Medizinerinnen

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Datum von 1897
Datum bis
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Letzte Änderung am 10.12.2020 durch WIEN1.lanm08wei

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Die ersten Medizinerinnen

Grundsätzlich garantierte die Verfassung von 1867 die „freie Berufswahl“ und den dafür erforderlichen Zugang zu einer entsprechenden Ausbildung allen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern. Dazu im praktischen Widerspruch war Mädchen und Frauen der Zugang zu höheren Schulen mit Maturaabschluss und das Universitätsstudium nicht erlaubt. Jene Frauen die ein Studium beginnen und abschließen wollten mussten daher bis Ende des 19. Jahrhunderts auf ausländische Universitäten, besonders in der Schweiz, ausweichen. Dank der hartnäckigen Bemühungen von Gabriele Possanner von Ehrenthal Baronin von Ehrenthal die ein Medizinstudium in Zürich abgeschlossen hatte, erlaubte ein Erlass von 19. März 1896 die Nostrifizierung solcher Auslandsstudienabschlüsse. Dadurch wurde Possanner 1897 zur ersten Doktorin der Medizin approbiert. Mittlerweile wurde der Zugang zum universitären Studium in Österreich 1897 aber lediglich für die philosophischen Fächer erlaubt. Erst drei Jahre später , mit Gesetz vom 3. September 1900, erhielten Frauen Zugang zum Studium der Medizin. Dieser Zugang war noch zusätzlich durch den Umstand erschwert, dass Mädchen erst ab 1901 die Vollmatura, die zum Studium an einer Universität der Habsburgermonarchie erforderlich war, ablegen durften. Die erste Frau die ein Studium der Medizin an der Universität Wien abschloss war am 3. September 1904 Margarete Hönigsberg, die später den Ökonomen und Sozialwissenschaftler Rudolf Hilferding heiratete.

Spitalsärztinnen

Bis 1900 war es approbierten Ärztinnen nur als unbezahlte Gastärztinnen (Hospitantinnen) erlaubt, eine praktische Spitalausbildung zu erwerben, so auch auch Gabrielle Possanner 1902 am „Kronprinzessin-Stephanie-Spital“. Erst 1904 wurden sie probeweise in den Wiener Krankenanstalten als „Aspirantinnen“ zugelassen, um ihnen praktische Erfahrungen für ihre spätere Tätigkeit als praktizierende Ärztinnen zu ermöglichen. Zu diesem Zeitpunkt gab es drei Aspirantinnen am Allgemeinen Krankenhaus. Erst ab 1907 durften Frauen als Sekundarärztinnen tätig sein, doch nur nach Nachweis einer höheren Qualifikation im Vergleich zu männlichen Mitbewerbern. Anna Pölzl wurde 1909 die erste Sekundarärztin im Allgemeinen Krankenhaus, Olga Schulze in der Krankenanstalt Rudolfstiftung. Ab 1920 war Ehelosigkeit keine Voraussetzung für die Anstellung von Ärztinnen in Wiener Krankenanstalten mehr, doch erst 1931 gab es die erste Assistenzärztin an Wiener Spitälern und 1937 waren 65 Assistenzstellen an Wiener Fondskrankenanstalten nur fünf Frauen. Noch geringer war ihr Anteil unter den Universitätsassistenten. Vergleichsweise früh wurden Krankenkassen- und Amtsärztinnen angestellt. Die Allgemeine Arbeiterkrankenkasse stellte die erste Kassenärztin schon 1903 ein. Sie war für die ambulante Behandlung von weiblichen Mitgliedern zuständig. Bis 1933 erfolgte diese nach Geschlecht getrennt.

Ausnahme: Erster und Zweiter Weltkrieg

Die Zahl der Frauen die ein Medizinstudium abschlossen und als Ärztinnen tätig waren stieg in der Folge nur langsam an. Lediglich im Ersten Weltkrieg und im Zweiten Weltkrieg kam es situationsbedingt zu einem Ärztemangel der das Medizinstudium von Frauen begünstigte und ihnen in größerer Zahl befristete Stellen als Spitalsärztinnen ermöglichte. Im Besonderen traf das etwa auf die Rudolfstiftung zu, der zwölf Kriegsspitäler angegliedert waren. Der Ärztemangel im Ersten Weltkrieg ermöglichte es auch Flora Barolin, zur ersten supplierenden Assistentin an der I. Chirurgischen Abteilung der Universitätsklinik aufzusteigen.

Soziale Herkunft und fachliche Orientierung

Medizinerinnen der ersten Jahrzehnte stammten vor allem aus dem jüdischen Bürgertum. Während der NS-Herrschaft wurden nahezu alle vom Regime vertrieben oder ermordet. Nach 1945 rekrutierten sich die Medizinstudentinnen zu rund einem Drittel aus Ärztefamilien. Ab der Zwischenkriegszeit konnten vereinzelt auch Frauen der Mittelschicht und aus dem Kleinbürgertum Medizin studieren. Die ersten Ärztinnen waren Großteils entweder als Ärztinnen für Allgemeinmedizin für Frauen und Kinder oder als Fachärztinnen für Frauenheilkunde tätig. Die ersten Ärztinnen für Frauenheilkunde in Wien waren Bianca Bienenfeld (1879-1929) und Dora Teleky (1879-1963).

Medizinstudium im Bildungsboom

Bis Mitte der 1960er Jahre öffnete sich das Studium für andere Bevölkerungsschichten kaum. Medizinerinnen waren bis dahin als Amtsärztinnen, in den Fächern Anästhesie, Geburtshilfe, Kinderheilkunde und Augenheilkunde tätig. Sehr selten waren Internistinnen und Chirurginnen. Vor allem ab Mitte der 1970er Jahre kam es zu einem sprunghaften Anstieg des Frauenanteils am Medizinstudium und des Anteils an den praktizierenden Ärztinnen. Mit einer gewissen Verzögerung galt das auch für Spitalsärztinnen.

Literatur

  • Birgit Bolognese-Leuchtenmüller – Sonia Horn (Hg.): Töchter des Hippokrates. 100 Jahre akademische Ärztinnen in Österreich, Wien: Verlag der Österreichischen Ärztekammer 2000