Günter Brus

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Daten zur Person
Personenname Brus, Günter
Abweichende Namensform
Titel
Geschlecht männlich
PageID 67335
GND 118516329
Wikidata Q677218
Geburtsdatum 27. September 1938
Geburtsort Ardning (Steiermark)
Sterbedatum 10. Februar 2024
Sterbeort
Beruf Aktionskünstler, Schriftsteller, Zeichner
Parteizugehörigkeit
Ereignis
Nachlass/Vorlass Landesmuseum Joanneum Graz
Objektbezug Wiener Aktionismus, 1945 bis heute
Quelle Gedenktage, Gedenktage-GW
Export RDF-Export (Resource Description Framework) RDF
Recherche
Letzte Änderung am 12.02.2024 durch WIEN1.lanm09lue
Begräbnisdatum
Friedhof
Grabstelle

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Familiäre Beziehung
  • ist verheiratet oder verpartnert mit Anna Brus
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft
  • Mitglied im Österreichischen Kunstsenat

  • Großes Goldenes Ehrenzeichen des Landes Steiermark mit dem Stern (Übernahme: 2013)
  • Oskar Kokoschka Preis (Übernahme: 2004)
  • Großer Österreichischer Staatspreis (Übernahme: 1996)
  • Kunstpreis der Stadt Graz (Übernahme: 1986)
  • Preis der Stadt Wien (Übernahme: 1986)
  • Österreichischer Kunstpreis für Bildende Kunst (Übernahme: 1981)
  • Ehrenzeichen des Landes Steiermark für Wissenschaft, Forschung und Kunst (Übernahme: 14. November 2018)


Günter Brus, * 27. September 1938 Ardning (Steiermark), † 10. Februar 2024, Aktionskünstler, Bilddichter, Zeichner, Schriftsteller.

Biografie

Günter Brus kam in Ardning in der Obersteiermark auf die Welt und wuchs in Mureck an der slowenischen Grenze auf. Die ersten Jahre verbrachte er bei seinen Großeltern, ehe ihn seine Eltern zu sich in die Südoststeiermark holten. Nach der Volks- und Hauptschule besuchte Günter Brus – unterstützt von einer Nachbarin, die sein künstlerisches Talent erkannte – von 1954 bis 1958 die Kunstgewerbeschule in Graz. Anschließend wurde er an der Akademie für angewandte Kunst in Wien aufgenommen. Zunächst studierte er in der Grafikklasse bei Professor Schwarz, rasch wechselte er jedoch in die Malereiklasse zu Eduard Bäumer, in der auch Bruno Gironcoli, Christian Ludwig Attersee und Alfons Schilling eingeschrieben waren. Die Akademie für angewandte Kunst erlebte Günter Brus als sehr konservativ und verließ sie 1960 aufgrund von Konflikten, ohne einen Abschluss zu machen. Im selben Jahr reiste er gemeinsam mit Alfons Schilling nach Mallorca und besuchte die Biennale in Venedig. Wieder in Wien wurden seine Werke ab 1961 in Ausstellungen gezeigt, beispielsweise in der Galerie Junge Generation. Unterbrochen durch den Grundwehrdienst und einem kürzeren Aufenthalt bei seinen Eltern in der Steiermark, setzte Günter Brus ab 1962 seine künstlerische Arbeit in Wien fort.

Wenngleich sein Œuvre weit darüber hinausgeht, ist der Name Günter Brus noch heute untrennbar mit dem "Wiener Aktionismus" verbunden. Gemeinsam mit Otto Mühl, Hermann Nitsch und Rudolf Schwarzkogler zählt er zu den zentralen Protagonisten dieser künstlerischen Bewegung, die in Österreich zu den radikalsten des 20. Jahrhunderts gehörte. Zunächst noch im Bereich der informellen Malerei und Aktionsmalerei tätig, trat Günter Brus von 1964 bis 1970 mit Aktionen zunehmend extremer werdender Körperkunst in Erscheinung. Seine erste Kunstaktion, in der er den Körper als künstlerisches Medium einsetzte, trug den kroatischen Namen seiner Frau, "Ana". Es folgten Aktionsserien mit den programmatischen Titeln "Selbstbemalung" (ab 1964) und "Selbstverstümmelung" (ab 1965). Zu seinen bekanntesten Arbeiten zählt die öffentliche Aktion "Wiener Spaziergang" (1965), bei der er – im Anzug, vollkommen weiß bemalt, eine schwarze Linie zieht sich vom Kopf bis zum rechten Fuß – durch die Wiener Innenstadt promenierte. Die Intervention im öffentlichen Raum wurde rasch unterbrochen und der Künstler wegen Störung der öffentlichen Ordnung mit einer Geldstrafe belegt.

