betrat den dreischiffigen Betraum der Männer an der Westfront durch drei Haupteingänge in der Braunhubergasse, einen Nebeneingang in der Hugogasse und einen Nebeneingang in den Hof, weiters durch einen Vorraum, eine Vorhalle und ein Vestibül. Rechts und links von den Haupteingängen befanden sich die Stiegenaufgänge zu den Frauengalerien. Der Thoraschrein befand sich als "rechteckiger Ausbau in der Breite des Betraumes" an der Südseite der Synagoge. Die Frauengalerien wurden von vier gusseisernen Säulen getragen. Ähnlich der Vereinssynagoge des Israelitischen Tempel- und Schulvereins für den 10. Gemeindebezirk Favoriten, Humboldtgasse 27, hatte diese Synagoge an der West- und Südfront jeweils Mittelrisalite, die durch dreieckige "Giebel nach oben begrenzt" waren. Es wurde aber diesmal auf Kuppel und Türme verzichtet.[12] In den Räumen der Synagoge wurde eine hebräische Sprach- und Bibelschule eingerichtet. Jeden Freitagabend fand ab 7. Oktober 1904 ein Jugendgottesdienst statt.[13]

Novemberpogrom

Während des Novemberpogroms am 10. November 1938 wurde die Synagoge geplündert und zerstört.[14]
Die Abtragung der Synagoge begann Ende 1938. Das Referent König von der Grundstücksabteilung des Stillhaltekommissar traf im November 1938 mit dem Baumeister Franz Kabelac, Wien 11, Krausegasse 7a, eine Vereinbarung: "Hiermit bestätige ich die zwischen uns getroffene Vereinbarung bezüglich des Abbruchs des Judentempels Wien XI., Braunhubergasse. Der Tempel wird Ihnen zum Abbruch übergeben. Sie erhalten für den Abbruch die anfallenden Materialien und einen Barbeitrag von 1.000 RM. (…) Die Baustelle ist sauber von Schutt zu räumen, sodass der zukünftige Besitzer keine Ansprüche in dieser Beziehung stellen kann. Soweit der NS-Volkswohlfahrt Brennholz zugesagt worden ist, wird es von Ihnen an diese geliefert. Der Ortsgruppe sind wie besprochen 10.000 Ziegelsteine zum Preise von 25 RM pro Mill abzugeben. Die Abbruchsarbeiten sind schnellstens zu fördern, spätestens am 15. Jänner 1939 ist das Bauwerk bis auf die Erdgeschoßmauern abzutragen".[15] Im Dezember 1939 meldete das Baupolizeireferat der Verwaltung des Reichsgaues Wien an das Ministerium für innere und kulturelle Angelegenheiten, dass die Vereinssynagoge Wien 11, Braunhubergasse 7 "abgetragen sei".[16]

Eigentumsverhältnisse: Arisierung und Restitution

Eigentümer der Liegenschaft war bis 1938 der Israelitische Tempelverein Simmering. Die Liegenschaft wurde dem Verein entzogen und kam am 17. März 1939 in das Eigentum der Aufbaufond Vermögensverwaltungs Ges.m.b.H. Die Grundstücksabteilung des Stillhaltekommissars schätzte den Wert des Grundstückes am 11. Jänner 1939, auf dem "gegenwärtig ein zerstörter Tempel" stehe, auf 7.650 Reichsmark.[17] Am 18. Jänner 1940 kam es zum Kaufvertrag zwischen der Aufbaufond Vermögensverwaltungs Ges.m.b.H und den Bauunternehmern Anton und Julie Duraz. Der Kaufpreis betrug 8.000 Reichsmark. 1946 kam die Liegenschaft in das Eigentum der Österreichischen Bundesbahnen.[18] Die Anmeldung nach § 1(2) Vermögensentziehungs-Anmeldungsverordnung kam von den Besitzern Duraz nur widerwillig zustande. Sie gaben 1946 an, dass sie ihre Anmeldepflicht für "zweifelhaft" hielten, da sie es nicht auf eine Liegenschaft aus "jüdischem Besitz (…) abgesehen" hätten. Sie hätten das leere Grundstück vom Vorbesitzer, der Aufbaufond Vermögensverwaltungs Ges.m.b.H "nicht billig erworben", es diente ihnen als "Lagerplatz", ein Grundstück, das sie für diesen Zweck bereits lange gesucht hätten. Die Israelitische Kultusgemeinde verzichtete als Rechtsnachfolgerin des nicht mehr wieder errichteten Israelitischen Tempelvereins Simmering im Jahr 1948 auf eine Rückstellung und erhielt eine Summe von 35.000 Schilling als Entschädigung.[19] 1977 wurde auf der Liegenschaft von der "Gemeinnützigen Bau- und Siedlungsgenossenschaft Frieden" eine Wohnhausanlage mit Eigentumswohnungen errichtet.[20]

Bedeutende Rabbiner und Kantoren

Der Verein beschäftigte die Rabbiner Armin Abeles und S. Margulies. Kantor war ab 1896 Adolf Schäfer. Bis 1924 wirkten die Kantoren Moritz Harendorf und J. Pordes. Ab 1926 fungierte Max Schidlo als Oberkantor.[21]

Mahnmal

Nach jahrelangen, erfolglosen Verhandlungen mit den Eigentümern des Wohnhauses Wien 11, Braunhubergasse 7 wurde am 9. November 2003 ein Mahnmal an der Ecke Braunhubergasse, Hugogasse zum Gedenken an die Synagoge enthüllt.[22]

