Ludlamshöhle: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Wien Geschichte Wiki
Wechseln zu:Navigation, Suche
Zeile 2: Zeile 2:
 
|Quelle=Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
 
|Quelle=Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
 
}}
 
}}
Ludlamshöhle, einer der berühmtesten Treffpunkte von Schauspielern, Sängern, Musikern und Gelehrten des biedermeierlichen Wien. Die freiheitliche Tischrunde bestand seit dem 15. Dezember 1817 und nannte sich nach einer Figur in Adam Gotthold Oehlenschlägers nordischem Nebelmärchenstück „Aladdin", das damals im Theater an der Wien seine Erstaufführung erlebte (Mutter Ludlam war eine Geisterfrau, die in einer Höhle hauste und jedem Menschen so viel borgte, wie er verlangte, ihn jedoch bei unpünktlicher Rückzahlung verfolgte). Die Zusammenkünfte fanden anfangs im Gasthaus „Zum Blumenstock" (Ballgasse) und andernorts, schließlich jedoch im ehemaligen Pfundtnerschen Bierhaus des Bonifaz Haidvogel im Schlossergäßchen statt; Scharfsinniger Ulk und sinnreicher Unsinn waren oberstes Gebot der Unterhaltung. Nach der „Aufnahmsprüfung" wurden Phantasienamen verliehen (Grillparzer: Saphokles der Isterianer [nach seinem Werk „Sappho" und seinem Geburtsort „am Ister"; Ister beziehungsweise Hister war allerdings im Gegensatz zu Danubius die lateinische Bezeichnung für die „untere Donau"]; Carl Maria von Weber: Agathus der Zieltreffer, Edler von Samiel; Friedrich Rückert: Voran der Geharnischte; Castelli: Charon, der Höhlenzote; Daffinger: Rauhbein, der Miniaturige; der Burgschauspieler Karl Schwarz [der die Gesellschaft als „Kalif" auf dem „Ludlamsthron" leitete], hieß [wegen seiner Rauchleidenschaft] Rauchmar, der Cigarringer, aber [wegen seiner Trinkernase] auch Der rote Mohr); auch Beethoven fand sich gelegentlich ein. Nach einem festlich begangenen Geburtstagsfest von Schwarz sprengte die Polizei am 17. April 1826 die Türen des Lokals auf, beschlagnahmte Papiere, Bilder und Tabakspfeifen, verhörte in den frühen Morgenstunden Grillparzer, Castelli und andere Mitglieder der Runde und stellte sie vor Gericht, doch erwies sich alsbald die Harmlosigkeit der Zusammenkünfte.
+
Ludlamshöhle, einer der berühmtesten Treffpunkte von Schauspielern, Sängern, Musikern und Gelehrten des biedermeierlichen Wien. Die freiheitliche Tischrunde bestand seit dem 15. Dezember 1817 und nannte sich nach einer Figur in Adam Gotthold Oehlenschlägers nordischem Nebelmärchenstück „Aladdin", das damals im Theater an der Wien seine Erstaufführung erlebte (Mutter Ludlam war eine Geisterfrau, die in einer Höhle hauste und jedem Menschen so viel borgte, wie er verlangte, ihn jedoch bei unpünktlicher Rückzahlung verfolgte). Die Zusammenkünfte fanden anfangs im Gasthaus „Zum Blumenstock" (Ballgasse) und andernorts, schließlich jedoch im ehemaligen Pfundtnerschen Bierhaus des Bonifaz Haidvogel im Schlossergässchen statt; Scharfsinniger Ulk und sinnreicher Unsinn waren oberstes Gebot der Unterhaltung. Nach der „Aufnahmsprüfung" wurden Phantasienamen verliehen (Grillparzer: Saphokles der Isterianer [nach seinem Werk „Sappho" und seinem Geburtsort „am Ister"; Ister beziehungsweise Hister war allerdings im Gegensatz zu Danubius die lateinische Bezeichnung für die „untere Donau"]; Carl Maria von Weber: Agathus der Zieltreffer, Edler von Samiel; Friedrich Rückert: Voran der Geharnischte; Castelli: Charon, der Höhlenzote; Daffinger: Rauhbein, der Miniaturige; der Burgschauspieler Karl Schwarz [der die Gesellschaft als „Kalif" auf dem „Ludlamsthron" leitete], hieß [wegen seiner Rauchleidenschaft] Rauchmar, der Cigarringer, aber [wegen seiner Trinkernase] auch Der rote Mohr); auch Beethoven fand sich gelegentlich ein. Nach einem festlich begangenen Geburtstagsfest von Schwarz sprengte die Polizei am 17. April 1826 die Türen des Lokals auf, beschlagnahmte Papiere, Bilder und Tabakspfeifen, verhörte in den frühen Morgenstunden Grillparzer, Castelli und andere Mitglieder der Runde und stellte sie vor Gericht, doch erwies sich alsbald die Harmlosigkeit der Zusammenkünfte.
  
