Ilsa Barea

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Daten zur Person
Personenname Barea, Ilsa
Abweichende Namensform Barea-Kulcsar, Ilse; Pollak, Ilse Wilhelmine Elfriede
Titel
Geschlecht weiblich
PageID 3254
GND 116056398
Wikidata Q1390965
Geburtsdatum 20. September 1902
Geburtsort Wien 4066009-6
Sterbedatum 1. Jänner 1973
Sterbeort Wien 4066009-6
Beruf Journalistin, Übersetzerin, Autorin, Dolmetscherin
Parteizugehörigkeit Sozialistische Partei Österreichs, Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP), Kommunistische Partei Österreichs
Ereignis
Nachlass/Vorlass Archive of Arturo and Ilsa Barea / Oxford, Bodleian Libraries
Objektbezug
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien, Gedenktage
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Recherche
Letzte Änderung am 20.11.2023 durch WIEN1.lanm09krs
Begräbnisdatum 15. Jänner 1973
Friedhof Zentralfriedhof
Grabstelle Gruppe 31A, Reihe 1, Nummer 6
  • 7., Apollogasse 19 (Sterbeadresse)
  • 10., Bernhardtstalgasse 38 (Wohnadresse)
Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft

  • Josef-Luitpold-Stern-Preis (Übernahme: 1970)


Ilsa Barea, * 20. September 1902 Wien, † 1. Jänner 1973 Wien, Autorin, Journalistin, Übersetzerin.

Biografie

Als Ilse Wilhelmine Elfriede Pollak in Wien geboren, war sie das ältestes von drei Kindern des sozialdemokratischen Gymnasiallehrers und Fortschrittspädagogen Valentin Pollak und dessen Ehefrau Alice von Ziegelmayer. Ihre Schwester Lotte, verehelichte Eskelund, (1910–1995) heiratete einen Diplomaten und ging mit ihm nach Dänemark. Der Bruder William Henry Valentin Pernod (1905–1982) emigrierte nach Australien. Eine Schwester ihrer Mutter, Helene von Zieglmayer, war mit dem Wiener Polizeipräsidenten Johannes Schober verheiratet.

Ilse Pollak besuchte die fortschrittliche Schwarzwaldschule, an der auch ihr Vater einige Jahre lang unterrichtet hatte, und studierte von 1920 bis 1928 an der Fakultät für Politik- und Rechtswissenschaften der Universität Wien. Schon als Schülerin war sie in der sozialistischen Mittelschülerbewegung aktiv, fungierte als Redakteurin des Wochenblattes "Die sozialistische Jugend" und gehörte später auch der sozialistischen Arbeiterjugend an. Ab 1921 engagierte sie sich für die KPÖ und lernte dabei den Bankbeamten Leopold Kulcsar (9. September 1900–28. Jänner 1938) kennen, den sie 1922 heiratete. Das Ehepaar Kulcsar war fortan gemeinsam politisch aktiv. Im Sommer 1925 wurden Ilse Kulcsar, ihr Ehemann sowie ein weiterer Mann in Budapest verhaftet und wegen Spionage und Gefährdung der Staatssicherheit Ungarns angeklagt. Anfang April 1926 wurden die drei Angeklagten freigesprochen, des Landes verwiesen und kehrten nach Österreich zurück. Während der Zeit ihrer Inhaftierung kam es zum Bruch mit der KPÖ, von der sie keinerlei Unterstützung erfahren hatten, und das Ehepaar Kulcsar trat wieder in die Sozialdemokratische Arbeiterpartei ein.

Ilse Kulcsar war fortan vor allem im Bildungsbereich der Partei, als Wanderlehrerin, tätig. Sie war eine begabte Rednerin und hielt zahlreiche Vorträge. Zudem verfasste sie Essays, die in parteinahen Organen wie beispielsweise der Arbeiterzeitung und der Roten Revue erschienen. Entschieden trat sie gegen Austrofaschismus und Nationalsozialismus auf. Regierungskritische Reden im Frühling 1933 brachten ihr zehn Tage Arrest ein. Ilse Kulcsar und ihr Ehemann waren ab diesem Zeitpunkt im politischen Untergrund tätig, gaben eine konspirative Wochenschrift heraus und waren an der Gründung der Widerstandsgruppe "Neu Beginnen" beteiligt. Zu den Mitgliedern der Gruppe, die nach den Februarkämpfen 1934 unter den Bezeichnungen "Gruppe Funke", "Funkegruppe" oder "Der Funke" auftrat, zählten auch Franz Borkenau, Joseph Buttinger und Muriel Gardiner.

Im Dezember 1934 wurden die illegalen Aktivitäten des Ehepaares aufgedeckt und Ilse und Leopold Kulcsar flohen in die Tschechoslowakei. Im Brünner Exil war Ilse Kulcsar Chefredakeurin der "Sozialistischen Tribüne" und es kam zur Trennung von ihrem Ehemann. Mit dem Ziel, als Journalistin über den Spanischen Bürgerkrieg zu berichten, ging Ilse Kulcsar im Oktober 1936 nach Paris und reiste von dort aus nach Spanien weiter. Tatsächlich war sie nur kurze Zeit journalistisch tätig und wurde aufgrund ihrer Sprachkenntnisse rasch in die Zensurstelle für die Auslandspresse rekrutiert, die vom Schriftsteller Arturo Barea geleitet wurde. Ilse Kulcsar beherrschte Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch und später auch Spanisch, dazu kamen Kenntnisse in weiteren Sprachen. Kulcsar und Barea wurden ein Paar und nach dem frühen Tod ihres ersten Ehemannes ging Ilse Kulcsar im Februar 1938 die Ehe mit Arturo Barea ein.

