Marietta Blau

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Daten zur Person
PersonennameName der Person im Format Nachname, Vorname Blau, Marietta
Abweichende NamensformAlternative Formen des Namens wie z.B. Pseudonyme oder Mädchennamen im Format Nachname, Vorname Blau, Etta
TitelAkademische Titel (abgekürzt), Amtstitel, Adelstitel Dr.
Geschlecht weiblich
Wien Geschichte WikiIdentifier/Persistenter URL zur Seite  33071
GNDGemeindsame Normdatei 123215331
Wikidata Q87524
GeburtsdatumDatum der Geburt 29. April 1894
GeburtsortOrt der Geburt Wien 4066009-6
SterbedatumSterbedatum 27. Jänner 1970
SterbeortSterbeort Wien 4066009-6
BerufBeruf Physikerin
ParteizugehörigkeitAngabe der Partei (bei PolitikerInnen)
EreignisEreignis, mit dem die Person in Verbindung gebracht wird
Nachlass/Vorlass
Siehe auchVerweist auf andere Objekte im Wiki  Von der Casa piccola zur Oper. Wege der Frauen an der Ringstraße, Teil 2
RessourceUrsprüngliche Ressource  Gedenktage, Gedenktage-GW
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Recherche
Letzte Änderung am 19.09.2024 durch WIEN1.lanm09fri
BestattungsdatumDatum der Bestattung 
FriedhofFriedhof, auf dem eine Person begraben wurde Zentralfriedhof
Grabstelle
  • 3., Charasgasse 8 (Wohnadresse)
  • 2., Schmelzgasse 6 (Geburtsadresse)
Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft

  • Haitinger-Preis (Verleihung: 1936)
  • Erwin Schrödinger-Preis der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (Verleihung: 1962)
  • Preis der Stadt Wien für Naturwissenschaft (Verleihung: 29. Mai 1967)
  • Ignaz-Lieben-Preis der Akademie der Wissenschaften (Verleihung: 2. Juni 1937)
  • Plakette des Radiuminstituts in Paris aus Anlass des 100. Geburtstages von Marie Curie (Übernahme: 1967)

Marietta Blau, * 29. April 1894 Wien, † 27. Jänner 1970 Wien, Physikerin.

Biografie

Marietta Blau kam als Tochter des Hof- und Gerichtsadvokaten Markus Blau und seiner Ehefrau Florentine, geborene Goldenzweig, in Wien auf die Welt. Gemeinsam mit zwei Brüdern wuchs sie in einem jüdisch-liberalen und bildungsaffinen Haushalt auf. Nach der fünfklassigen Übungsschule der k. k. Lehrerbildungsanstalt in Wien besuchte sie das Mädchengymnasium des Vereins für erweiterte Frauenbildung in der Rahlgasse, wo sie 1914 maturierte.

Anschließend studierte sie unter anderem beim Stefan Meyer und Philipp Furtwängler als eine der ersten Frauen Physik und Mathematik an der Universität Wien. Ihre Dissertation wurde 1918 approbiert, im März 1919 wurde Marietta Blau zum Doktor der Philosophie promoviert.

Es folgten Tätigkeiten am Zentralröntgeninstitut in Wien und 1920/1921 am Institut für Radiumforschung. 1921 ging sie nach Deutschland, wo sie unter anderem in Frankfurt am Main am Institut für physikalische Grundlagen der Medizin arbeitete. Als ihre Mutter schwer erkrankte (der Vater war bereits 1919 verstorben), kehrte sie 1923 nach Wien zurück und war fortan bis 1938 am Institut für Radiumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und am II. Physikalischen Institut der Universität Wien unbezahlt tätig. Finanzielle Unterstützung erhielt sie von ihrer Familie; zudem erzielte sie durch Unterrichtstätigkeiten, Stipendien, Beratungstätigkeiten für die Industrie sowie entlohnte Arbeitsaufträge an anderen Instituten unregelmäßige Einkünfte. 1932 ermöglichte ihr ein Stipendium des "Verbands Österreichischer Akademikerinnen" einen Studienaufenthalt in Göttingen, im Jahr darauf absolvierte sie ein Gastsemester bei Marie Curie in Paris.

Marietta Blau zählt zu den Pionierinnen der Kernphysik. In der Zwischenkriegszeit forschte sie an der Schnittstelle von Atomphysik und Fotografie und erarbeitete eine Methode zum Nachweis einzelner Teilchen. 1937 gelang ihr gemeinsam mit Hertha Wambacher, deren Dissertation sie mitbetreut hatte, der Nachweis sogenannter "Zertrümmerungssterne" in fotografischen Emulsionen, eine für die moderne Teilchenphysik wegweisende Entdeckung. Für ihre Forschungen wurden die beiden Frauen von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 1936 mit dem Haitinger-Preis und 1937 mit dem Ignaz-L.-Lieben-Preis ausgezeichnet. Der große wissenschaftliche Durchbruch blieb Marietta Blau aufgrund der politischen Umbrüche allerdings verwehrt.

