Jean Améry

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Daten zur Person

Jean Améry (eigentlich Hans Mayer), * 31. Oktober 1912 Wien, † 17. Oktober 1978 Salzburg, Schriftsteller, Kulturpublizist.

Biografie

Hans Mayer, der sich gelegentlich auch „Hanns“ schrieb, kam in Wien als Sohn von Valerie Mayer (Maier), geborene Goldschmidt, und des aus Hohenems stammenden Kaufmanns Paul Mayer (auch: Maier) auf die Welt. Der Vater fiel 1917 an der Südfront, die Familie übersiedelte daraufhin nach Bad Ischl, wo die Mutter eine Fremdenpension betrieb. Die erste Klasse Gymnasium besuchte Hans in Gmunden, nach dem Konkurs der Pension kehrte die Familie nach Wien zurück.

Hans Mayer begann als Gymnasiast zu dichten, eine erste Erzählung erschien 1928 in einer Zeitung. Das Jahr 1929 verbrachte er in Berlin, 1930 begann er eine Buchhandelslehre in Wien, daneben literarische und philosophische Studien. Bis 1938 war er Buchhandlungsgehilfe in der Buchhandlung der Volkshochschule Leopoldstadt. Er näherte sich dem „Wiener Kreis“ an, der Positivismus von Moritz Schlick oder Rudolf Carnap beeinflusste ihn stark, genauso wie die Werke von Ernst Mach, Otto Neurath und Fritz Mauthner. 1934 gab Hanns Mayer, wie er sich damals nannte, gemeinsam mit seinem Freund Ernst Mayer die Literaturzeitschrift „Die Brücke“ heraus und begann an der Arbeit am Roman „Die Schiffbrüchigen“ (erst postum 2007 erschienen).

1937 heiratete Mayer Regine Berger-Baumgarten. Ende 1938 floh er vor dem Nationalsozialismus nach Belgien, wo er im Mai 1940 verhaftet wurde. 1941 entkam er aus einem Internierungslager und schloss sich in Brüssel einer Untergrundorganisation („Front National Autrichien“) an. Er wurde im Juli 1943 verhaftet und im Dezember des Jahres nach Auschwitz deportiert. Im April 1945 wurde er im Lager Bergen-Belsen befreit. Er kehrte nach Brüssel zurück, wo er vom Tod seiner Frau ein Jahr zuvor erfuhr. Mayer setzte sein essayistisch-literarisches Schreiben fort und veröffentlicht in verschiedenen Publikationsorganen, ab den 1950er Jahren vermehrt in der Schweiz, ab 1965 für das deutsche Feuilletonmagazin „Merkur“ sowie für verschiedene Rundfunkanstalten. Er kehrte regelmäßig nach Österreich und Wien zurück. Eine permanente Rückkehr war jedoch kein Thema. Seit 1955 verwendete er das Pseudonym Jean Améry.

Bekanntheit erlangte Améry auch durch seiner Beschäftigung mit dem Thema Suizid. 1974 überlebte er einen Suizidversuch, essayistisch behandelte er das Thema in „Hand an sich legen. Diskurs über den Freitod“ (1976). 1978 schließlich wählte er den „Freitod“ in einem Hotel in Salzburg auch für sich. Amérys Urne wurde in einem Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof beigesetzt.

Werk

Nach der Befreiung 1945 schrieb Mayer in Brüssel in allen Genres, Essays, Dramen, Filmskripte, bald auch Feuilletonbeiträge für verschiedene europäische Zeitungen und Zeitschriften. 1966 erschien seine bekannteste Essaysammlung, „Jenseits von Schuld und Sühne" (1966), der 5. Auflage 1977 etwa steuerte Améry ein neues Vorwort bei. Die Sammlung beschäftigt sich in zwei zentralen Texten mit Tortur und Folter sowie dem Ressentiment – beide Texte beruhen auf der eigenen Erfahrung. Diese „Grunderfahrung“ (Heißenbüttel 1988, 4), die sich durch seine Bücher zieht, demonstriert und analysiert das Überwältigtwerden, das Ausgeliefertsein, die Degradierung zum Objekt. Die Essaysammlung „Unmeisterliche Wanderjahre“ (1971) sind ein weiteres Ergebnis seiner schreibenden „Selbstbefragung“, die sich sowohl auto- als auch zeitbiographisch verstehen. Améry war Positivist, aber auch ein Existentialist. Die Auseinandersetzung mit dem Werk Sartres ist eine der Konstanten seines Werks, er stellte die Verteidigung des Subjekts in den Mittelpunkt. Von 2002 bis 2008 brachte der Klett-Cotta-Verlag eine neunbändige Werkausgabe heraus. 1977 erhielt Améry den Preis der Stadt Wien für Publizistik.

Quellen

Literatur

  • Christoph David Piorkowski: Erzählen vom Unaussprechlichen. Über Leben und Werk von Primo Levi und Jean Améry. Berlin: Metropol 2022
  • Lukas Brandl: Philosophie nach Auschwitz. Jean Amérys Verteidigung des Subjekts. Wien, Berlin: Turia + Kant 2018
  • Matthias Bormuth (Hg.): Kritik aus Passion. Studien zu Jean Améry. Göttingen: Wallstein 2005
  • Irene Heidelberger-Leonard (Hg.): Über Jean Améry. Heidelberg: Winter 1990
  • Helmut Heißenbüttel: Ich ziehe meine Klage zurück. Rede über Jean Améry. In: Jean Améry. Text + Kritik, Heft 99 (Juli 1988), S. 3–7


Jean Améry im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.

Weblinks