Adolf-Loos-Stadtführung (24. Jänner 1914)

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Fassade des Bankvereinsgebäudes gegen Schottenring und Schottengasse, 1916
Daten zum Ereignis
Art des Ereignisses Stadtführung
Datum von 24. Jänner 1914
Datum bis 24. Jänner 1914
Thema Architektur
Veranstalter Adolf Loos
Teilnehmerzahl
Gewalt Nein
PageID 360505
GND
WikidataID
Objektbezug Adolf Loos (Portal)
Quelle
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Letzte Änderung am 20.09.2022 durch WIEN1.lanm09mur
Bildname Creditanstalt Bankverein.jpg
Bildunterschrift Fassade des Bankvereinsgebäudes gegen Schottenring und Schottengasse, 1916

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48° 12' 47.72" N, 16° 21' 47.54" E  zur Karte im Wien Kulturgut

Route: Schottengasse
Sitzungssaal im Oktogon, 1916
Direktionsstiege, 1912
Zugang zum Sitzungssaal im Oktogon, um 1934
Schalterhalle, 1912
Von Loos als japanisch gedeutetes Geländer im Stiegenhaus, um 2020
Hauptstiege, 1912

Es handelt sich um die achte von zehn Stadtführungen, die Adolf Loos im Rahmen seiner Bauschule zwischen November 1913 und März 1914 veranstaltete.

Transkription der Mitschrift

"Wiener Bankverein. Hier ist eine außerordentlich glückliche Lösung, gegenüber der miserablen Lösung in der neuen Postsparkassa, wo das Publikum, das doch nur 10-20 Minuten lang dort zu tun hat, im blendenden Licht ist, während die Beamten den ganzen Tag über in Finsternis, bei künstlichem Lichte arbeiten müssen und schlechter daran sind, als in alten Gebäuden. Hier ist der Baublock in vier gleich große Höfe eingeteilt, die Oberlicht haben und nur die Leute, die warten müssen, haben sekundäres Licht. In Frankfurt am Main wurde diesen Lösung zum ersten Male in einem kleineren Bau versucht.

Die Stufen aus Beton, mit Marmorplatten belegt, die eine Ausbuchtung für den Teppich haben, sind ausgezeichnet.- Im Versammlungssaal ist die Gegenüberstellung des weiß-grauen Stuckes zum Marmor (Giallo di Siena) falsch, der Stuck sollte ganz weiß sein, dann würde er wirksamer sein. Die Tischlerarbeiten sind ausgezeichnet, drei Karniese beieinander, das ist die richtige Tischlerprofilierung. Die Blättchen könnten sogar noch dünner sein, sie müssen nur 1 mm haben, da ist Holz schon genug wirksam.

Jede Tür hebt sich in der Angel auf einer schiefen Ebene beiläufig 1 ½ cm. des Teppiches wegen.- Die Tischlampen sind gut, die Mulde am Fuß für Radiergummi etc. ausgezeichnet. Schön ist das Geländer der Haupttreppe: Bronze und Stein mit japanischem Motiv. Das wichtigste Motiv für Festtreppen ist hier befolgt! Zwei Stiegenhausräume! Die Stiege darf sich nicht wiederholen. Es ist wohl eine Verschwendung, aber eine Stiege kann nur monumental aussehen, wenn sie einen Plafond hat.

Die Tintenfässer von Bohn sind ausgezeichnet. – Die Glastüre (im Zimmer für die Accreditierten) macht durch Rahmen und Glasscheibe darüber einen schönen Eindruck. Wenn Glasscheiben wirken sollen, müssen sie eine gewisse Höhe haben. Die Wechselstube ist richtig mit den Stehpulten und Bänken für die Wartenden.- Man kann sagen: Die Einrichtung ist das Beste, was man beim derzeitigen Stand der Architektur erwarten kann. Sie ist sogar auffallend gut, bei der jetzigen Verwilderung: Es ist gar nichts Künstlerisches, es ist nur korrekt. – Die Fassade ist nicht so gut mit der schäbigen Füllung und dem schäbigen Dache. Denn es ist schäbig, dasselbe Motiv einmal in Bronze und einmal in gestrichenem Eisen zu bringen.- Die Risalite haben sie soweit herausgebracht, als es polizeilich erlaubt war und sind mit der Fassade nach rückwärts gegangen, sodass das Ganze ein nach rückwärts gezogenes Sediment ist.“

Kommentar

Da Adolf Loos selbst Projekte für Banken und Wechselstuben plante, wurde dieser Gebäudetypus am Beispiel des Wiener Bankvereinsgebäudes am Schottentor sehr ausführlich erörtert. Das Bankpalais am Schottentor war erst ein Jahr vor den Führungen seiner Bestimmung übergeben worden und galt als modernstes und prachtvollstes Bankgebäude der Monarchie.