Gedenkstein zur Erinnerung an die zerstörte Synagoge

Quellen

Literatur

  • Herbert Exenberger: Die „Reichskristallnacht“ und die Geschichte der Juden in Simmering. In: Simmeringer Museumsblätter 29/30 (September 1988), S. 143-168
  • Pierre Genée: Wiener Synagogen. Wien: Löcker 2014, S. 95 f.
  • Martin Kukacka: Virtuelle Rekonstruktion der Synagoge in Wien XI, Braunhubergasse 7 von Jakob Gartner. Architektonische Spurensuche zur Rekonstruktion eines historischen Baudenkmals. Dipl.-Arb., TU Wien. Wien 2004
  • Bob Martens / Herbert Peter: Die zerstörten Synagogen Wiens. Virtuelle Spaziergänge. Budapest: Mandelbaum Verlag 2009, S. 123-132
  • Elisheva Shirion: Gedenkbuch der Synagogen und Jüdischen Gemeinden Österreichs. Hg. vom Synagogen Memorial, Jerusalem. Wien: Berger-Horn 2012 (Synagogen Gedenkbücher Deutschland und Deutschsprachige Gebiete, 5: Österreich), S. 77 f.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Bob Martens / Herbert Peter: Die zerstörten Synagogen Wiens. Virtuelle Spaziergänge. Budapest: Mandelbaum Verlag 2009, S. 123-132.
  2. Im Wiener Stadt- und Landesarchiv existiert dazu kein Vereinsakt.
  3. Elisheva Shirion: Gedenkbuch der Synagogen und Jüdischen Gemeinden Österreichs. Hg. vom Synagogen Memorial, Jerusalem. Wien: Berger-Horn 2012 (Synagogen Gedenkbücher Deutschland und Deutschsprachige Gebiete, 5: Österreich), S. 78; Herbert Exenberger: Die "Reichskristallnacht" und die Geschichte der Juden in Simmering. In: Simmeringer Museumsblätter 29/30 (September 1988), S. 146 f.
  4. Herbert Exenberger: Die "Reichskristallnacht" und die Geschichte der Juden in Simmering. In: Simmeringer Museumsblätter 29/30 (September 1900), S. 146 f.
  5. Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Stillhaltekommissar Wien, IV Ac 31: A 11/1, Schachtel 557.
  6. Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Stillhaltekommissar Wien, IV Ac 31: A 11/1, Schachtel 557.
  7. Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 119, A32: 13024/1939.
  8. Elisheva Shirion: Gedenkbuch der Synagogen und Jüdischen Gemeinden Österreichs. Hg. vom Synagogen Memorial, Jerusalem. Wien: Berger-Horn 2012 (Synagogen Gedenkbücher Deutschland und Deutschsprachige Gebiete, 5: Österreich), S. 78.
  9. Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Stillhaltekommissar Wien, IV Ac 31: A 11/1, Schachtel 557.
  10. Herbert Exenberger: Die "Reichskristallnacht" und die Geschichte der Juden in Simmering. In: Simmeringer Museumsblätter 29/30 (September 1988), S. 148 f.
  11. Bob Martens / Herbert Peter: Die zerstörten Synagogen Wiens. Virtuelle Spaziergänge. Budapest: Mandelbaum Verlag 2009, S. 123 f.
  12. Pierre Genée: Wiener Synagogen. Wien: Löcker 2014, S. 95 f.; Martin Kukacka: Virtuelle Rekonstruktion der Synagoge in Wien XI, Braunhubergasse 7 von Jakob Gartner. Architektonische Spurensuche zur Rekonstruktion eines historischen Baudenkmals. Dipl.-Arb., TU Wien. Wien 2004, S. 8, 11-34.
  13. Herbert Exenberger: Die "Reichskristallnacht" und die Geschichte der Juden in Simmering. In: Simmeringer Museumsblätter 29/30 (September 1988), S. 149 f.
  14. Martin Kukacka: Virtuelle Rekonstruktion der Synagoge in Wien XI, Braunhubergasse 7 von Jakob Gartner. Architektonische Spurensuche zur Rekonstruktion eines historischen Baudenkmals. Dipl.-Arb., TU Wien. Wien 2004, S. 8, 11-34.
  15. Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Stillhaltekommissar Wien, Referat König: Mappe 54, Schachtel 976.
  16. Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 119, A6: 22874/1939.
  17. Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Stillhaltekommissar Wien, IV Ac 31: A 11/1, Schachtel 557.
  18. Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Stillhaltekommissar Wien, Referat König: Mappe 54, Schachtel 976; Archiv der Israelitischen Kultusgemeinde nach 1945, Mappe Liegenschaften.
  19. Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt 119, A41: 11. Bezirk, Zahl 34; Archiv der Israelitischen Kultusgemeinde nach 1945, B 1/AD.
  20. Bob Martens / Herbert Peter: Die zerstörten Synagogen Wiens. Virtuelle Spaziergänge. Budapest: Mandelbaum Verlag 2009, S. 132.
  21. Elisheva Shirion: Gedenkbuch der Synagogen und Jüdischen Gemeinden Österreichs. Hg. vom Synagogen Memorial, Jerusalem. Wien: Berger-Horn 2012 (Synagogen Gedenkbücher Deutschland und Deutschsprachige Gebiete, 5: Österreich), S. 78.
  22. Presseservice Rathauskorrespondenz, 04.11.2003 (Stand: 24.10.2017).