Magistratsbeamte

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Daten zum Begriff
Art des Begriffs Berufsbezeichnung
Andere Bezeichnung
Frühere Bezeichnung
Nachweisbar von
Nachweisbar bis
Objektbezug Magistrat, Langes 19. Jahrhundert, NS-Zeit, 1945 bis heute, Rathaus, Frühe Neuzeit
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
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Letzte Änderung am 23.04.2024 durch WIEN1.lanm08uns

Die Entfaltung des Behördenwesens in Wien lässt sich anhand der seit 1702 erscheinenden Jahrgänge des Amtskalenders erforschen. 1726 gab es 13 verschiedene (dem Inneren Rat unterstellte) Ämter mit insgesamt 197 Beamten; an der Spitze stand das Oberkammeramt (Finanzen), außerdem sind das Unterkammeramt (Bauangelegenheiten), Steueramt, Ungeldamt (Getränkesteuern), Grundbuchsamt, Totenbeschreibamt, die Pupillenraitkammer (Verrechnung der Waisengelder) und die Kanzlei zu nennen; bis 1741 kamen das Kasten- und Proviantamt, das Metzenleihamt und das Totenbahrausleiheramt hinzu.

Aufgrund der Magistratsreform Josephs II. vom 16. August 1783 kam es in den damals gebildeten drei Senaten zur Systemisierung von 42 Räten (Magistratsrat), denen zwölf Sekretäre, fünf Ratsprotokollisten, ein "Protokollist Exhibitorum" mit drei Adjunkten, ein Expeditor mit zwei Adjunkten, ein Registrator mit acht Registranten, 30 Kanzlisten und 20 Gerichtsdiener zur Seite standen. Die Beamten der drei Senate hatten einen gemeinsamen Status hinsichtlich Anstellung und Vorrückung; das Ernennungsrecht der Beamten lag mit Ausnahme der Magistratsräte beim Magistrat. Die Zeit der Napoleonischen Kriege war für die Beamten deshalb besonders schwierig, weil ihnen die Teuerung nicht entsprechend abgegolten wurde. Am 1. November 1814 erhielten die Hof- und Staatsbeamten (wegen des Wiener Kongresses) einen 100prozentigen Teuerungszuschlag zu ihren Bezügen, jene in Wien für die Dauer des Kongresses zusätzlich weitere 30%. Am 1. Juli 1815 wurde eine neuerliche Zulage in Höhe von 150% bewilligt.

1833 gab es 59 Magistratsräte und 24 Magistratssekretäre, 1839 bereits 76 Magistratsräte und 30 Magistratssekretäre; die drei Gehaltsklassen sahen eine Entlohnung von 1.400, 1.600 beziehungsweise 1.800 Gulden jährlich vor, außerdem war für die beiden ältesten Räte jedes Senats eine Dienstalterzulage vorgesehen (2.000 Gulden jährlich). Ab 1848 bestimmte der Bürgerausschuss beziehungsweise der Gemeinderat die Zahl und die Bezüge der Magistratsbeamte. Sie erhielten neben der Besoldung Quartiergeld und Pensionsberechtigung. Die Zahl der Magistratsbeamten stieg nach 1848 und 1892 (wachsender Verwaltungsaufwand infolge der Kompetenzerweiterungen und der räumlichen Erweiterung des Stadtgebiets) entsprechend an (allein unter Bürgermeister Lueger von 4.760 auf 25.151). 1990 gab es 29.379 Magistratsbeamte (beamtete Angestellte und Arbeiter). 2015 beschäftigte der Magistrat (inklusive der Unternehmungen "Wiener Krankenanstaltenverbund" und "Wiener Wohnen") rund 65.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, davon knapp die Hälfte beim Krankenanstaltenverbund.

Das dienstliche Verhältnis der Magistratsbeamten wird durch die Dienstpragmatik geregelt (Gemeinderatsbeschluss vom 19. November und 1. Dezember 1869); damals wurde festgesetzt, dass Magistratsbeamte nebenbei weder in einem anderen dienstlichen Verhältnis stehen noch die juristische Praxis ausüben dürfen. Hinsichtlich der Pensionierung galten die für Staatsbeamte der Verwaltungsbehörden geltenden Vorschriften. Mit Gemeinderatsbeschluss vom 30. April 1872 wurde für die Magistratsbeamten ein eigenes Pensionsnormale erlassen.

