Gerhard Roth

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Gerhard Roth, 2003
Daten zur Person
Personenname Roth, Gerhard
Abweichende Namensform
Titel
Geschlecht männlich
PageID 37286
GND 118841750
Wikidata Q94273
Geburtsdatum 24. Juni 1942
Geburtsort Graz
Sterbedatum 8. Februar 2022
Sterbeort Graz
Beruf Schriftsteller
Parteizugehörigkeit
Ereignis
Nachlass/Vorlass Franz-Nabl-Institut für Literaturforschung, Graz
Objektbezug
Quelle Gedenktage, Gedenktage-GW
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Recherche
Letzte Änderung am 12.07.2023 durch DYN.krabina
Begräbnisdatum
Friedhof
Grabstelle
Bildname Gerhard Roth.jpg
Bildunterschrift Gerhard Roth, 2003

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Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft
  • Literaturpreis des Landes Steiermark (Verleihung: 1976)
  • Erster Preis der Bestenliste des Südwestfunks Baden Baden (Verleihung: 1978)
  • Alfred Döblin-Preis für epische Werke (Verleihung: 1983)
  • Österreichischer Würdigungspreis für Literatur (Verleihung: 1990)
  • Preis der Stadt Wien für Literatur (Verleihung: 1992)
  • Peter Rosegger-Literaturpreis des Landes Steiermark (Verleihung: 1994)
  • Ehrenpreis des Österreichischen Buchhandels für Toleranz in Denken und Handeln (Verleihung: 1994)
  • Romy Jurypreis (Verleihung: 1994)
  • Bruno-Kreisky-Preis für das politische Buch (Verleihung: 2002)
  • Goldenes Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien (Verleihung: 10. September 2002, Übernahme: 12. Februar 2003)
  • Willy und Helga Verkauf-Verlon-Preis (Verleihung: 2004)
  • Großes Goldenes Ehrenzeichen des Landes Steiermark (Verleihung: 2002)
  • Großer Österreichischer Staatspreis für Literatur (Verleihung: 2016)
  • Hoffmann-von-Fallersleben-Preis (Übernahme: 2016)


Gerhard Roth, * 24. Juni 1942 Graz, † 8. Februar 2022 Graz, Schriftsteller, Drehbuchautor.

Biografie

Gerhard Roth wurde als zweiter von drei Söhnen des Ehepaares Emil und Erna Roth geboren. Der Vater war zu dieser Zeit Arzt am Landeskrankenhaus Graz, seine Mutter ebendort Krankenschwesterschülerin. Nach einer Schullaufbahn als "schlechter Schüler" mit jährlichen Nachprüfungen legte Gerhard Roth 1961 die Matura am Grazer Lichtenfelsgymnasium ab. Er studierte zunächst Medizin, brach das Studium jedoch 1967 ab und nahm eine Stelle als Operator im Computerrechenzentrum Graz an, wo er es bis zum Abteilungsleiter brachte. In diesem Kontext kam es auch zu Roths erster Buchpublikation, nämlich die mit seinem Kollegen Bernhard Lernpeiss verfasste "Einführung in die elektronische Datenverarbeitung" (1971). Seit 1977 lebt Roth als freier Schriftsteller. Er hat drei Kinder, wobei seine Tochter bereits 1960, das heißt als Roth noch zur Schule ging, zur Welt kam; der jüngste Sohn ist der Regisseur und Filmemacher Thomas Roth.

Nachdem die Literaturzeitschriften "protokolle" (1970) und "manuskripte" (1971) erste literarische Texte von Roth veröffentlicht hatten, erschienen 1972 gleich zwei Bücher beim Suhrkamp-Verlag: "die autobiographie des albert einstein" und "Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs und andere Romane". Gemeinsam mit Wolfgang Bauer unternahm Roth 1972 und 1973 zwei Reisen in die USA, deren Weite im Gegensatz zu der von ihm empfundenen Enge in Österreich stand und ihn sehr inspirierte. Bei diesen Aufenthalten begann er auch, seinen Fotoapparat wie ein Notizbuch zu verwenden. Von 1973 bis 1978 war er Mitglied der Grazer Autorenversammlung. 1977 wechselte Roth mit seinem damaligen Lektor Thomas Beckermann vom Suhrkamp-Verlag zum S. Fischer-Verlag in Frankfurt am Main, wo sein Werk seither betreut wird.