 
Als Nachfolgevereinigung entstand als literarische Tischgesellschaft, die am 15. Februar 1855 von [[Friedrich Anton Kaiser|Friedrich Kaiser]] begründete „[[Grüne Insel]]".
 
Als Nachfolgevereinigung entstand als literarische Tischgesellschaft, die am 15. Februar 1855 von [[Friedrich Anton Kaiser|Friedrich Kaiser]] begründete „[[Grüne Insel]]".

Version vom 18. August 2014, 11:06 Uhr

Daten zum Eintrag
Datum von 1817
Datum bis 1826
Objektbezug
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
Export RDF-Export (Resource Description Framework) RDF
Recherche
Letzte Änderung am 18.08.2014 durch WIEN1.lanm09mur

Es wurden noch keine Bezeichnungen erfasst!

Die Karte wird geladen …

48° 12' 22.56" N, 16° 22' 24.19" E  zur Karte im Wien Kulturgut

Ludlamshöhle, einer der berühmtesten Treffpunkte von Schauspielern, Sängern, Musikern und Gelehrten des biedermeierlichen Wien. Die freiheitliche Tischrunde bestand seit dem 15. Dezember 1817 und nannte sich nach einer Figur in Adam Gotthold Oehlenschlägers nordischem Nebelmärchenstück „Aladdin", das damals im Theater an der Wien seine Erstaufführung erlebte (Mutter Ludlam war eine Geisterfrau, die in einer Höhle hauste und jedem Menschen so viel borgte, wie er verlangte, ihn jedoch bei unpünktlicher Rückzahlung verfolgte). Die Zusammenkünfte fanden anfangs im Gasthaus „Zum Blumenstock" (Ballgasse) und andernorts, schließlich jedoch im ehemaligen Pfundtnerschen Bierhaus des Bonifaz Haidvogel im Schlossergässchen statt; Scharfsinniger Ulk und sinnreicher Unsinn waren oberstes Gebot der Unterhaltung. Nach der „Aufnahmsprüfung" wurden Phantasienamen verliehen (Grillparzer: Saphokles der Isterianer [nach seinem Werk „Sappho" und seinem Geburtsort „am Ister"; Ister beziehungsweise Hister war allerdings im Gegensatz zu Danubius die lateinische Bezeichnung für die „untere Donau"]; Carl Maria von Weber: Agathus der Zieltreffer, Edler von Samiel; Friedrich Rückert: Voran der Geharnischte; Castelli: Charon, der Höhlenzote; Daffinger: Rauhbein, der Miniaturige; der Burgschauspieler Karl Schwarz [der die Gesellschaft als „Kalif" auf dem „Ludlamsthron" leitete], hieß [wegen seiner Rauchleidenschaft] Rauchmar, der Cigarringer, aber [wegen seiner Trinkernase] auch Der rote Mohr); auch Beethoven fand sich gelegentlich ein. Nach einem festlich begangenen Geburtstagsfest von Schwarz sprengte die Polizei am 17. April 1826 die Türen des Lokals auf, beschlagnahmte Papiere, Bilder und Tabakspfeifen, verhörte in den frühen Morgenstunden Grillparzer, Castelli und andere Mitglieder der Runde und stellte sie vor Gericht, doch erwies sich alsbald die Harmlosigkeit der Zusammenkünfte.

Als Nachfolgevereinigung entstand als literarische Tischgesellschaft, die am 15. Februar 1855 von Friedrich Kaiser begründete „Grüne Insel".

Literatur

  • Karl Ziak [Hg.]: Unvergängliches Wien. Ein Gang durch die Geschichte von der Urzeit bis zur Gegenwart. Wien: Europa-Verlag / Forum-Verlag 1964, S. 288 f. (Castelli)
  • Karl Wache: Jahrmarkt der Wiener Literatur. Wien: Bergland-Verlag 1966 (Österreich-Reihe, 331/333); darin: Ignaz Franz Castelli, der Vater der Ludlamshöhle, S. 13 ff.; Neue Kunde von der alten Ludlamshöhle, S. 29 ff.
  • Ignaz Franz Castelli: Memoiren meines Lebens. Gefundenes und Empfundenes, Erlebtes und Erstrebtes. Band 2. München: Müller [1913], S. 1 ff.
  • Isabella Ackerl [Hg.]: Die Chronik Wiens. Die Weltstadt von ihren Anfängen bis heute. Dortmund: Chronik-Verlag 1988
  • Otto Zausmer: Der Ludlamshöhles Glück und Ende. In: Jahrbuch der Grillparzer-Gesellschaft 33 (1935)
  • Ulrike Jenni / Robert Wagner / Marie-Therese Winkler: Die Blumenaquarelle des Moritz Michael Daffinger. Zur Erforschung der alpenländischen Flora im Vormärz. Graz: Akademische Druck- und Verlagsanstalt 1987, S. 25 ff.