Homöopathie

Aus Wien Geschichte Wiki
Wechseln zu:Navigation, Suche
Daten zum Eintrag
Datum von
Datum bis
Objektbezug
Quelle
Export RDF-Export (Resource Description Framework) RDF
Recherche
Letzte Änderung am 18.07.2018 durch WIEN1.lanm08tau
Bildname Marenzeller.jpg
Bildunterschrift Matthias Marenzeller (1765-1854)

Es wurden noch keine Bezeichnungen erfasst!

Samuel Hahnemann

Samuel Hahnemann (1755-1843)

Die Idee, Gleiches durch Gleiches zu heilen (Simile-Prinzip), wurde von dem deutschen Arzt Samuel Hahnemann (1755-1843) zu Beginn des 19. Jahrhunderts eingeführt und propagiert. Hahnemann bewegte sich damit einerseits auf dem Boden der Humoralpathologie – Krankheiten entstehen durch ein Ungleichgewicht der Säfte im Körper –, andererseits wich er mit seiner vorgeschlagenen Therapie von dieser dominanten Strömung in der Medizin seiner Zeit ab. Denn zur Heilung setzte er nicht auf „heroische Methoden“ wie Aderlass, Klistiere, Brechmittel, die den Krankheitserreger aus dem Körper befördern sollten, sondern auf das Immunsystem des Körpers, welches durch kleine Dosen von an und für sich giftigen Substanzen angeregt werden sollte.

Verbot

In der Habsburgermonarchie hatte der Leibarzt des Kaiser Franz I. Josef Andreas von Stifft (1760-1836) einen beherrschenden Einfluss auf die Medizinalpolitik erlangt. Mit dem Monarchen ein entschiedener Gegner alles Neuen, hatte auf alle einschlägigen Entscheidungen der „medizinischen Polizey“ in Österreich bestimmenden Einfluss. Stifft war ein uneingeschränkter Anhänger der Humoralpathologie, deren Prinzipien er mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zum medizinischen Kanon erhob. Stifft setzte im Jahr 1819 ein Verbot der Homöopathie durch. Dabei berief er sich auf eine schon zuvor längere Zeit in Kraft befindliche Verfügung, wonach es Ärzten nicht erlaubt war, Arzneien selbst zu verfertigen.[1]

Matthias Marenzeller

Das Verbot erwies sich allerdings als kaum völlig durchsetzbar, da zahlreiche Angehörige der Hocharistokratie, des Klerus und des Militärs zu Anhängern der homöopathischen Methode geworden waren, was für die praktizierenden Homöopathen wie ein Schutzschild wirkte.[2]

Der wichtigste Vertreter der Homöopathie in Wien war der aus der Untersteiermark stammende Matthias Marenzeller (1765-1854). Er hatte sich schon als Militärarzt in Mailand energisch gegen die Methoden der „heroischen“ Medizin gewandt und stand seit 1823 in Kontakt mit Hahnemann, dessen Methoden er in der Habsburgermonarchie propagierte und praktizierte.[3] Dank des Einflusses österreichischer Militär- und Hofkreise durfte Marenzeller 1828 seine Therapie an der medizinischen Klinik der Josephs-Akademie demonstrieren.[4]

Homöopathie und Cholera

Den anhaltenden Widerstand Stiffts brach jedoch erst der Ausbruch der ersten Choleraepidemie im Spätsommer 1831. Dabei machte die Bevölkerung die Beobachtung, dass Patienten in Spitälern die von Homöopathen geleitet wurden höhere Überlebenschancen hatten als in anderen Spitälern. Besonders während der Epidemie von 1836 wurde das offenkundig. In dem vom Homöopathen Friedrich Wilhelm Karl Fleischmann (1799-1868) geführten Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern verstarb nur rund ein Drittel der Patienten, in anderen die Hälfte. Schon während der ersten Epidemie 1831/32 ging die Unterstützung für Marenzeller und seinen Kreis[5] so weit, dass der Weltpriester und Anhänger der Homöopathie Johann Emanuel Veith (1787-1876) im Stephansdom ihre Anwendung bei der Bekämpfung der Cholera öffentlich propagieren konnte. Wie andere distanzierte sich Veith allerdings schon wenig später von der klassischen Homöopathie im Sinn Hahnemanns.[6] Mit allerhöchster kaiserlicher Entschließung wurde das Homöopathieverbot daher am 6. Februar 1837 aufgehoben. Dazu trug allerdings auch bei, dass ihr erbittertster und mächtigster Gegner Stifft 1836 verstorben war.[7] Tatsächlich waren es jedoch nicht die homöopathischen Mittel die die geringere Cholerasterblichkeit bei homöopathischer Therapie bewirkten, sondern der Verzicht auf dehydrierende Methoden und die Gabe von reinem Quellwasser.[8]