In seinen ersten Romanen experimentierte Roth mit der Erzählbarkeit von Wahrnehmungen, die keinerlei Objektivität beanspruchen. Diese Werke gehören in den Kontext der Polemik gegen das Erzählen, von der die österreichische Literatur zu Beginn der 1970er Jahre geprägt war. Roths Protagonisten sehen die Welt mit einem durch Krankheit geschärften Blick, der sie die Alltagswirklichkeit als defekt erfahren lässt. Die folgenden Texte sind formal traditioneller, das Thema des Ausbruchs aus einem problembehafteten Alltag bleibt jedoch in den in karger, fast kalter Sprache geschriebenen "Reiseromanen" "Der große Horizont" (1974), "Ein neuer Morgen" (1976) und "Winterreise" (1978) stets aktuell. Auch der "Stille Ozean" (1980) zählt zu diesen Werken, wenn auch die Reise nur mehr in die österreichische Provinz, in "eine Welt der Tollwut und der Mörder", und keineswegs an den Pazifik führt. Der "Stille Ozean" war zugleich der Auftakt zu dem Werkzyklus "Die Archive des Schweigens", der um das Leben in der Provinz kreist, das nicht als alternatives Landleben, sondern als entbehrungsreich, gleichförmig und voll von latenter bis offener Aggression gezeichnet wird. Das Schweigen, auf das Roth bei seiner spurensichernden Arbeitsweise stößt, ist dabei besonders mit der Verstrickung der österreichischen Bevölkerung in die Verbrechen des Nationalsozialismus verbunden.

Nach Abschluss der "Archive des Schweigens" erschienen von 1995 bis 2011 acht Bücher, die Roth zu seinem zweiten großen Zyklus unter dem Titel "Orkus" zusammenfasste. Beide Zyklen sind sowohl thematisch und motivisch als auch durch wiederkehrende Figuren auf komplexe Weise miteinander verknüpft, wofür Roth das Bild der Doppelhelix ins Treffen führte. Was die Schauplätze und Handlungsräume betrifft, so geht es von der südsteirischen Provinz über Wien in die Welt hinaus. Die Wege der Protagonisten führen etwa nach Griechenland auf den Berg Athos ("Der Berg", 2000) oder nach Ägypten ("Der Strom", 2002). In "Der Plan" (1998) nimmt die Hauptfigur Dr. Konrad Feldt, beamteter Bibliothekar der Nationalbibliothek, eine fatale Reise nach Japan auf sich, um seinen Traum eines eigenen Antiquariats verwirklichen zu können. In den nach „Orkus“ erschienenen Romanen "Grundriss eines Rätsels" (2014), "Die Irrfahrt des Michael Aldrian" (2017), "Die Hölle ist leer – die Teufel sind alle hier" (2019) und "Es gibt keinen böseren Engel als die Liebe" (2021) spielt wiederum Venedig eine zentrale Rolle. Für Roths Gesamtwerk gilt, dass es durch eine intensive Reise- und Recherchetätigkeit an den Schauplätzen der Geschichten erarbeitet wurde.

Zu Wien entwickelte Roth ein ambivalentes, aber produktives Verhältnis: "Ich lebe seit 1986", führte er in seiner Rede anlässlich der Verleihung des Ehrenpreises des Österreichischen Buchhandels 1994 aus, "als Korrespondent in eigener Sache in Wien, in dieser zwar schönen, aber unheimlichen, wie vom Zeichner Escher entworfenen Stadt voller Winkelzüge, Doppelbödigkeit, gegenseitiger Händewaschungen, voller fliegender Hacken, unsichtbarer Sesselsägen, nasser Seifen". Ergebnis seiner essayistischen und fotografischen Auseinandersetzung sind die Bücher "Eine Reise in das Innere von Wien" (1991) und "Die Stadt. Entdeckungen im Inneren von Wien" (2009) sowie der Bildband "Im unsichtbaren Wien. Fotografien aus Wien von 1986–2009" (2010).