In Spanien galt Ilse Kulcsar als politisch suspekt und wurde mehrfach der Spionage verdächtigt, weshalb sie im Februar 1938 mit ihrem nunmehrigen Ehemann Arturo Barea das Land verließ und nach Paris ging. Sie hielt sich mit Übersetzungen und Gelegenheitsarbeiten über Wasser und schrieb an ihrem einzigen Roman "Telefónica", der erst zehn Jahre später als Fortsetzungsroman in 70 Folgen in der Arbeiterzeitung erscheinen sollte. Ein Jahr später, im Februar 1939, reiste das Ehepaar nach Großbritannien und von September 1939 bis zum Kriegsende war Ilsa Barea für den britischen Abhördienst tätig, für den sie den deutschen Funk abhörte. Zusätzlich hielt sie ihre Familie – im August 1939 kamen ihre Eltern nach Großbritannien, Valentin Pollak war aufgrund seiner jüdischen Abstammung in Wien besonders gefährdet – mit Übersetzungsarbeiten und Vortragstätigkeiten finanziell über Wasser. Sie übertrug beispielsweise die autobiografische Romantrilogie ihres Ehemannes ins Englische. 1948 nahm Ilsa Barea die britische Staatsbürgerschaft an, trat in die Labour Party ein und wurde wieder politisch aktiv. Nach dem Tod ihres Ehemannes im Dezember 1957 war sie verstärkt auch wieder journalistisch tätig, schrieb für österreichische und deutsche Medien und arbeitete auch für die BBC.

Ab den frühen 1960er Jahren hielt sich Ilsa Barea wieder häufiger in Österreich auf und bot im Rahmen der Fortbildungsprogramme des ÖGB Kurse an. 1965 kehrte sie endgültig nach Wien zurück und nahm erneut die österreichische Staatsbürgerschaft an. Sie wurde Bildungsfunktionärin der Sektion 21 der SPÖ Favoriten, Mitglied des Bezirksbildungsausschusses, hielt Vorträge für Gewerkschaften und verfasste Kurztexte für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften. Bereits in den 1950er Jahren hatte sie an einer Kulturgeschichte Wiens zu arbeiten begonnen, die 1966 unter dem Titel "Vienna. Legend and Reality" erschien und 2021 erstmals in einer deutschen Übersetzung herausgegeben wurde.

Im November 2021 wurde an der Fassade des Gemeindebaus in der Bernhardtstalgasse 38 eine Gedenktafel angebracht, die an die Journalistin und Autorin erinnert.


Werke (Auswahl)

  • Ilsa Barea: Die Großmächte der Finanz und Industrie. Konkurrenz und Monopol im modernen Kapitalismus. Wien: Wiener Volksbuchhandlung 1930
  • Arturo Barea: Lorca. The poet and his people. Transl. from the Spanish by Ilsa Barea. London: Faber & Faber 1944
  • Ilsa Barea: Vienna. Legend and reality. London: Secker and Warburg 1966
  • Arthur Schnitzler: Casanova's return to Venice. Transl. from the German by Ilsa Barea. London: Pushkin Press 2013
  • Ilsa Barea: Telefónica. Hg. und mit einem Nachwort versehen von Georg Pichler. Wien: Edition Atelier [2019]
  • Ilsa Barea: Wien. Legende & Wirklichkeit. Hg. von Julia Brandstätter und Gernot Trausmuth. Wien: Edition Atelier 2021

Quellen

Literatur

  • Gaál/Franz: Gedenken an Ilse Barea-Kulcsar. In: Rathauskorrespondenz, 13.11.2021
  • Georg Pichler: Mittendrin. Ilsa Barea-Kulcsar als Übersetzerin und Kulturmittlerin – eine biografische Spurensuche. In: ¿Pasarán?. Kommunikation im Spanischen Bürgerkrieg Interacting in the Spanish Civil War. Hg. von Julia Kölbl, Iryna Orlova und Michaela Wolf. Wien / Hamburg: new academic press 2020, S. 166–179
  • Georg Pichler: Nachwort. In: Ilsa Barea-Kulcsar: Telefónica. Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Georg Pichler. Wien: Edition Atelier [2019], S. 299–335
  • Ilse Korotin [Hg.]: biografiA. Lexikon österreichischer Frauen. Band 2. Wien / Köln / Weimar: Böhlau 2016, S. 1840 f.
  • Werner Röder [Hg.]: Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933. International biographical dictionary of Central European émigrés 1933 – 1945. München: Saur 1980 (Kulcsar)
  • Josef Fraenkel: The Jews of Austria. London: Vallentine 1967, S. 183

Weblinks