Im Verlauf der 1930er Jahre war das Institut für Radiumforschung nach und nach von Nationalsozialisten und Nationalsozialistinnen, zu denen auch Hertha Wambacher zählte, durchdrungen worden. Für die aus einer jüdischen Familie stammende Marietta Blau wurden die Arbeitsbedingungen zunehmend schwieriger und die Zusammenarbeit mit ihren Kolleginnen und Kollegen konfliktbehafteter. 1938 floh Marietta Blau nach Norwegen; 1939 erhielt sie – nachdem sich Albert Einstein für sie eingesetzt hatte – eine Professur an der Technischen Hochschule in Mexico City. 1944 ging sie – neuerlich auf Vermittlung Einsteins – in die USA, wo sie zunächst in der Industrie und ab 1948 als Wissenschaftlerin unter anderem an der Columbia University tätig war. Blau erhielt 1950 die US-amerikanische Staatsbürgerschaft und hatte ab 1955 eine Professur an der Universität von Miami in Coral Gables, Florida, inne. Im Exil war Marietta Blau zwar in Sicherheit, an ihre Forschungsarbeiten konnte sie allerdings erst mehr als zehn Jahre nach ihrem großen Durchbruch wieder andocken. In der Emigration wurde sie von ihren ehemaligen Kolleginnen und Kollegen wissenschaftlich marginalisiert, ihre Beiträge nicht anerkannt und ihr Name nicht länger zitiert.

Als sie 1960, bereits im Ruhestand, nach Österreich zurückkehrte, waren viele ihrer nationalsozialistischen Kolleginnen und Kollegen rehabilitiert und fest im Wissenschaftssystem der Nachkriegszeit verankert. Marietta Blau arbeitete noch bis 1964, solange es ihr Gesundheitszustand erlaubte, wiederum als unbezahlte Mitarbeiterin am Institut für Radiumforschung und Kernphysik der Universität Wien.

Erwin Schrödinger hatte Marietta Blau und Hertha Wambacher 1950 für den Nobelpreis vorgeschlagen, den sie jedoch nicht erhielten. Auf Schrödingers Antrag hin wurde Marietta Blau zwei Mal die Leibniz-Medaille der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin zuerkannt, die sie als US-Staatsbürgerin allerdings nicht annehmen durfte. 1961 schlugen Karl Przibram und sechs weitere wirkliche Mitglieder der Österreichischen Akademie der Wissenschaften vor, Marietta Blau als korrespondierendes Mitglied aufzunehmen. Auch dieser Antrag wurde abgelehnt, allerdings zeichnete sie die Akademie 1962 mit dem Schrödinger-Preis für die "Entwicklung der grundlegenden photographischen Methode zur Untersuchung von Elementarteilchen" und die Entdeckung der Zertrümmerungssterne aus.

Marietta Blau, die aufgrund von Flucht, Exil und prekären Arbeitsverhältnissen die längste Zeit keine Pensionsansprüche erwerben konnte, lebte von einer kleinen Pension, die sie für ihre Arbeitsjahre in den USA erhielt. Stark beeinträchtigt durch das Experimentieren mit radioaktiven Strahlen und ihre Passion für das Rauchen erkrankte sie und starb im Alter von 76 Jahren vereinsamt und fast blind in einem Krankenhaus in Wien. Kein einziger Nachruf in einer wissenschaftlichen Zeitschrift würdigte die Verdienste der herausragenden Physikerin.

2005 wurden die Marietta-Blau-Gasse und der Marietta-Blau-Saal im Hauptgebäude der Universität Wien nach der Wissenschaftlerin benannt.

Quellen

Literatur

  • Felicitas von Aretin: Mit Wagemut und Wissensdurst. Die ersten Frauen in Universitäten und Berufen. München: Elisabeth Sandmann Verlag 2018, S. 62–72
  • Ilse Korotin [Hg.]: biografiA. Lexikon österreichischer Frauen. Band 1. Wien / Köln / Weimar: Böhlau 2016, S. 337 f.
  • Peter Autengruber: Lexikon der Wiener Straßennamen. Bedeutung, Herkunft, frühere Bezeichnungen. Wien: Pichler Verlag 2014, 9. Auflage, S. 198
  • Ruth Lewin Sime: Zertrümmerung: Marietta Blau in Wien. In: Kernforschung in Österreich. Wandlungen eines interdisziplinären Forschungsfeldes 1900–1978. Hg. von Silke Fengler / Carola Sachse. Wien / Köln / Weimar: Böhlau 2012, S. 211–238
  • Elke Krasny: Stadt und Frauen. Eine andere Topographie von Wien. Wien: Metroverlag 2008, S. 23
  • Daniela Angetter / Michael Martischnig: Biografien österreichischer Physiker/innen. Wien: Österreichisches Staatsarchiv 2005, S. 7–10
  • Robert Rosner / Brigitte Strohmaier [Hg.]: Marietta Blau − Sterne der Zertrümmerung. Biographie einer Wegbereiterin der modernen Teilchenphysik. Wien [u. a.]: Böhlau 2003 (Beiträge zur Wissenschaftsgeschichte und Wissenschaftsforschung, 3)

Weblinks