Roth veröffentlichte neben seinem bedeutenden erzählenden und essayistischen Werk auch Theaterstücke, Fotobände, ein Kinderbuch und Porträts. Außerdem schrieb er Drehbücher, etwa für den dreiteiligen Dokumentarfilm "Menschen in Österreich" (1979), den er mit Ingrid Melzer umsetzte. 1982 adaptierte er gemeinsam mit Walter Kappacher für Regisseur Xaver Schwarzenberger den Roman "Der stille Ozean". Diese Verfilmung wurde 1983 bei den Berliner Filmfestspielen mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet. Weitere Arbeiten an Kinoversionen seiner Veröffentlichungen und selbstständige Drehbücher folgten, so in Kooperation mit Michael Schottenberg und mit seinem Sohn Thomas Roth.

Gerhard Roth erhielt 1992 den Preis der Stadt Wien für Literatur und 2003 das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien, 2016 wurde er schließlich mit dem Großen Österreichischen Staatspreis für Literatur ausgezeichnet.

Werke (Auswahl)

  • Gerhard Roth: die autobiographie des albert einstein. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1972
  • Gerhard Roth: Der Wille zur Krankheit. Roman. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1973
  • Gerhard Roth: Die Archive des Schweigens [Zyklus]. Frankfurt am Main: S. Fischer 1980–1991 (Der Stille Ozean. Roman, 1980; Landläufiger Tod. Roman. Umschlagzeichnung und Illustration von Günter Brus, 1984; Am Abgrund. Roman. Umschlagzeichnung und Illustration von Günter Brus, 1986; Der Untersuchungsrichter. Die Geschichte eines Entwurfs. Roman, 1988; Im tiefen Österreich. Bildtextband, 1990; Die Geschichte der Dunkelheit. Ein Bericht, 1991; Eine Reise in das Innere von Wien. Essays, 1991)
  • Gerhard Roth: Orkus [Zyklus]. Frankfurt am Main: S. Fischer 1995–2011 (Der See. Roman, 1995; Der Plan. Roman, 1998; Der Berg. Roman, 2000; Der Strom. Roman, 2002; Das Labyrinth. Roman, 2004; Das Alphabet der Zeit. [Autobiographie], 2007; Die Stadt. Entdeckungen im Inneren von Wien, 2009; Orkus. Reise zu den Toten, 2011)
  • Gerhard Roth: Im unsichtbaren Wien. Fotografien aus Wien von 1986–2009. Hg. von Daniela Bartens und Martin Behr. In Zusammenarbeit mit dem Franz-Nabl-Institut Graz. Wien [u. a.]: Brandstätter 2010
  • Gerhard Roth: Grundriss eines Rätsels. Roman. Frankfurt am Main: S. Fischer 2014
  • Gerhard Roth: Die Irrfahrt des Michael Aldrian. Roman. Frankfurt am Main: S. Fischer 2017
  • Gerhard Roth: Die Hölle ist leer – die Teufel sind alle hier. Roman. Frankfurt am Main: S. Fischer 2019
  • Gerhard Roth: Es gibt keinen böseren Engel als die Liebe. Roman. Frankfurt am Main: S. Fischer 2021

Literatur

  • Klaus Dermutz: Die Reisen des Gerhard Roth. Erkundungen eines literarischen Kontinents. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag 2017
  • Hans-Jürgen Hinrichs: Reise ins Ungewisse. Hans-Jürgen Hinrichs im Gespräch mit Gerhard Roth. Mit Fotographien von Gerhard Roth. Salzburg: Residenz 2015
  • Wassermann-Preis an Gerhard Roth. In: Der Standard, 22.04.2012 [Stand: 19.05.2017]
  • Jürgen Hosemann [Hg.]: Die Zeit, das Schweigen und die Toten. Materialien zu Gerhard Roths "Die Archive des Schweigens" und "Orkus". Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag 2011
  • Uwe Schütte: Auf der Spur der Vergessenen. Gerhard Roth und seine Archive des Schweigens. Wien: Böhlau 1997 (Literatur und Leben, 50)
  • Marianne Baltl / Christian Ehetreiber [Hg.]: Gerhard Roth. Graz: Droschl 1995
  • Günther Fischer [Hg.]: Gerhard Roth. München: edition text + kritik 1995 (Text + Kritik, 128)
  • Kristina Pfoser-Schewig [Hg.]: Gerhard Roth. Das doppelköpfige Österreich. Essays, Polemiken, Interviews. Mit einem Vorwort von Josef Haslinger und Kommentaren von Gerfried Sperl. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag 1995
  • Uwe Wittstock [Hg.]: Gerhard Roth. Materialien zu "Die Archive des Schweigens". Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag 1992

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