Homöopathie und der Aufstieg der modernen Medizin

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde die Homöopathie mit dem Aufstieg der zellularpathologischen Medizin zunehmend an den alternativmedizinischen Rand gedrängt. Noch 1847 hatte sich der „Verein homöopathischer Ärzte für physiologische Arzneimittelprüfung“ konstituieren können der 1873 in „Verein homöopathischer Ärzte Österreichs“ umbenannt wurde der bis 1913 bestand. Der Widerstand der Wiener Medizinischen Fakultät aber auch die neue Popularität der Naturheilkunde sorgten für einen Niedergang der Disziplin. Es fehlte an Ausbildungsstätten und dadurch auch an Nachwuchs. Lediglich auf privater Initiative entstand 1934 der „Klub der Freunde der Homöopathie – Hahnemann“ der Vorträge anbot und Unterstützung durch die Firma Schwabe aus Leipzig, Produzent homöopathischer Mittel, erhielt. Weitere Vereinsgründungen blieben ohne nachhaltige Wirkung. In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg versuchte ein „Verein für Homöopathie in Österreich“ die Wiederzulassung von Homöopathen auf Basis des 1947 aufgehobenen NS-Heilpraktikergesetzes mittels eines Volksbegehrens durchzusetzen, was jedoch von keinem Erfolg begleitet war.[9]

Der Aufschwung der Homöopathie ab den 1970er Jahren

Auf Basis der 1953 gegründeten „Vereinigung homöopathischer Ärzte“ entstand 1969 die „Österreichische Gesellschaft für Homöopathische Medizin“. Ab 1975 organisierte die Gesellschaft eine geregelte Ausbildung für Homöopathen die ab 1994 durch ein Diplom der österreichischen Ärztekammer anerkannt wurde. Eine Anerkennung im Rahmen des Universitätsstudiums der Medizin blieb der Homöopathie jedoch versagt. Aus dem 19. Jahrhundert erbte die moderne Homöopathie auch den Schulenstreit zwischen „reiner Lehre“ und Abweichungen.[10] Der zunehmenden Beliebtheit der Homöopathie als alternativmedizinische Methode tat das keinen Abbruch.[11]