Am Beginn seiner Ausführung steht ein bemerkenswert scharfer Seitenhieb auf Otto Wagner, welchen Loos ansonsten sehr schätzte und für vorbildlich hielt. Die Kritik fokussiert auf die unausgewogene Beleuchtung in den Bereichen für den Parteienverkehr bzw. die Bankbeamten. Die vom Architektenduo Ernst Gotthilf (1865–1950) und Alexander Neumann (Architekt) (1861–1947) zwischen 1909 und 1912 hier realisierte Oberlichtsituation setzte Loos auch in seiner Bankfiliale am Neubau ein, wobei dort Beamte und Kunden von der natürlichen Belichtung profitieren. Die im Bankvereinsgebäude angewandte Belichtungskonzeption kehrt den Wagner’schen Ansatz um: Die Bankbeamten arbeiten im Bereich des Oberlichts, die Halle selbst wird durch Lichtgaden von der Seite her belichtet.

Kamen in den von Loos besprochenen Gebäuden Natursteine wie Marmor zum Einsatz, so fehlt niemals eine penible Untersuchung der erreichten oder in diesem gegenständlichen Fall verfehlten Wirkung, die Loos auf die falsche Färbung des an den Marmor angrenzenden Stuck zurückführte. In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, dass es keine überlieferten Kommentare über den üppigen Einsatz von Kunstmarmor im Vestibül gibt, während der echte Marmor im Kassensaal von Loos selbstverständlich charakterisiert wird.

Während die Fassade und die Dachgestaltung eher schlecht abschneiden, wird die Innenausstattung als “auffallend gut“und hochwertig apostrophiert. Loos sagte die Funktionalität der Möblierung, Beleuchtungskörper und Glaserarbeiten zu, die keinen künstlerischen Ausdruck anstrebten, sondern lediglich der Befriedigung praktischer Bedürfnisse unterworfen seien. Wie die Aufzeichnungen belegen, waren ihm die Namen der herstellenden Firmen durchwegs geläufig. Bei seinen Führungen sowie in den Kursen, die Adolf Loos für seine Bauschüler veranstaltete, widmete der Architekt der Anlage von Stiegenhäusern und Geländern besondere Aufmerksamkeit. Die von Gotthilf und Neumann geplante Feststiege wies Loos zufolge alle Kennzeichen der Monumentalität auf: Einzigartigkeit im Gebäude, wie etwa die Trennung von Fest- und Bürostiegen mit jeweils selbständiger motivischer Gestaltung; Überdachung des Stiegenhauses als selbständigen Gebäudeteil sowie Einsatz hochwertiger Materialien.

Die von Loos besichtigte Feststiege wurde bereits 1923 abgetragen, um das obere Oktogon als zweigeschoßigen Fest- und Sitzungssaal zu erweitern. Auch die links des Vestibüls gelegene Hauptstiege erregte Loos' Aufmerksamkeit, da er im Treppengeländer ein japanisches Motiv entdeckte, auf das er die Teilnehmer seiner Führung hinweist. Loos hatte seit seiner ersten Begegnung mit traditioneller japanischer Architektur während der Weltausstellung in Chicago (1893) in seinen eigenen Interieurs ohne strenge Systematik gelegentlich japanische Anklänge verwendet. Ein Beispiel dafür ist die Teilung der Fenster des großen Salons in der Villa Müller (Prag).

Zum Zeitpunkt der Führungen für seine Bauschule arbeitete Loos selbst an der Gestaltung einer Bank, nämlich der Filiale der Anglo-Österreichischen Bank am Neubau (Mariahilferstraße 70), wo er in einem bestehenden Gebäude Bankräumlichkeiten einzurichten hatte. Die Errichtung eines eigenständigen Bankhauses blieb Loos jedoch versagt, obwohl dazu Projekte von ihm vorlagen, unter denen sich beispielsweise die Gestaltung eines Gebäudes für die k.k. privilegierte allgemeine Verkehrsbank auf der Mariahilfer Straße befand.

1910 veröffentlichte Adolf Loos einen Essay mit dem schlichten Titel "Architektur". Darin formulierte er einen klassisch gewordenen Satz in Bezug auf ein Bankgebäude, wie er ihn am Beispiel des hier besprochenen Hauses des Wiener Bankvereins verwirklicht sah: "Das Bankhaus muss sagen: hier ist dein Geld bei ehrlichen Leuten fest und gut verwahrt.“

Zur neunten Führung

Quelle

  • Mitschrift zu Stadtführungen im Rahmen der Bauschule Adolf Loos. Wien, 1913-1914 / Wienbibliothek im Rathaus, ZPH 1442, schriftlicher Teilnachlass Adolf Loos, 1.4.20, Blatt 17-18

Literatur

  • Harald Stühlinger: Adolf Loos als Führer zu Architektur und Städtebau. In: Adolf Loos. Schriften, Briefe, Dokumente aus der Wienbibliothek im Rathaus. Hg. von Markus Kristan, Sylvia Mattl-Wurm und Gerhard Murauer. Wien: Metroverlag 2018, S. 223 f.
  • Burkhardt Rukschcio / Roland Schachel: Adolf Loos. Leben und Werk. Salzburg: Residenz Verlag 1982, S. 187 ff.