Attentat auf Hugo Bettauer

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Tatortskizze aus dem Strafprozessakt, 1925
Daten zum Ereignis
Art des Ereignisses Anschlag
Datum von 10. März 1925
Datum bis 10. März 1925
Thema
Veranstalter
Teilnehmerzahl
Gewalt Ja
PageID 365576
GND
WikidataID
Objektbezug Hugo Bettauer, Gedenktafel Hugo Bettauer
Quelle
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Letzte Änderung am 7.02.2023 durch WIEN1.lanm08trj
Bildname Bettauer Tatortskizze.jpg
Bildunterschrift Tatortskizze aus dem Strafprozessakt, 1925

Es wurden keine Personen erfasst.

  • 8., Lange Gasse 5-7

Es wurden keine Bezeichnungen erfasst!

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48° 12' 25.48" N, 16° 21' 9.83" E  zur Karte im Wien Kulturgut

Hugo Maximilian Bettauer war einer der meistgelesenen Schriftsteller und Journalisten seiner Zeit. Seine Feuilletons in den Tageszeitungen "Der Morgen" und "Der Tag" waren Verkaufsgaranten. Er schrieb ebenso für viele andere europäische und US-amerikanische Magazine und Tageszeitungen. Gleichzeitig war er auch eine der umstrittensten Persönlichkeiten im Österreich der 1920er Jahre.

Hugo Bettauer als Journalist und Herausgeber

Hugo Bettauer, um 1925

Bettauer war Redakteur und Herausgeber des sehr erfolgreichen Magazins "Er und Sie – Wochenschrift für Lebenskultur und Erotik", was ihm eine Anklage wegen Vergehens gegen das Pressegesetz – gepaart mit unzähligen anderen Schwierigkeiten – einbrachte. "Er und Sie" war so erfolgreich, dass die dritte Nummer bereits eine Auflage von 80.000 Stück erreichte. Nach der fünften (nicht mehr in den Handel gebrachten) Nummer stellte Bettauer das Magazin "Er und Sie" ein, und ersetzte es durch das Magazin "Bettauers Wochenschrift – Probleme des Lebens", das an "Er und Sie" vollinhaltlich anschloss, aber von jeglicher strafrechtlichen Anklage verschont blieb.

Im Oktober 1924 wurden beide Angeklagten im sogenannten "Porno-Prozess gegen Hugo Bettauer und Rudolf Olden" freigesprochen. Dass Trittbrettfahrermagazine wie "Ich und Du" oder "Adam und Eva" von der Staatsanwaltschaft nicht angeklagt wurden, beweist allein schon, dass nicht das Magazin "Er und Sie" im Allgemeinen wegen seiner angeblich pornographischen Beiträge, sondern Bettauer im Speziellen wegen der darin erörterten Themen angeprangert wurde. Dazu gehörten Straffreiheit für Schwangerschaftsabbruch, Homosexualität oder Polyamorie, Enttabuisierung und Entkriminalisierung außerehelichen Sexualkontakts, rechtliche Gleichstellung von Frauen, und vieles mehr. Zudem trat Bettauer entschieden gegen die sexuelle Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen und die daran haftende bürgerliche Doppelmoral auf[1].

Attentat

Bettauers Redaktionszimmer in der Lange Gasse kurz nach dem Attentat. An der Wand hängt ein Plakat zu "Bettauers Wochenschrift"

Am Dienstag, dem 10. März 1925 gegen 15:15 Uhr verschaffte sich der zwanzigjährige arbeitslose Gelegenheitsarbeiter Otto Rothstock unter falschem Vorwand Zutritt zu den Redaktionsräumen von Bettauers Wochenschrift in der 8., Langen Gasse 5-7. Nichts Böses ahnend, ließ ihn Bettauer in sein Arbeitszimmer vor. Der spätere Bettauermörder wies sich als Überbringer eines Briefes aus, folgte Bettauer in sein Arbeitszimmer und gab auf den nichtsahnenden Bettauer fünf Schüsse ab. Zwei Projektile verletzten die Lunge, eine die Bauchspeicheldrüse und zwei Schüsse gingen in den Arm. Der verletzte Bettauer rettete sich in den Empfangsraum, wo er zusammensank. Er wurde medizinisch erstversorgt, bis ihn die Berufsrettung ins Allgemeine Krankenhaus brachte, wo er notoperiert wurde. Nach einer Phase der Besserung verstarb Hugo Maximilian Bettauer am 26. März 1925 an einer unentdeckt gebliebenen Sepsis.