In der Zeit des Nationalsozialismus diente neben zahlreichen Erlässen die "Verordnung zur Neuordnung des österreichischen Berufsbeamtentums", die am 1. Juni in Kraft trat, der weiteren Gleichschaltung der öffentlichen Bediensteten. Sie galt explizit sowohl für Personen in einem öffentlich-rechtlichen als auch in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zur Stadt Wien und sah folgende Eckpunkte vor:

  • Entfernung aller Jüdinnen und Juden, "jüdischen Mischlinge" und mit einer Jüdin/einem Juden verheiratete Personen aus dem öffentlichen Dienst (§ 3)
  • Kündigung oder Ruhestandsversetzung von Personen, "die nach ihrem bisherigen politischen Verhalten nicht die Gewähr dafür bieten, daß sie jederzeit rückhaltlos für den nationalsozialistischen Staat eintreten" (§ 4)
  • weitgehende Versetzungsmöglichkeiten auf andere Dienstposten (§ 5)
  • Möglichkeit der Rückgängigmachung von Ernennungen zwischen März 1933 und März 1938, "bei denen die politische Einstellung wesentlich mitgewirkt hat" (§ 5)
  • Möglichkeit der frühzeitigen Ruhestandsversetzung von Bediensteten "zur Vereinfachung der Verwaltung oder im Interesse des Dienstes" (§ 6)
  • Beantwortung von Fragen zur Abstammung und zur bisherigen politischen Betätigung (§ 9)

Wie in § 9 der Verordnung angekündigt, mussten alle Bediensteten umfangreiche Personalfragebögen ausfüllen. Anlage A erfasste neben Schulausbildung und Militärdienst auch die frühere Zugehörigkeit zu Parteien, Verbänden, Logen und Gewerkschaften, Anlage B die "Abstammung" der Eltern und Großeltern.

2018 galten das 1995 beschlossene Pensionsrecht (Pensionsordnung 1995) und das 1994/1995 beschlossene Dienstrecht (Dienstordnung 1994, Vertragsbedienstetenordnung 1995; jeweils mit Novellierungen), das auf ältere Rechtsnormen aufbaut. Das geltende Besoldungsrecht wurde 1994 vom Wiener Landtag beschlossen und seither ebenfalls mehrfach novelliert. Gemäß der Amtstitelverordnung 1994 haben die Magistratsbeamten nur mehr in höheren Dienstklassen Anspruch auf einen Amtstitel. Für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die ab 2018 in den Dienst der Stadt Wien eintreten, gilt jedoch ein neues Besoldungssystem und ein geändertes Dienstrecht. Dieses sieht unter anderem ein objektives, gendergerechtes, diskriminierungsfreies und transparentes Bewertungssystem, funktionsorientierte Entlohnung, die Integration von Zulagen und Nebengebühren in den Funktionsbezug sowie höhere Einstiegsgehälter und abgeflachte Gehaltskurven vor und soll verstärkte Durchlässigkeit und Mobilität im Magistrat gewährleisten.

Quellen

  • Kundmachung des Herrn Reichsstatthalters in Österreich, wodurch die Verordnung zur Neuordnung des österreichischen Berufsbeamtentums vom 31. Mai 1938 bekanntgemacht wird (Gesetzblatt für das Land Österreich 160/1938)

Literatur

  • Christian Mertens [Hg.]: "Wir wissen es, daß diese Beamtenschaft ihre Pflicht auch im neuen Wien tun wird." Die Wiener Stadtverwaltung 1938. Wien: Metroverlag 2018
  • Brigitte Rigele: Entnazifizierung beim Magistrat der Stadt Wien. In: Entnazifizierung im regionalen Vergleich. Hg. von Walter Schuster, Wolfgang Weber. Linz: Archiv der Stadt Linz 2004, S. 323-335.

Weblinks