Neudörfler Parteitag 1874

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Daten zum Ereignis
Art des Ereignisses Politisches Ereignis
Datum von 5. April 1874
Datum bis
Thema
Veranstalter
Teilnehmerzahl
Gewalt
PageID 47366
GND
WikidataID
Objektbezug Langes 19. Jahrhundert
Quelle
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Wien und Wiener Neustadt

Es war kein Zufall, dass der erste Arbeiterverein Österreichs 1865 in Wiener Neustadt und nicht in Wien gegründet wurde, denn in der mittelgroßen Industriestadt war das Verhältnis der Zahl und der Stärke der Arbeiterschaft zum Bürgertum wesentlich größer als in der Haupt- und Residenzstadt Wien. 1866, acht Monate nach der Gründung dieses "Wiener Neustädter Arbeitervereins", wurden seine Statuten von der niederösterreichischen Statthalterei abgelehnt – was den Verein jedoch nicht daran hinderte, seine Tätigkeit mit organisierten Massenkundgebungen fortzusetzen. Der Kampf gegen einen Erlass des Innenministers, in dem sozialdemokratische Vereine als staatsfeindlich erklärt wurden, sollte die späten 1860er Jahre beherrschen. 1869 wurde in Wiener Neustadt ein neuer politischer Verein mit dem Namen "Gleichheit" gegründet, und ab 1870 erschien hier unter dem Titel "Gleichheit – Sozialdemokratisches Organ für die Interessen des arbeitenden Volkes" die erste, dem Gedankengut des Marxismus verbundene Arbeiter-Zeitung.

Gründungsparteitag in Neudörfl

Am 5. April 1874 fand im nahe bei Wiener Neustadt gelegenen Neudörfl (damals noch Ungarn) der Gründungsparteitag der österreichischen Sozialdemokratie statt, an dem 74 Delegierte teilnahmen. Das auf den Ideen von Karl Marx und Friedrich Engels beruhende Programm wurde mit 69 zu 5 Stimmen angenommen. Erster Parteiobmann wurde der Historiker und Bibliothekar Hippolyt Tauschinsky.

Fraktionskämpfe

Dem Gründungsparteitag folgte ein Jahrzehnt der massiven inneren Auseinandersetzungen. Letztere entzündeten sich vor allem an der Frage der Strategie der jungen Arbeiterbewegung, angesichts der wachsenden Verelendung der Arbeiter durch die Wirtschaftskrise, die 1873 eingesetzt hatte, und der verschärften Verfolgung und brutalen Unterdrückung aller Proteste durch die Behörden.

Die "gemäßigten" Kräfte um Heinrich Oberwinder, die hauptsächlich in Wien und in den Gewerkschaften verankert waren, vertraten die Ansicht, die Arbeiterbewegung müsse sich als Teil der bürgerlich-demokratischen Bewegung verstehen. Sie suchten der Verfolgung durch die Behörden durch die strikte Einhaltung legaler Rahmenbedingungen zu entgehen. Die "radikale" Strömung um Andreas Scheu, die ihre Schwerpunkte in den Arbeiterbildungsvereinen in Wien, in Wiener Neustadt und in der Steiermark hatte, betonte hingegen die Notwendigkeit einer eigenständigen Politik der Arbeiterbewegung und trat bereits damals für das den Zusammenhalt der Monarchie gefährdende Selbstbestimmungsrecht der Völker ein.

Politisch setzte sich zunächst die "radikale" Linie durch. Auch Anarchisten, die eine legale Organisationsarbeit als zwecklos ablehnten und Gewalt befürworteten, gewannen an Einfluss innerhalb der österreichischen Arbeiterbewegung. Ihre Attentate und Bombenanschläge wurden vom Regime als Vorwand benutzt, härter gegen die gesamte Arbeiterbewegung vorzugehen. Verhaftungen, Abschiebungen und Abwanderungen schwächten die "Radikalen" derart, dass die "Gemäßigten" ab etwa 1887 die Vorherrschaft innerhalb der Bewegung erringen konnten. Mit dem Einigungsparteitag der Sozialdemokraten in Hainfeld 1888/1889 wurden die internen Fraktionskämpfe schließlich beendet.

Literatur

  • 100 Jahre Sozialdemokratischer Parteitag: Neudörfl 1974. Internationale Tagung der Historiker der Arbeiterbewegung. Wien: Europaverlag 1976 (ITH Tagungsberichte 8)
  • Karl Flanner: 1874 in Wiener Neustadt-Neudörfl. Gründung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs. Wiener Neustadt: Museum und Archiv für Arbeit und Industrie im Viertel unter dem Wienerwald 1994
  • Walter Göhring: Der Gründungsparteitag der österreichischen Sozialdemokratie, Neudörfl 1874. Wien-München: Jugend & Volk 1974
  • Anna Staudacher: Sozialrevolutionäre und Anarchisten. Die andere Arbeiterbewegung vor Hainfeld. Die Radikale Arbeiter-Partei Österreichs (1880–1884). Wien: Verlag für Gesellschaftskritik 1988
  • Hans-Jürgen Tempelmayr: Zur Vorgeschichte des Neudörfler Parteitages. Die erste Gründung einer sozialdemokratischen Partei in Österreich. Dipl. Arb. Univ. Wien. Wien 1989
  • Edit S. Vincze: Der Neudörfler Parteitag von 1874 und die sozialdemokratische Arbeiterbewegung in Ungarn. In: Politik und Gesellschaft im alten und neuen Österreich. Festschrift für Rudolf Neck zum 60. Geburtstag. Bd. 1. Hg. von Isabella Ackerl / Walter Hummelberger / Hans Mommsen. Wien: Verlag für Geschichte und Politik, 1981, S. 273-304

Weblinks