Währenddessen hatte der Mörder Hugo Bettauers Arbeitszimmer versperrt und wartete dort das Eintreffen der Polizei ab. Von zwei Wachmännern gestützt musste Otto Rothstock ins Kommissariat Josefstadt gebracht werden, da er aufgrund seines Angstzustandes nicht mehr eigenständig gehen konnte. Im Kommissariat prahlte er dann „Teil einer ganz großen Sache“ zu sein. Die Niederschrift der ersten Einvernahme des Mörders, der zu diesem Zeitpunkt noch wegen Körperverletzung befragt wurde, liegt dem Strafakt nicht mehr bei. Es gibt zwar einen Aktenvermerk vom Attentatstag in abgetippter Form, doch der ist mit höchster Wahrscheinlichkeit später abgefasst worden, da er auf Erkenntnisse eingeht, die den Ermittlungsbehörden zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt sein konnten. Weiters gibt es ein Protokoll vom Folgetag, im dem Otto Rothstock zu Beitragstätern Stellung nimmt, die zu diesem Zeitpunkt den Ermittlungsbehörden ebenfalls noch nicht bekannt gewesen sein können, es sei denn, einzelne ihrer Mitglieder waren selbst Auftraggeber oder Mitwisser der Hinrichtung Bettauers gewesen.

Prozess gegen Otto Rothstock

Obwohl anfangs gegen mehrere Personen wegen Beitragstäterschaft ermittelt wurde, und im Strafakt mehrere belastende Zeugeneinvernahmen erhalten blieben, wurde ab dem zweiten Vernehmungstag nur mehr in Sachen Einzeltätertheorie ermittelt. Otto Rothstock wurde nach zwei Ermittlungstagen auch schon in die Justizanstalt Josefstadt überstellt, obwohl die geltende Strafprozessordnung ein vorläufiges Verwahren von bis zu zwei Monaten zugelassen hätte. Zum Zustand des Strafaktes wäre noch zu erwähnen, dass er nach dem Prozess mehrmals eingesehen wurde - unter anderem auch vom Reichsführer SS. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass das eine oder andere Aktenblatt verschwand oder berichtigt wurde.

Gegen Otto Rothstock wurde am Landesgericht für Strafsachen Wien im Oktober 1925 verhandelt. Das Urteil, das am Ende dieser Strafverhandlung der Öffentlichkeit präsentiert wurde und über alle Rechtseinwände hinweg standhielt, verdeutlicht ein Selbstverständnis der Justiz, das man sonst nur in Diktaturen vermuten würde. Während und nach der Verhandlung wurde mit so gut wie jedem Rechtsprinzip der Republik Österreich gebrochen. Weder die Verhandlung noch ihr Urteil waren damals eines Rechtsstaates würdig. So legte z.B. der Staatsanwalt weder Berufung ein, noch unterstützte er eine Wiederaufnahme[2].

Quellen

Literatur

  • Valentin Fuchs: Die Hinrichtung Hugo Bettauers. Zur Aufarbeitung eines rechtsextremen politischen Attentats. Wien: Promedia 2022

Einzelnachweise

  1. Valentin Fuchs: Die Hinrichtung Hugo Bettauers. Zur Aufarbeitung eines rechtsextremen politischen Attentats. Wien: Promedia 2022
  2. Valentin Fuchs: Die Hinrichtung Hugo Bettauers. Zur Aufarbeitung eines rechtsextremen politischen Attentats. Wien: Promedia 2022