Literatur

  • Ingrid Arias: Homöopathische Vereine und Naturheilvereine in Österreich. In: Sonia Horn (Hg.): Homöopathische Spuren. Beiträge zur Geschichte der Homöopathie in Österreich, Wien: Verlagshaus der Ärzte 2003, S. 149-156
  • Georg Bayr: Die Jahre von 1969-1975. Festschrift 25 Jahre Homöopathie in Österreich (1978)
  • Susanne Diez: Von der Notwendigkeit das Vergessene zu bergen. In: In: Sonia Horn (Hg.): Homöopathische Spuren. Beiträge zur Geschichte der Homöopathie in Österreich, Wien: Verlagshaus der Ärzte 2003, S. 15-22.
  • Gabriele Dorffner: Versuche einer Institutionalisierung der homöopathischen Lehre im 19. Jahrhundert. In: Sonia Horn (Hg.): Homöopathische Spuren. Beiträge zur Geschichte der Homöopathie in Österreich, Wien: Verlagshaus der Ärzte 2003, S. 55-70
  • I[sidor] Fischer: Beiträge zur medizinischen Kulturgeschichte V: Johann Emanuel Veith. In: Wiener klinische Wochenschrift 36 (1923), 112-114
  • M. Feucht: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815-1950, Bd. 6, Wien 1973, S. 77 f.
  • Kathrine E. Kogler: „Man fing damit an, die Wahrheit des homöopathischen Princips wegzudemonstriren …“. Unterstützung der Homöopathie in Wien während des Homöopathieverbots. In: Sonia Horn (Hg.): Homöopathische Spuren. Beiträge zur Geschichte der Homöopathie in Österreich, Wien: Verlagshaus der Ärzte 2003, S. 79-92
  • Erna Lesky: Matthias Marenzellers Kampf für die Homöopathie in Österreich. In: Sudhoffs Archiv für Geschichte der Medizin und Naturwissenschaften 38 (1954), 110-128
  • Erna Lesky: Die Wiener medizinische Schule im 19.Jahrhundert (Studien zur Geschichte der Universität Wien 6). Graz-Köln: Böhlau Verlag 1965
  • Andreas Weigl: Ernährungsvorschriften in deutschsprachigen homöopathischen Schriften (ca. 1820-1960). In: Medizin, Gesellschaft und Geschichte. Jahrbuch des Robert Bosch Instituts für Geschichte der Medizin 2018 (in Vorbereitung)

Einzelnachweise

  1. Erna Lesky: Die Wiener medizinische Schule im 19.Jahrhundert (Studien zur Geschichte der Universität Wien 6). Graz-Köln: Böhlau Verlag 1965, S. 32.
  2. Kathrine E. Kogler: „Man fing damit an, die Wahrheit des homöopathischen Princips wegzudemonstriren …“. Unterstützung der Homöopathie in Wien während des Homöopathieverbots. In: Sonia Horn (Hg.): Homöopathische Spuren. Beiträge zur Geschichte der Homöopathie in Österreich, Wien: Verlagshaus der Ärzte 2003, S. 79-92.
  3. M. Feucht: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815-1950, Bd. 6, Wien 1973, S. 77 f.
  4. Erna Lesky: Die Wiener medizinische Schule im 19.Jahrhundert (Studien zur Geschichte der Universität Wien 6). Graz-Köln: Böhlau Verlag 1965, S. 50.
  5. Erna Lesky: Matthias Marenzellers Kampf für die Homöopathie in Österreich. In: Sudhoffs Archiv für Geschichte der Medizin und Naturwissenschaften 38 (1954), 110-128.
  6. I[sidor] Fischer: Beiträge zur medizinischen Kulturgeschichte V: Johann Emanuel Veith. In: Wiener klinische Wochenschrift 36 (1923), 112-114.
  7. Gabriele Dorffner: Versuche einer Institutionalisierung der homöopathischen Lehre im 19. Jahrhundert. In: Sonia Horn (Hg.): Homöopathische Spuren. Beiträge zur Geschichte der Homöopathie in Österreich, Wien 2003, S. 60 f.
  8. Andreas Weigl: Ernährungsvorschriften in deutschsprachigen homöopathischen Schriften (ca. 1820-1960). In: Medizin, Gesellschaft und Geschichte. Jahrbuch des Robert Bosch Instituts für Geschichte der Medizin 2018 (in Vorbereitung)
  9. Ingrid Arias: Homöopathische Vereine und Naturheilvereine in Österreich. In: Sonia Horn (Hg.): Homöopathische Spuren. Beiträge zur Geschichte der Homöopathie in Österreich, Wien: Verlagshaus der Ärzte 2003, S. 149-156.
  10. Susanne Diez: Von der Notwendigkeit das Vergessene zu bergen. In: In: Sonia Horn (Hg.): Homöopathische Spuren. Beiträge zur Geschichte der Homöopathie in Österreich, Wien: Verlagshaus der Ärzte 2003, S. 15-22.
  11. Georg Bayr: Die Jahre von 1969-1975. Festschrift 25 Jahre Homöopathie in Österreich (1978)