Im Umbruchsjahr 1968 fand jene Aktion statt, die Günter Brus in ganz Österreich bekannt machte. Unter dem Titel "Kunst und Revolution" führte er gemeinsam mit Otto Mühl, Oswald Wiener und Peter Weibel im Hörsaal 1 des Neuen Institutsgebäudes der Universität Wien jene berühmt gewordene Aktion aus, die durch das Brechen zahlreicher Tabus (wie beispielsweise Nacktheit, öffentliches Defäkieren und Urinieren, Masturbieren und Erbrechen unter Einbeziehung der österreichischen Flagge und Bundeshymne) provozierte. Wenige Tage später von Boulevardmedien als "Uni-Ferkelei" angeprangert, wurde die Aktion der breiten, nicht notwendigerweise kunstaffinen Öffentlichkeit bekannt und rief teils zornige Reaktionen hervor. Es folgten polizeiliche Einvernahmen, Untersuchungshaft, Prozess und eine Verurteilung wegen "Herabwürdigung staatlicher Symbole" zu einer Haftstrafe von sechs Monaten. Was heute als "der" künstlerische Beitrag schlechthin zur 1968-Bewegung in Österreich gesehen wird, veranlasste Günter Brus dazu, das Land zu verlassen. Nachdem die Berufung des Urteils abgelehnt wurde und er massiven Anfeindungen ausgesetzt war, verließ er mit seiner Familie fluchtartig Wien und ging nach Berlin. Dort gründete er unter anderem 1969 mit Oswald Wiener und Gerhard Rühm die "Österreichische Exilregierung" und gab bis 1974 die in limitierter Auflage erscheinende Zeitschrift "Die Schastrommel. Organ der österr. Exilregierung" heraus. 1970 veranstaltete er mit der Aktion "ZERREISSPROBE" (bei der er sich mit einer Rasierklinge Wunden zufügte, sie mit Urin übergoss, sich anschließend blutend und leidend am Boden wand) in München die letzte seiner radikalen Körperaktionen. Von 1964 bis 1970 hatte er rund 40 solcher "Körperanalysen" ausgeführt.

Es folgte eine Aufarbeitung der "Körperanalysen" und der Reaktionen auf "Kunst und Revolution" in einer Mischung aus Texten und Zeichnungen. Stand bis 1970 das Ausloten der Grenzen von Malerei und – in Verbindung damit – der Körperlichkeit im Zentrum, widmete sich Günter Brus in den folgenden Jahren primär dem Zeichnen und der Verknüpfung von Text und Bild. Ab 1976 erschienen zahlreiche lyrische Arbeiten und Bild-Text-Zyklen, die als "Bild-Dichtungen" eine eigene Ausdrucksform darstellen. 1979, wenige Jahre nachdem seine Haftstrafe in eine Geldstrafe umgewandelt worden war, übersiedelte Günter Brus mit seiner Familie nach Graz. Seither schuf er Zeichnungen, Bild-Dichtungen, lyrische Texte und Romane. Er gestaltete Bühnenbild- und Kostümentwürfe, wie beispielsweise für Gerhard Roths "Erinnerungen an die Menschheit" beim Steirischen Herbst 1985. Viele seiner schriftstellerischen Werke sind stark autobiografisch geprägt, insbesondere die Romane "Die gute alte Zeit" (Jung und Jung, 2002) und "Das gute alte Wien" (Jung und Jung, 2007).

Gesundheitlicher Probleme in den vergangenen Jahren ungeachtet, arbeitet er in Graz und Wien. Von September 2016 bis März 2017 wurde in Graz die Schau "Schneckenhaus und Glitzerstein. Märchenhaftes und Kinderleichtes von Günter Brus" gezeigt, eine Ausstellung für Kinder, in der Bücher, Spiele und Bilder gezeigt wurden, die Günter Brus für seine Tochter gestaltet hat. Im Jahr darauf war die Schau "Schiele – Brus – Palme. Absturzträume" zu sehen. Anlässlich seines 80. Geburtstages widmete ihm das Belvedere 21 2018 eine umfassende Retrospektive mit dem Titel "Unruhe nach dem Sturm“. Viele der Ausstellungen jüngeren Datums wurden von Publikationen begleitet.

Günter Brus arbeitete im Laufe seiner künstlerischen Karriere mit vielen Größen der heimischen und internationalen Kunstszene zusammen und nahm an hunderten Ausstellungen und Veranstaltungen in Europa, Australien und den USA teil, darunter ist die mehrmalige Teilnahme an der documenta (1972 mit Performance-Aktion; 1977 und 1982 mit je einer Zeichnung) und der Biennale in Venedig (1980) zu nennen.

Dem einstigen "enfant terrible" wurden zahlreiche Preise und Auszeichnungen zuerkannt. 2011 erfolgte mit dem BRUSEUM die Fertigstellung eines ihm gewidmeten Museums im Landesmuseum Joanneum in Graz. Sein literarischer Vorlass wurde 2009 durch das Land Steiermark angekauft. Günter Brus war Mitglied im Österreichischen Kunstsenat.

Literatur


Günter Brus im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.

Weblinks